thekla

08.08.2011           wildcat.archiv.thekla

Thekla 8, 1987

Industrieroboter: Automatisierung von Montagearbeit

Dezember 1985

Papier für den Arbeitskreis Militante Untersuchung

Die Automationsdebatte, die inzwischen auf breiter Basis eher kolportiert denn geführt wird, begann unter den Sozialwissenschaftlern etwa Anfang der 50er. Ausgelöst wurde sie durch die Transfermechanisierung in den mechanischen Fertigungen der Automultis, wobei offensichtlich Renault federführend war. Prototypisch für diese Zeit konstruierte der französische Soziologe Touraine ein Dreiphasenmodell der Industrialisierung: Für die erste Phase steht der Facharbeiter-Handwerker, für die zweite der repetitive Teilarbeiter an Fließband und Spezialmaschine, für die dritte dann der Überwacher und Kontrolleur der automatischen Anlagen sowie der Instandhalter neuen Typs, der Arbeitertechniker. Nur der technologische »Schlüssel für eine automatische Fabrik« (Diebold), ein bewegliches Handhabungsgerät, war noch nicht entwickelt. Diesen sollte dann die in den 70ern entwickelte Industrierobotertechnologie darstellen.

Folgerichtig sind die Automationsblüten inzwischen reichlich gediehen. Ob in Stern (38/1980) oder Spiegel (39/1980), wo zum Beispiel behauptet wurde, daß in einem japanischen Autowerk mit nur 67 Arbeitern pro Tag 1300 PKWs durch Montageroboter produziert würden oder auf Gewerkschaftskongressen (z.B. Hans G. Helms, in: Industrieroboter und Humanisierung, Arbeitstagung der IGM, 15./16. Dezember 1980, 2. Aufl. 1981). Dort wurde zum Beispiel die Anzahl der bis 1985 in den USA eingesetzten Industrieroboter auf mindestens 32 000 hochgerechnet und behauptet, als Folge eines integralen Industrieroboter-Einsatzes »schmelzen Teil- oder Gesamtbelegschaften von Werken auf kleine Gruppen von Design-Ingenieuren, Programmierern und Wartungstechnikern zusammen.« Noch Ärgeres von seiten der japanischen Industrieroboter-Hersteller, wie zum Beispiel in einer 83er Ausgabe der VDI-Zeitschrift, wo zu lesen ist, daß in dem Luxemburger Werk der Fanuc nur vier Leute arbeiten: darunter der Direktor, seine Sektretärin - und ein Montagearbeiter, der die einzige noch bestehende Mechanisierungslücke schließe; kein Schlosser, kein Elektriker, kein Einrichter, kein Lager- , kein Transportarbeiter - nichts. Oder auch das etwas ratlose Gestaune über das Saturnprojekt von GM auf dem letzten AKMU-Treffen. Es fragt sich dabei, was ist (noch) Ideologie und wo fängt die Propaganda und gezielte Desinformation an.

Daß es Anfang der 70er noch »recht euphorische Erwartungen« an die Industrieroboter-Technologie gab und inzwischen »die Wirklichkeit (...) weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben« ist (so R.D.Schraft, Direktor des Fraunhofer Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung, IPA, Stuttgart, auf einer Tagung des BDA im März 82), mag sein. Natürlich ist auch Werbung im Spiel (Fanuc), aber vor allem ne Menge gezielter Desinformation. Wie weit das Kreise zieht, zeigt eine Studie von Brodbeck u.a. (Handhabungs-systeme, 1981, HdA-Reihe Bd.12). Bei einer Befragung von Industrieroboter-Anwendern kam heraus, daß erstens die meisten Anwender vor der Beschaffung noch gar nicht wußten, wo sie den Industrieroboter überhaupt einsetzen sollten, und zweitens Anschaffungsgrund eine »erhoffte Arbeitskräfteersparnis« war, in Praxis aber nur hohe Kosten »durch Kostenverlagerung (...) und Scheinrationalisierung« die Folge waren.

Im folgenden konzentrieren wir uns auf die Automobilindustrie, weil hier Erst- wie Masseneinsatz von Industrierobotern erfolgte, und da speziell auf VW: erstens weil wir nur zu VW halbwegs brauchbare Infos gefunden haben und zweitens weil VW hier nicht nur federführend ist, sondern durch die Kombination Hersteller/Anwender auch »ultima ratio«. Dabei beziehen wir uns weitgehend auf die Studien des SOFI/Göttingen Ende der 70er im VW-Konzern.

Gerade an der Automobilproduktion läßt sich verdeutlichen, daß Automatisierung/Rationalisierung und Industrieroboter-Einsatz bei weitem nicht identisch sind. Und das nicht nur deshalb, weil von den zur Zeit bei VW/Audi installierten rund 11 000 Industrierobotern gut 60 Prozent nur Mechanisierungsersatz für die vorher eingesetzten Anlagen der Einzweckmechanisierung sind (FR, 14.5.85). Die zentralen Rationalisierungsinstrumente sind vielmehr die Materialsubstitution und Verfahrens-/Produktänderungen. Materialsubstitution heißt vor allem Kunststoff und Mikroelektronik. Während die Versuche mit der Karossenfertigung aus Kunststoff bis heute nicht sehr erfolgreich waren und wohl auch in Zukunft nicht sein werden, begann über die Materialsubstitution durch Kunststoff Anfang der 70er der zentrale Angriff auf die Ausstattungsfertigung, das heißt vor allem Näherei und Polsterei. Bereits mit dem Ersatz der Metallfederpolsterung durch Vollschaumsitze wurden die relativ qualifizierten Polsterer weitgehend hinweggefegt. Der nächste Schritt galt dann der Ende der 70er von Ford forcierten Sitzauflage aus einem Kunststoffteil: in nur einer Produktionsanlage wird der Bezugsstoff von der Materialrolle in eine Vakuumform gezogen, dann hinterschäumt und beschnitten; das heißt Wegmechanisierung von Zuschneider, Näherei und den Resten der Polsterei. Ein weiteres aktuelles Projekt betrifft die Dachauskleidung, damit die Endmontage. Wurde der Wagenhimmel bis vor kurzem noch relativ arbeitsintensiv eingespannt, angepaßt und verklebt, wird zum Beispiel im neuen Audi 100 nun eine vorgefertigte Kunststoffschale (von einem Industrieroboter) eingeklebt. Weitere Überlegungen laufen dahin, die nicht tragenden Partien des Daches mit Dachauskleidung samt lärmschutzisolierender Zwischenschicht aus einem Kunststoffteil zu fertigen. Ein anderes Beispiel ist der Ersatz des traditionellen Blechtanks durch einen Kunststofftank im neuen Golf.

Die Ende der 70er beginnende Verdrängung der elektromechanischen Funktionsteile durch mikroelektronische Bauelemente braucht hier nicht weiter ausgeführt zu werden. Gerade wo die Materialsubstitution durch Kunststoff und Mikroelektronik in Kombination möglich war, wie zum Beispiel in der Büromaschinenindustrie, wurden ganze Arbeitermassen hinweggefegt und von Grund auf neu strukturiert (wie bei Triumph Adler nach der Übernahme durch VW).

Rationalisierung durch Produkt- und Verfahrensänderung läuft massenhaft und permanent. Im kleinen durch konstruktive Veränderungen an Werkzeugen zum Beispiel zur Vermeidung von Graten (und damit Reduzierung von Nacharbeit), im großen über konstruktive Veränderungen des Fahrwerks, zum Beispiel die Reduzierung von Schweißpunkten und - nähten. So hatte das Vorgängermodell des neuen Audi 100 5 659 Schweißpunkte, 6 468 mm Schutzgasscheißnähte und 1 220 mm wurden hartgelötet. Der »neue« hat dagegen nur 3 934 Schweißpunkte (-30,5 Prozent ), nur noch 3 580 mm Schutzgasschweißnähte (-44,7 Prozent ) und ganze 200 mm werden noch hartgelötet (-83,6 Prozent ). Ein weiteres Beispiel am Audi 100 ist der Ersatz der arbeitsintensiven Verankerung von Heck- und Frontscheibe in Profilgummis durch Aufkleben der Scheiben (mittels Industrieroboter). Ein aktuelles Rationalisierungsmoment ist nach wie vor auch die (NC-)Spezialmechanisierung, insbesondere in der Vormontage (z.B. Gelenkwellen).

Nur eines unter vielen Rationalisierungsinstrumenten ist in diesem Rahmen die Industrieroboter-Technologie. Deren Einsatz wird oft erst in der Kombination mit Produkt- und Verfahrensänderungen technisch möglich (Beispiel Wagenhimmel- , Front- und Heckscheibenmontage des neuen Audi 100). Auf der anderen Seite – und damit kommen wir auf die Propaganda zurück – wird ihr vor allem die »Arbeitsplatzvernichtung« durch konstruktive Veränderungen wie beispielsweise der Reduzierung der Schweißpunkte und – nähte allzuoft umstandslos zugeschustert, das heißt die »Arbeitskräfteeinsparung« wird hier ausschließlich als Folge des Einsatzes von Punktschweißrobotern verkauft. Bevor wir im weiteren Ziel und Zweck des Industrieroboter-Einsatzes konkret unter die Lupe nehmen, zunächst einige technische (Produktions-)Vorbemerkungen.

Ein Industrieroboter setzt sich technisch zusammen aus dem Grundgerät, den Anbauten und der Peripherie.

Mit Grundgerät ist die Bewegungsmaschine incl. elektrischer und elektronischer Komponenten gemeint. Zentrales Kriterium ist hier die flexible Programmierbarkeit, wodurch sich der Industrieroboter von den Einlegegeräten (mit Greifern ausgerüstete mechanische Handhabungseinrichtungen, die vorgegebene Bewegungsabläufe nach einem festen Programm abfahren) und den Teleoperatoren (von Hand ferngesteuerte Manipulatoren ohne Programmsteuerung) unterscheidet. Vorherrschend ist hier noch das Teach-in-Verfahren, das heißt Programmierung im sogenannten Lernbetrieb. Die Steuerung ist heute kein technisches und erst recht kein finanzielles Problem mehr. Als VW sich erstmals 1965 mit der Industrieroboter-Entwicklung beschäftigte, kostete eine Steuerung noch 1,5 Mio. DM. Mit Beginn der Industrieroboter-Technologie 1979 noch ca. 20 000, heute etwa 1000 DM.

Zu den Anbauten gehören die Werkzeuge, Greifer etc., mit denen das Grundgerät je nach Einsatzort und - feld ausgerüstet wird. Prinzipiell wird hier unterschieden zwischen Werkzeughandhabung, also Werkstückbearbeitung wie Beschichten, Punktschweißen, Bahnschweißen etc. und Werkstückhandhabung (Handling der Fertigungsteile an Pressen, Schmiede-, Druckguß-, Spritzguß-, Werkzeugmaschinen etc.).

Wie die Anbauten ist auch die Peripherie, also Positioniereinrichtungen, Halte- und Spannvorrichtungen, Fördersysteme etc., auf eine fest umrissene, starre Arbeitsaufgabe festgelegt. Hier liegen damit die eigentlichen technischen Schwierigkeiten und Kostenfaktoren wie auch der Schwerpunkt der Entwicklungsanstrengungen (flexible Ordnungs- und Magaziniereinrichtungen für ungeordnet angelieferte Teile, optische und taktile Sensoren). Die Peripheriekosten machten bei VW 1980 im Schnitt 50 Prozent (15-100 Prozent) der gesamten Industrieroboter-Anlagenkosten aus.

Rein fertigungstechnisch (-ökonomisch) bedeuten die Industrieroboter im Vergleich zur konventionellen (Spezial-)Mechanisierung hohe Flexibilität und Standardisierung.

Flexibilität heißt Verringerung der unproduktiven Zeiten (kurze Rüst- und Umstellungszeiten) und geringere Entwertung des fixen Kapitals bei Modellwechsel und  - änderung (der Wiederverwendungsanteil beträgt bei den Industrieroboter-Installationen bis zu 70 Prozent , bei der konventionellen Einzweckmechanisierung dagegen nur ca. 15 Prozent). Sie beinhaltet damit die Möglichkeit zur Typendifferenzierung und verkürzten Modell- und Innovationszyklen. Standardisierung heißt Kostensenkung durch Serienproduktion und geringen Instandhaltungsaufwand (Modulaustauschreparatur der Industrieroboter-Grundgeräte). Und summa summarum damit generell ein geringeres Mechanisierungsrisiko.

So weit – so gut – so einfach. Komplizierter wird die ganze Chose unter dem Gesichtspunkt der technischen Neuzusammensetzung der Klasse. Hier wollen wir uns zunächst mal anschauen, was das Kapital dazu verbrät.

Der Direktor des IPA Stuttgart, Schraft, benannte 1982 recht unverblümt als Hintergrund der Industrieroboter-Technologie das Anfang der 70er Jahre (!) entstandene »Automatisierungsdefizit im Bereich der Werkzeug- und Werkstückhandhabung«, das heißt in den traditionellen Massenarbeiterabteilungen. Demgegenüber hätten sich die Rationalisierungs- und Automatisierungsanstrengungen in den 50er und 60er Jahren fast ausschließlich auf den »eigentlichen Fertigungs-prozeß«, also die produktiven Facharbeiterabteilungen, und nur die Handhabung in der Großserie (Transfermechanisierung) beschränkt.

Schrafts Vorgänger am IPA Stuttgart, Warnecke, beklagte in einer 1975 vom BdA herausgegebenen Industrieroboter-Broschüre die Abwanderung der (gemeint sein können ja nur die deutschen) Arbeitskräfte aus der Produktion in den Verwaltungs- und Dienstleistungssektor. Die bisherige Tendenz von Mechanisierung und Automatisierung, die Zahl der Arbeitsplätze mit niedrigen und mittleren Anforderungen zu steigern, werde sich (mit der Industrieroboter-Technologie) umkehren und die Arbeitsanforderungen steigern. Ziel müsse sein, »die Attraktivität der Produktion und des Arbeitens in ihr« über Automatisierung zu steigern. Auch hier wird der Argumentationsstrang einigermaßen klar: Zersetzung des Multinationalen Massenarbeiters über Reintegration qualifizierter Deutscher in Automationsfunktionen.

In die gleiche Richtung zielt die Argumentation eines Audi-Fertigungstechnikers auf einer VDI-Tagung 1983: die Automatisierung (Industrieroboter-Technologie) führe dazu, die »bisherige strenge Arbeitsteilung zwischen direkten und indirekten Bereichen«, also (»unqualifizierter«) Produktionsarbeit und (»qualifizierter«) Wartungs- und Instandhaltungsarbeit aufzulösen.

Auf einer BdA-Tagung 1983 nannte das Geschäftsleitungsmitglied des BdA Voigtländer folgende vier Gründe für den »Einsatz von Industrierobotern aus der Sicht der Arbeitgeber«:

  1. Die allgemeine Ausweitung von Schicht- und Nachtarbeit Qualitätsverbesserungen
  2. Steigerung der Arbeitsintensität
  3. Das HdA-Argument, also Einsatz in Fertigungsabläufen, wo »die Grenzen der menschengerechten Arbeitsgestaltung erreicht« werden.

Und zur Umstrukturierung der Arbeitsorganisation durch den Industrieroboter-Einsatz: Entscheidend sei nicht »die sogenannte Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen«, die »sich im Grundsatz nicht bestätigt« habe, sondern der Einsatz beziehungsweise das Erfordernis höherqualifizierter Arbeitskräfte.

Und das ist auch der Punkt, womit die Unterstützung der IGM  - allen Unkenrufen von wegen Massenarbeitslosigkeit etc. zum Trotz -  für die Roboterisierung problemlos erreicht wurde: Angriffsziel der Roboterisierung ist der multinationale Massenarbeiter und nicht  - wie bei der NC/CNC-Technik -  die klassische Gewerkschaftsklientel Facharbeiter. Versprochen wurde vielmehr die Ausweitung der Produktionsfacharbeiterschaft und speziell bei VW über die faktische Umwandlung des werkseigenen Werkzeugs- und Vorrichtungsbaus in einen eingegliederten Maschinenbaubetrieb neue Facharbeitsplätze.

Betrachten wir die Einsatzschwerpunkte der Industrieroboter beziehungsweise die noch laufenden aktuellen Entwicklungsanstrengungen, so müssen die zentralen Abteilungen global nach ihrem Mechanisierungsniveau unterschieden werden.

Da haben wir auf der einen Seite die Abteilungen mit hohem Mechanisierungsniveau wie das Preßwerk oder die mechanische Fertigung. Hier heißt hohes Mechanisierungsniveau vor allem Differenzierung und Polarisierung. Mit Differenzierung meinen wir eine inhomogene und vielschichtige technische Zusammensetzung, mit Polarisierung die unterschiedliche(n) Qualifikationsstruktur und  -anforderungen, also auf der einen Seite ein komplexeres Qualifikationsniveau und höhere Qualifikationsanforderungen und auf der anderen Seite die Reduktion der produktiven Arbeit auf reine Routinefunktionen. Diese Abteilungen zeichnen sich aus durch einen minoritären Anteil sogenannter repetitiver Tätigkeiten, einen hohen Anteil sogenannter produktionsbegleitender Tätigkeiten (die nicht mehr direkter Bestandteil des Fertigungsflusses, sondern durch zyklische oder sporadische Eingriffe in diesen gekennzeichnet sind) und einen relativ hohen Anteil von Instandhaltungstätigkeiten. So machten 1979 bei VW im Preßwerk (Klein- und Großpreßwerk) die repetitiven Teilarbeiter (Handhaber an Maschinen, Zwischentransporthandhaber und Sichtprüfer) nur 25,7 Prozent der hier versammelten Belegschaft aus  -  und damit nur unwesentlich mehr als die Instandhaltungsarbeiter (21,5 Prozent). Nahezu jeder zweite (48 Prozent) gehörte dagegen zu den »produktionsbegleitenden« Arbeitern (Einrichter, Transportarbeiter, Qualitätskontrolleure etc.). Industrieroboter sind hier von daher kaum Thema, da die Kurzgreifermechanisierung etwa doppelt so schnell arbeitet. Das heißt Industrieroboter sind hier überhaupt nur rentabel einsetzbar bei relativ kleinen Losen (hoher Umrüsthäufigkeit).

Ähnlich die Zusammensetzung in der Mechanischen Fertigung, der kapitalintensivsten Abteilung des VW-Konzerns (nur Großserienfertigung, Klein- und Mittelserien über Zulieferer): Dominierende Arbeit (exakt jeder dritte) ist hier die Mehrmaschinenüberwachung (zwei bis vier Maschinen), die gesamten »produktionsbegleitenden« Arbeiten machen 55,9 Prozent aus. Zweitgrößte Gruppe sind die Instandhalter mit 19,5 Prozent und die kleinste mit 19,1 Prozent die repetitiven Teilarbeiter. Das ist wohl der entscheidende Grund dafür, daß die Roboterisierung dort kaum Thema ist.

Als typische Arbeitsbedingungen der Mehrmaschinenüberwachung diagnostizierten die SOFI-Leute neben der Abnahme körperlicher Anforderungen, höherer Aufmerksamkeitsanspannung und einem hohen Lärmpegel den »Trend zur sozialen Isolation«, verursacht durch die große räumliche Entfernung und die nur geringen Möglichkeiten, die Anlage zu verlassen.

Auf der anderen Seite haben wir dann die Abteilungen mit relativ niedrigem Mechanisierungsniveau, den Karosseriebau, die Lackiererei, die Aggregat- und Vormontage und die Endmontage. Hier korrespondiert das niedrige Mechanisierungsniveau mit einer relativ homogenen Struktur und einem absolut majoritären Anteil der repetitiven Teilarbeiter. Dazu einige Zahlen von 1979:

Karosserierohbau:

  • Repetitive Teilarbeiter 70,3 Prozent,
  • »produktionsbegleitende« Arbeiter 18,6 Prozent,
  • Instandhalter 7,4 Prozent.

Lackiererei (Karossen- und Einzelteilelackierung; Verhältnis etwa 7:1):

  • Repetive Teilarbeiter 71,8 Prozent,
  • »produktionsbegleitende« Arbeiter 19,5 Prozent,
  • Instandhalter 3,8 Prozent.

Aggregat- und Vormontage:

  • Repetitive Teilarbeiter 85,7 Prozent,
  • »produktionsbegleitende« Arbeiter 9,9 Prozent,
  • Instandhalter 1,0 Prozent.

Endmontage (zahlenmäßig absolut größte Abteilung, hier arbeitet etwa jeder vierte Produktionsarbeiter):

  • Repetitive Teilarbeiter 82,6 Prozent
  • »produktionsbegleitende« Arbeiter 13,1 Prozent (davon allein zwei Drittel Nachtarbeiter),
  • Instandhalter 1,2 Prozent.

Exakt diese Abteilungen, in denen Arbeiterantagonismus und politische Klassenzusammensetzung in den 60er und 70er Jahren am weitesten entwickelt war, wurden Ende der 70er/Anfang der 80er zum Hauptangriffsziel der Roboterisierung. Wobei der einzige Unterschied in deren  – den unterschiedlichen technischen Schwierigkeiten geschuldeten –  Rasanz lag. Am einfachsten erwies sich die Roboterisierung des Punktschweißens – am schwierigsten die der Montagetätigkeiten (v.a. in der Endmontage).

Von den im VW-Konzern bis zum Jahre 1980 insgesamt produzierten 270 Industrierobotern wurden allein 206 zum Punktschweißen (76,3 Prozent ) installiert. Trotz immenser technischer Schwierigkeiten weitere 30 in der Montage, wobei der Blickwinkel dadurch zurechtgerückt wird, daß zu dieser Zeit in der gesamten BRD nur noch ganze 20 weitere Montageroboter installiert waren.

Aktuellere Zahlen von VW haben wir nicht. Nach einer IPA-Studie waren in der BRD im Januar 1985 insgesamt (Industrie und Forschung) 6600 Industrieroboter im Einsatz; die wesentlichen Einsatzbereiche waren:

1894 (28,7 Prozent) zum Punktschweißen (Steigerungsrate zu 1984: 21,4 Prozent)

1334 (20,2 Prozent) zum Lichtbogenschweißen (55,8 Prozent)

920 (13,9 Prozent) zur (allerdings reichlich unspezifischen) Werkstückhandhabung (31,3 Prozent)

727 ( 7,1 Prozent) zum Werkzeugmaschinen Be- und Entladen (45,6 Prozent)

452 ( 6,8 Prozent) in der Montage (mit der höchsten Steigerungsrate: 82,3 Prozent)

INDUSTRIEROBOTEREINSATZ IN DER PRAXIS – AM BEISPIEL VON VW

Im folgenden werden wir in fünf Unterpunkten Industrieroboter-Einsätze im VW-Konzern, differenziert nach Einsatzort und  - art, untersuchen. Die ersten drei befassen sich mit dem Einsatz von Einzelaggregaten (zur Bearbeitung an Einzelarbeitsplätzen  -  zur Handhabung an Einzelarbeitsplätzen  -  zur Handhabung/Bearbeitung im Bearbeitungsverbund), an denen sich prinzipiell und exemplarisch Funktion, Zielrichtung und Modus von Industrieroboter-Einsätzen veranschaulichen lassen. Die letzten zwei mit dem Großeinsatz von Industrierobotern und damit tendenziell mit deren »ultima ratio«.

1. Einzelaggregat zur Bearbeitung an Handarbeitsplätzen

Hier handelte es sich um insgesamt vier Einzelaggregate, drei zum Schweißen (Heften, Punkten) und eins zum Klammern.

In einem Fall ersetzte der Industrieroboter den dritten Mann, die beiden Verbliebenen produzieren mit Industrieroboter das gleiche Pensum wie vorher zu dritt. In den anderen drei Fällen handelte es sich um reine Einzelarbeitsplätze. Durch den Industrieroboter ersetzt wurde dabei niemand, zum Teil erheblich erhöht wurde aber der Ausstoß: in einem Fall um 11,8 Prozent, im zweiten um 75 Prozent und im dritten um 100 Prozent .

Vom Arbeitsprozeß her wesentlich ist hier die Verlagerung der Bearbeitungsfunktion auf den Industrieroboter. Das heißt:

  1. Die ehedem relativ gut entlohnte spezialisierte Bearbeitungstätigkeit wird reduziert aufs Teilehandling (Einlegen, Spannen etc.), also »Jedermannstätigkeit« ohne qualifikatorische Anforderungen und mit entsprechend niedrigerer Lohngruppe.
  2. Die verbliebenen qualitativen Arbeitsbestandteile (Ein- und Neueinstellen des Industrieroboter plus Wartung) werden auf die (Produktions-)Facharbeiter verlagert.
  3. Der Akkord wird durch die feststehende Taktzeit des Industrieroboters »objektiviert« und damit erhöht.
  4. Das bedeutet eine rigide Taktbindung und – da kaum noch Vorarbeiten und damit weniger selbstbestimmte Pausen möglich sind – auch soziale Isolierung.

Theoretisch bedeutet die Mechanisierung der Bearbeitungsfunktion im Unterschied zur vorherigen Handarbeit gleichbleibende Qualität. Das bleibt aber nicht nur theoretisch oder technisch. Denn die Möglichkeit, selbstbestimmte Pausen rauszuholen, wird hier quasi umgepolt: Waren die Pausen vorher nur darüber möglich, schneller zu schweißen etc. und damit zum Teil auch Pfusch zu produzieren, so geht das nun nur noch darüber (von Sabotage mal abgesehen), den Industrieroboter der Pfuscharbeit zu überführen und damit einen Grund zu haben, diesen abzustellen und einen Einrichter zu rufen; also über eine rigide Handhabung der Qualitätskontrolle.

2. Einzelaggregat zur Handhabung an Kunststoffspritzmaschinen

Geplant sind in dieser Abteilung Handlingsgeräte an sieben Großmaschinen (über 450 Tonnen Schließkraft). Realisiert sind seit ca. 6 Monaten drei, allerdings mit unterschiedlicher Gewichtung. In zwei Fällen erfolgt bisher nur zeitweiliger Einsatz, da die Industrieroboter-Peripherie (Spannvorrichtungen) nur auf eine bestimmte Form ausgelegt ist. Nur auf der dritten Maschine, die im übrigen auch die aufwendigste Peripherie hat, läuft permanent eine Form. Hier werden von der Betriebsleitung exemplarisch die Möglichkeiten erforscht, über die Roboterisierung Arbeitsstruktur und -organisation zu verändern.

Der Akkord an dieser Maschine ist auf dem Papier nach wie vor 360 Stück pro Schicht. Tatsächlich gemacht wurden vorher aufgrund von Absprachen zwischen den drei Schichten ca. 320. Der Maschinenarbeiter hatte das gespritzte Teil der Form zu entnehmen, den Maschinenzyklus wieder in Gang zu setzen und währenddessen das entnommene Teil zu prüfen, dann den Anguß abzuschneiden und an der Bohrmaschine abzusenken und das Teil in eine von insgesamt vier Spannvorrichtungen zu spannen; dann das am längsten gespannte Teil der Spannvorrichtung zu entnehmen, das Teil entgraten, in eine Plastiktüte einzupacken und in eine Gitterbox zu legen.

Die vollen Gitterboxen sind danach in die angelagerte Vormontage (reine Frauenabteilung) gekommen. Hier wurden die Teile wieder ausgepackt, vier Gewindebuchsen eingepreßt (erste Frau), die Konzernsignien geprägt und vier Gewindemuffen eingedrückt (zweite Frau), ein Griff montiert und für die Endmontage wieder eingepackt (dritte Frau). Wobei der festgesetzte Akkord für diese Einzeltätigkeiten auch hier nivelliert wurde: faktisch wurde der Akkord auf den niedrigsten Einzelakkord (Buchsen eindrücken = 870 Stück pro Schicht) gedrückt (zum Vergleich; fürs Griff montieren beträgt der Akkord 1 250 Stück pro Schicht).

Durch den eingesetzten Industrieroboter änderte sich nun folgendes:

  1. Der Maschinenzyklus läuft nun vollautomatisch ab. Der Industrieroboter entnimmt das Teil aus der geöffneten Form und startet beim Rausfahren automatisch den nächsten Maschinenzyklus. Unterbrechungen gibt╚s jetzt also nur bei Industrieroboter- oder Maschinenstörungen bzw. bei Neueinstellungen durch die Einrichter (Qualitätskontrolle!). Darüber wurde zunächst der Ausstoß bei unveränderter Maschineneinstellung von vorher ca. 320 auf den Akkordsatz von 360 pro Schicht angehoben (+12,5 Prozent ).
  2. Weiterhin automatisch erfolgt nun das Einspannen der Teile durch den Industrieroboter in die zur Industrieroboter-Peripherie gehörenden Spannvorrichtungen. Im Zusammenhang mit einem gleichmäßigen Maschinenzyklus heißt das auf jeden Fall Qualitätsverbesserung.
  3. Automatisch erfolgt nun auch das Abschneiden und Absenken des Angusses (Industrieroboter-Peripherie).
  4. Nach massiven Anfangsschwierigkeiten läuft nun in der Industrieroboter-Peripherie auch das automatische Eindrücken der Gewindebuchsen (wovon die Vormontage betroffen ist).
  5. Was bislang in der Industrieroboter-Peripherie überhaupt nicht funktioniert, ist das automatische Prägen der Teile.

Für den Maschinenarbeiter änderte sich allerhand:

  1. Sein Arbeitsplatz ist jetzt nicht mehr direkt an der Maschine sondern am Band, auf das der Industrieroboter die fertig bearbeiteten und gespannten Teile ablegt (Taktbindung).
  2. Von der alten Tätigkeit geblieben ist das Sichtprüfen, das Entgraten und Verpacken der Teile in Plastiktüte und Gitterbox. Neu hinzugekommen sind die bis dahin in der Vormontage ausgeführten Arbeiten: Griff montieren, Gummimuffen eindrücken – schließlich auch das Prägen der Teile plus erhöhtem Ausstoß.
  3. nach zwei bis drei Monaten, als das also so halbwegs durchgedrückt war, ging die Abteilungsleitung dann systematisch daran, den Maschinenzyklus zu verkürzen. Wesentliche Voraussetzung, das in den Griff zu kriegen, war die NC/CNC-Technik, also die jederzeitige Überprüf- und Abrufbarkeit aller Daten über den Bildschirm (gerade gegen das Hintertreiben seitens der Einrichter). Hierüber wurde der Ausstoß auf bis zu 480 Stück pro Schicht hochgefahren (Voraussetzung: keine Störungen). Das Ergebnis war dann zum Teil erheblicher Ausschuß. Mittlerweile hat sich das auf ca. 380-390 Stück pro Schicht (incl. Störungen) eingependelt.

Gekostet hat dieser Industrieroboter incl. Peripherie ca. 500.000 DM. Neben einer Produktivitätssteigerung von ca. 20 Prozent hat er dadurch, daß er während drei Schichten läuft, in der Vormontage ca. vier Frauen pro Tag eingespart. Wobei wohl auch hier klar geworden ist, daß der Industrieroboter hierfür im Prinzip nur das Vehikel und der hauptsächliche »Einsparer« der Typ ist, der jetzt am Band rotiert bzw. auch die Einrichter, die oft stunden- oder schichtenlang am Industrieroboter rumbasteln. Einschränkend muß jedoch vermerkt werden, daß bei den anderen hier produzierten Teilen die Einsparungsmöglichkeiten (also der Anteil der Arbeit, der aus der Vormontage rückverlagert werden kann) meist geringer sind. Auch die erzielte Produktivitätssteigerung wird durch eine technisch bedingte erhöhte Ausschußrate (bis der Maschinenarbeiter am Band einen Spritzfehler bemerken kann, sind bereits mindestens fünfzehn fehlerhafte Teile gespritzt) zum Teil reduziert.

Zusammengefaßt bedeutet die Installation von Industrieroboter in dieser Abteilung:

  1. »Objektivierung« des Akkords über vollautomatischen Maschinenzyklus;
  2. Qualitätsverbesserungen;
  3. Reduzierung der relativ unproduktiven und konfliktträchtigen Vormontage (die Amortisationszeit beträgt im beschriebenen Optimalfall ca. drei bis vier Jahre);
  4. Da die genannten Maschinen wegen ihrer Größe bisher nur von Männern bedient werden konnten, durch die Verlagerung des Arbeitsplatzes von der Maschine weg ans Band die Option, nun auch Frauen hier einsetzen zu können, deren Stundenlohn ca. zwei Mark unter dem der Männern liegt;
  5. Für die Einrichter eine zum Teil erhebliche Arbeitsverdichtung und personelle Aufstockung.

3. Einzelaggregat zur Handhabung (Bearbeitung) im Bearbeitungsverbund

Im folgenden geht es um den Einsatz eines Industrieroboters zum Abstapeln von Kurbelwellen und von drei Industrierobotern zur Handhabung der Golf-Hinterachse. Anschließend um den gescheiterten Einsatz eines Industrieroboters bei der Unterbodenbeschichtung.

3.1 Abstapeln von Kurbelwellen

Hier handelte es sich um die letzte Station eines Gießbandes, wo drei verschiedene Kurbelwellen mit einem Gewicht von 11,8 bis 14,6 kg abgestapelt wurden. Der Industrieroboter übernahm hier die Arbeit des Abstaplers, der die Wellen von der Rutsche nahm, sie zum Transportbehälter trug und in diesen ablegte. Besonders bei noch leeren Behältern wurde die Wirbelsäule beim Abstapeln in hohem Maß belastet. Dem war auch die relativ hohe Taktzeit von 40 Sekunden geschuldet. Der Industrieroboter erledigte diese Arbeit nun in 20 Sekunden. Darüber wurde dann den beiden vorgelagerten Arbeitspositionen, dem Sichtprüfer und dem Zwischentransporthandhaber, der die Wellen der Sandstrahlmaschine entnimmt und zur Zulaufrinne (Sichtprüfer) transportiert, der Akkord verdoppelt. Nicht genug damit, dem Sichtprüfer wurde außerdem noch die Überwachung des Industrieroboters und die Beseitigung kleinerer Störungen aufgedrückt.

Auch hier also »Objektivierung« des Akkords und rigide Taktbindung über Roboterisierung des bisherigen Schwachpunktes.

3.2 Einlegen der Rohachse in Trommelschweißmaschine

Im Gegensatz zu den komplizierten Einlegevorgängen (Rohachsen und zwei Achsschenkelplatten), die weiterhin manuell ausgeführt wurden, handelte es sich hier um reine relativ einfache Handhabungsfunktion. Durch den Industrieroboter mechanisiert wurde nur die Handhabungsfunktion des vorherigen Maschinenarbeiters, wobei das Spannen der Achse zusätzlich mechanisiert werden mußte. Die Qualitätskontrolle der Schweißnähte wurde zusätzlich einem nachgelagerten Sichtprüfer aufgedrückt, die ebenfalls vorher vom Maschinenarbeiter ausgeführte Maschinenüberwachung und  - wartung (Säubern der Schweißkammer, mehrmalige Wechsel der Scheißdrahtrollen) wurde als zusätzliche Arbeitsaufgabe auf den Einrichter verlagert. Ebenfalls zusätzliche Arbeit für den Elektriker (Wartung und Programmierung des Industrieroboters).

3.3 Handhabung der Achse an Schutzgasschweißmaschine

Hier »ersetzte« der Industrieroboter sogar zwei Mann pro Schicht, wie im vorherigen Beispiel aber auch nur in Einzelfunktionen.

Der erste Mann war zuständig für Einlegen, Spannen, Maschinenüberwachung,  -wartung und  -schaltung. Der zweite für Entspannen, Entnehmen, Zwischentransport, Qualitätskontrolle und Aussondern von Mängelteilen. Der Industrieroboter übernahm Einlegen und Entnehmen. Spannen, Entspannen und Zwischentransport wurden zusätzlich mechanisiert. Wartung, Überwachung und Schalten der Maschine wurden dem Maschinenarbeiter an der vorgelagerten Trommelschweißmaschine aufgedrückt, der dort eine Signallampe erhielt, die Störungen anzeigt. Qualitätskontrolle und Aussondern der Mängelteile wurden auch hier dem Sichtprüfer am Ende der Anlage aufgebrummt. Um die Industrieroboter-Anlage erweitert wurden gleichfalls die Arbeitsbereiche von Einrichter und Elektriker.

Wie im vorherigen Beispiel also auch hier Übernahme einer Teilfunktion durch den Industrieroboter und Verlagerung der anderen Funktionen auf periphere Arbeitsplätze und die (Produktions)Facharbeiter.

3.4 Abstapeln der Fertigachse

Vorher waren hier zwei Sichtprüfer und drei Teilehandhaber postiert. Von den letzten stapelte immer einer die Achsen ab, während die beiden anderen Hütchen und Schutzkappen von einem Gewinde stießen, das Gewinde auf Schweißperlen hin untersuchten und diese gegebenenfalls beseitigten, sowie die Transportbehälter bereitstellten. Nach jedem vollgepackten Behälter rotierten die drei.

Neben dem Industrieroboter zum Abstapeln der Achsen wurde das Hütchenausstoßen mechanisiert und eine Achsenvereinzelungsvorrichtung installiert. Übrig blieben am Bandende nur noch die beiden Sichtprüfer und ein Bereitsteller. Gewindekontrolle und Aussondern für Nacharbeit wurde auch hier auf die Sichtprüfer verlagert, die Gewindenacharbeit auf den Nacharbeiter. Die Überwachung des Industrieroboter auf den Kistenbereitsteller, das Einrichten auf den Elektriker.

Die gemessene Leistungsverdichtung für die Sichtprüfer, Nacharbeiter und Kistenbereitsteller betrug hier bis zu 20 Prozent.

Wie im Fall des Abstapelns von Kurbelwellen handelte es sich auch hier um einen spezifischen Engpaß; um körperliche Schwerstarbeit, für die nur ausgesprochen kräftige Arbeiter herangezogen werden konnten, die sich zudem  - vor allem die älteren -  oft bereits nach vierzehn Tagen krank meldeten.

3.5 Die Pleite bei der Unterbodenbeschichtung

Prozeßtechnisch war diese Arbeitsstation der Grundierung des Karosserieunterbodens nachgelagert. Hier ging es um die Beschichtung schwer zugänglicher Partien des Unterbodens (Radhäuser, Reserveradmulde, Tunnel etc.) mit PVC-Unterbodenschutz, wobei das Bodenblech selbst ausgespart blieb.

In der Gruppe arbeiteten pro Schicht drei Spritzer und zwei Verstreicher. Durch den Einsatz des Industrieroboter mußte die kontinuierliche auf getaktete Förderung umgestellt werden. Die Sollausbringung blieb zwar unverändert, die Taktzeit wurde jedoch um die Förderzeit von ca. acht Sekunden reduziert.

Der Industrieroboter wurde mittenmang in diese Gruppe reingepflanzt, wodurch sie zunächst auseinandergerissen wurde. Außerdem wurde damit neben der Einengung des Bewegungsspielraums auch das traditionelle Gleiten am Band verunmöglicht. Die Programmierarbeit erwies sich als langfristig und schwierig, wiederholte Korrekturen waren erforderlich. Nach einem Jahr wurde dieser Versuch aus »verfahrenstechnischen Gründen« eingestellt. Warum?

Auch hier konnte der Industrieroboter nur die unkomplizierten Spritzarbeiten der beiden ersten Spritzer übernehmen, hinter denen er postiert wurde. Diese hatten dann nur noch die schwer zugänglichen Stellen zu spritzen. Das hatte zur Folge, daß die beiden dank Industrieroboter weniger Arbeit als zuvor hatten, aber noch immer zuviel (möglicherweise war die Gesamtgruppe auch zu clever), um diese einem allein aufzuhalsen, was offensichtliches Ziel des Industrieroboter-Einsatzes war. Denn ansonsten funktionierte es wie üblich: der dem Industrieroboter nachgelagerte dritte Spritzer bekam zusätzlich die alleinige Qualitätsüberwachung (die vorher alle drei für ihren eigenen Arbeitsbereich ausübten) und die Nacharbeit für den Industrieroboter aufgehalst. Auch der Gruppenführer, der vorher ausschließlich Versorgungs- und Organisationsarbeiten ausführte, bekam zusätzlich die Industrieroboter-Anlagenüberwachung und  -wartung, einfache Schaltarbeiten und das Einrichten des Industrieroboter-Werkzeuges aufgedrückt.

Auch hier wird die angepeilte Zielrichtung des Industrieroboter-Einsatzes klar: die Arbeitsverdichtung, rigide Taktbindung und Auseinanderreißen eines Gruppenzusammenhangs.

4. Erstmaliger Großeinsatz von Industrierobotern im Rohbau

1979 wurden im Rohbau des Werks Hannover mit Produktionsbeginn des neuen Transporter-Modells neben den konventionellen Einzweckmechanisierungen (Heftstationen) erstmals zu einem Großeinsatz 63 Industrieroboter und 56 Lineareinheiten (dabei handelt es sich um Mehrzweckmechanisierungen, die zwar aus Roboterbausteinen zusammengesetzt sind, aber  - wie der Name schon sagt -  nur einachsig verfahren werden können) installiert. Auch hier waren mit dem Modellwechsel neben den technologischen arbeitseinsparende konstruktive Veränderungen verbunden, vor allem die Einsparung von CO2-Schweißarbeitsplätzen.

Benz-Overhage, Brunlop, v. Freyberg und Papadimitriou vom Frankfurter Institut für Sozialforschung kamen bei ihrer Untersuchung dieser Umstellung zu recht bekannten Ergebnissen:

  • Arbeitsverdichtung für die Qualitätsprüfer (erhöhter Prüfaufwand bei weitgehend gleichgebliebenem Prüfpersonal).
  • Bei Umrechnung auf die alten Stückzahlen (580 Punktschweißer) wurden an der neuen Anlage ca. 175 Punktschweißer (Lohngruppe 5 a/b) eingespart. Diese wurden durch ca. 125 Einlegearbeiter (Lohngruppe 4 a/b) ersetzt. Was zusätzlich an neuen Automationsfunktionen (Straßenführer) und zusätzlichen Instandhaltern benötigt wurde, geht aus dieser Untersuchung allerdings nicht hervor.
  • Tätigkeit der Einleger war die Entnahme der Teile aus den Materialbehältern, Kontrolle, Einlegen und Verspannen der Teile in den Haltevorrichtungen und Ingangsetzen des automatisierten Bearbeitungsprozesses. Dabei war Genauigkeit beim Positionieren der Teile erforderlich.
  • Analysiert wurden auch hier eine enge Taktbindung und reduzierte Kooperationsmöglichkeiten. Von den Malochern wurde in den Befragungen vor allem die größere Arbeitsverdichtung thematisiert.
  • Mehr als die Hälfte der Malocher betonte die Verschlechterung des Lohn-Leistungsverhältnisses, bemerkenswerterweise vor allem diejenigen, die im Zuge des Industrieroboter-Einsatzes höherqualifizierte Anlerntätigkeiten (Straßenführer) übernommen hatten.

5. Der aktuelle Stand des Industrieroboter-Masseneinsatzes

Das Hauptproblem hierbei ist, daß es  - mal ganz abgesehen von militanter Untersuchung -  dazu keine fundierten Untersuchungen gibt, die in etwa vergeichbar wären mit den SOFI-Untersuchungen Ende der 70er bei VW. Auch bei den Befragungen von linken Betriebsräten stößt man in ein großes schwarzes Loch  -  viel mehr als das bekannte Gerede von Rationalisierung und Massenarbeitslosigkeit kommt dabei nicht heraus. Das heißt, daß wir im folgenden weitgehend auf den »Neuen« von Kern/Schumann rekurrieren müssen  -immerhin ein sehr politisches Buch.

Wir werden also zunächst mal kurz das zusammenfassen, was wir dort zu der Roboterisierung von Rohbau, Lackiererei und Montage gefunden haben. Anschließend einige Daten zur technischen Neuzusammensetzung im Zuge dieser Umstellungen.

5.1 Rohbau

Mittlerweile ist die westdeutsche Automobilindustrie so weit, in einer Agglomeration von bis zu 200 Industrie-Robotern das Punktschweißen weitgehend zu automatisieren. Probleme gibt es dagegen bei den Schweißnähten, die weitgehend noch von Hand gemacht werden (und im übrigen konstruktiv erheblich reduziert wurden).

Insbesondere für die Erstverbindung der Untergruppen, das Heften, werden oft noch die herkömmlichen Vielpunktanlagen vorgezogen. Auch beim Punktschweißen sind diese ab einer Stückzahl von 750 pro Schicht ökonomischer, weil erheblich schneller, als die Industrie-Roboter.

Am Anfang des Rohbaus, dem Heften und Punkten der Untergruppen, sind die Einleger postiert. Darauf folgt der räumlich sehr groß dimensionierte automatisierte Punktschweißbereich mit großen vor- und nachgelagerten sowie zwischengeschalteten Puffern. In der noch arbeitsintensiven Endstufe werden dann zunächst die nicht automatisierbaren Schweißoperationen von Hand ausgeführt: ein paar Prozent der Punktschweißungen und vor allem Nahtverbindungen. Anschließend dann das Anfügen der Montageteile (Türen, Heck- und Frontklappen, Kotflügel) und die Vorbereitung der Karossen für die Lackierung.

5.2 Lackiererei

Roboterisiert sind hier weitgehend die einfachen bis mittleren Lakkierarbeiten, während die Lackierung schwer zugänglicher Stellen nach wie vor von Hand vorgenommen werden. Nach wie vor sehr arbeitsintensiv sind die vor- und nachbereitenden Arbeiten (Waschen, Entfetten, Glätten, Polieren, Ausbessern etc.).

5.3 Montage

Wie wir bereits gesehen haben, ist das nicht nur der arbeitsintensivste, sondern von der technischen Zusammensetzung her auch homogenste Bereich in der Automobilindustrie. Kaum bemerkenswert, daß sich hier seit langem die Automatisierungs- und Neuzusammensetzungsanstrengungen konzentrieren. Wobei aber erhebliche technische Schwierigkeiten bestehen  - begründet vor allem in der hohen Komplexität der Montageoperationen und der Variabilität der Montagematerialien (biegeschlaffe Teile, Wirrteile etc.).

Die von Kern/Schumann zitierte Hauptleitlinie heißt hier: »Die beste Montageoperation ist der Wegfall der Montageoperation.« Deren Umsetzung insbesondere über die Kombination von Verfahrens- und Produktänderungen haben wir bereits zu Anfang beschrieben. Organisatorisch drückt sich das aus in der Hegemonie der Fertigungstechniker über die Entwicklungsabteilungen.

Die zweite Leitlinie heißt »Modulprinzip«: Aus der Endmontage werden möglichst viele Teilarbeiten in die Vormontagen ausgelagert und dort zusammengefaßt (Montage von Großkomponenten). Das heißt politisch Entfrachtung bzw. Zersetzung der Endmontage. Ein Beispiel dafür ist die Komplettmontage der Kadett-Türen bei Opel-Bochum. Vergleichbar dem Prinzip des entkoppelten Fließbands werden hier von Induktionsschleifen gesteuerte Carrier den einzelnen Arbeitsstationen zugeführt. An jeder Station ist Platz für zwei hintereinander postierte Carrier. Sie enthalten eine lackierte Tür und sämtliche dazugehörigen Einzelteile wie Seitenfenster, Dichtgummis, Gestänge, Fensterheber, Griffe, Verkleidung, Schloß etc.. Ein neuer Carrier wird erst dann automatisch zugeführt, wenn der/die Arbeiter/in einen Platz freigibt. Neben der Taktentkopplung heißt das für die Malocher im Gegensatz zur früheren Tätigkeit in der Endmontage Sauberkeit, weniger Lärm, ganzheitlichere Arbeit, günstigere Arbeitshaltung (Höhenverstellbarkeit der Carrier), kurzum erstmal Verbesserung; hier ist auch ein Einsatzfeld für die Opel-Invaliden. Fürs Kapital bedeutet dieses System die Möglichkeit zur Restrukturierung und Neuzusammensetzung der Montagetätigkeiten in überschaubaren Einheiten und gerade über die Taktentkopplung im Gegensatz zum konventionellen Fließband tendenziell eine Individualisierung des Akkords, zumindest aber eine genaue Erfassung der Leistungsschwankungen, der potentiellen Produktivität und der unproduktiven Pausen (Paisy). Gekoppelt wird die Reorganisation der Montagetätigkeiten mit neuen Ansätzen zur Einführung der Eigenkontrolle und den berühmten Qualitätszirkeln, das heißt dem Versuch der Ausbeutung der bislang brachliegenden Wissens- und Kreativitätsreserven der Massenarbeiter. Psychologen werden eingesetzt, über Filme soll die Eigenbeobachtung effektiviert werden usw.

Technisch am weitestgehenden automatisierbar hat sich bisher die Aggregatmontage (Motor, Getriebe, Achsen etc.) mit ihren meist starren und relativ gut zu handhabenden Teilen erwiesen.

Robotereinsätze in der Endmontage gibt es unseres Wissens bisher nur bei VW/Audi. Die Endmontage des neuen Golf (Anlauf Sommer ╚83), für die sogar eine einjährige Verzögerung des Modellwechsels riskiert wurde, beginnt mit vier parallel geschalteten Montagebändern. Danach folgt das Mechanisierungszentrum mit vor- und nachgelagerten sowie zwischengeschalteten Puffern. Dies besteht aus zwei Montage- und zwei Anbaustraßen. Mit diesen direkt verkettet sind zehn Nebenstraßen im Untergeschoß, auf denen Untergruppen teils in flexibler, teils in starrer Automation montiert werden. Die Montage auf den je zwei Montage- und Anbaustraßen erfolgt zwar mit flexibler Automationstechnik und unter Verwendung von Roboterelementen, insgesamt kommen hier jedoch nur drei Industrie-Roboter zum Einsatz  -  einer zum Batterie- und einer zum Reserverad-Einlegen, also sehr simplen Operationen. Nach dem Mechanisierungszentrum kommen dann wieder konventionelle Straßen. Das heißt, die bereits durch die Verlagerung in die Vormontagen dezimierte Endmontage wird hier durch das zwischengelagerte Mechanisierungszentrum mit seinen diversen Puffern nochmals zerrissen.

5.4 Einige Daten zur technischen Neuzusammensetzung

Aus Mangel an umfassenden Daten über die seit Ende der 70er veränderte technische Zusammensetzung müssen wir uns hier auf den in den zentralen Abteilungen der Automobilindustrie erreichten Automationsgrad beschränken. Automationsgrad meint den Anteil der mechanisierten bzw. automatisierten Funktionen an der Gesamtzahl der Funktionen eines Systems. Die folgenden Angaben, die wir von Kern/Schumann übernommen haben, beziehen sich jeweils auf das avancierteste technische Niveau und nicht etwa den westdeutschen Durchschnitt. Stand ist 1983.

  • Unerreicht ist nach wie vor die mechanische Fertigung mit einem Automationsgrad von 75 Prozent (Vergleichszahl 1966: 40 Prozent).
  • Sehr unterschiedlich ist danach heute wie früher das technische Niveau im Rohbau. Zahlen für 1966: 10-60 Prozent (!), für 1983: 40-70 Prozent.
  • Etwa gleichauf das Preßwerk mit 60 Prozent (1966: 30 Prozent).
  • Relativ hoch inzwischen auch die Lackiererei mit 40 Prozent (1966:10 Prozent).
  • Gefolgt von der Aggregatmontage mit 25 Prozent (1966: 5 Prozent).
  • Und der Golf-Endmontage mit 10 Prozent (VW kalkuliert hier für 1990 mit 20 Prozent).

In einem nicht namentlich genannten Konzern untersuchten Kern/Schumann 1983 drei Rohbaustraßen. Zwei waren starr automatisiert, die dritte flexibel mit Carriersystem. Die beiden Fälle der starren Automation zeigen jedoch, daß auch dort die technische Zusammensetzung je nach Fertigungsprogramm und Auslegung der Anlagen relativ unterschiedlich ist. Der Anteil der repetitiven Teilarbeiter betrug a) 31 Prozent, b) 58 Prozent, der Anteil der »produktionsbegleitenden« Arbeiter a) 54 Prozent, b) 33 Prozent und der Anteil der fest stationierten Instandhalter a) 15 Prozent, b) 8 Prozent. Bei der flexiblen Automation des Typs b) betrug der Anteil der repetitiven Teilarbeiter nur noch 20 Prozent, der »produktionsbegleitenden« Arbeiter 53 Prozent und der Instandhaltung 27 Prozent.

Zuletzt noch die sehr interessanten Angaben zur Zusammensetzung der Besatzung im beschriebenen Mechanisierungszentrum der Golf-Endmontage: Instandhaltung 130 (=47,3 Prozent), Straßenführer 85 (=30,9 Prozent), Einleger 60 (=21,8 Prozent).

Es stellt sich zum Abschluß natürlich die Frage, wie diese Tendenzen einzuschätzen sind und wo hier die möglichen Bruchstellen für den kapitalistischen Plan liegen könnten. Wobei natürlich klar zu trennen ist zwischen punktuellen Einsätzen von Industrie-Roboter-Aggregaten und den neuen Mechanisierungszentren. Da bei der Beschreibung der ausgewählten Einzeleinsätze die grundsätzlichen Veränderungen bereits genannt wurden, beschränken wir uns im folgenden auf die letzteren.

Klar geworden ist an der Beschreibung der Mechanisierungszentren von Rohbau und Golf-Endmontage wie diese, vor allem im Zusammenhang mit der Ausverlagerung und Neuzusammensetzung von Teiloperationen in vorgelagerte Bereiche, die ehedem hier versammelten Arbeiterkonzentrationen dezimieren, auseinanderreißen und einkreisen. Daß die Reaktion darauf erst mal Defensivität und auch Wohlverhalten war, davon gehen wir hier angesichts der in gewerkschaftlichen wie linken Kreisen verbreiteten Einschätzungen von Krise und Roboterisierung aus. Wie sich das inzwischen vor allem im Zusammenhang mit den seit dem Streik laufenden massiven Neueinstellungen relativiert hat, wäre  -  wie vieles andere auch  -Aufgabe militanter Untersuchung.

Auffallend ist zunächst der über die Roboterisierung von Bearbeitungsfunktionen (Punkt- und Bahnschweißen, Lackieren) laufende Angriff auf die höheren Lohngruppen der qualifiziert Angelernten. Das heißt qualifikatorische wie lohnbezogene Nivellierung der breiten Massenarbeiterschichten und faktisch eine immense Aufwertung der verbliebenen, in ihren Funktionen nicht roboterisierbaren Schweißer und Lackierer. In jeder Hinsicht eine sehr zweischneidige Geschichte fürs Kapital.

Den umgekehrten Prozeß finden wir in der Montage. Die qualifikatorisch anspruchsvolleren Arbeiten bleiben hier nur insoweit auf der Strecke, als sie über Produkt-/Verfahrensänderungen überflüssig gemacht werden können (z.B. Dachhimmelmontage bei Audi). Mechanisierbar erweisen sich dagegen hier nur die realtiv simplen Operationen. Von daher finden wir vor allem hier die HdA-Programme, wie job-enrichment und job-enlargement (z.B. Türenmontage des Kadett), Qualitätszirkel (die nebenbei bemerkt laut Opel-Betriebsrat in Japan inzwischen weitgehend aufgegeben worden sein sollen) oder auch die (zumindest angestrebte) Mechanisierung der extrem belastenden Montagetätigkeiten (z.B. das Handhaben hoher Schichtgewichte wie bspw. bei der Rädermontage oder auch die Über-Kopf-Montage).

Und damit kommen wir zu den Mechanisierungszentren. Was bereits beim Einsatz von Industrie-Roboter-Einzelaggregaten deutlich wurde, eine zum Teil totale Neustrukturierung der repetitiven Teilarbeiten, Ausweitung der Produktionsfacharbeiter und Instandhalter, finden wir hier im Extrem. Der Anteil der repetitiven Teilarbeiter, das heißt in diesen Fällen konkret der alten Massenarbeiterfraktion, an der Gesamtzusammensetzung wird hier durchweg auf 20 Prozent und darunter gedrückt  -  und damit zum Teil unter das Niveau der mechanischen Fertigung. Allerdings mit einigen erheblichen Unterschieden zu dieser traditionell hochmechanisierten Abteilung, und zwar alle Fraktionen betreffend.

Zunächst zur ersten neuen Mechanisierungsfunktion, den Einlegern. Sie bilden quasi die Pariaschicht der Mechanisierung: einer rigiden Taktbindung und keinerlei qualifikatorischen Anforderungen unterworfen. Kern/Schumann: »Verglichen selbst mit den einfachen Montagearbeitern bedeutet diese Position Verschlechterung.« Daß hierfür nur minimale Anlernzeit nötig ist, macht sie auch absolut austauschbar.

Die zweite Gruppe der »produktionsbegleitenden« Arbeiter, die in den anderen Abteilungen reichlich inhomogen ist, reduziert sich in den Mechanisierungszentren weitgehend auf die Straßenführer plus Qualitätskontrolleure.

Überdurchschnittlich hoch ist hier vor allem die dritte Gruppe der Instandhalter, die bei der Golf-Endmontage fast 50 Prozent ausmacht.

Zusammengefaßt macht das die Mechanisierungszentren zu quasi Facharbeiterabteilungen neuen Zuschnitts, in der sich die Instandhalter im fließenden Übergang zu Produktionsfacharbeitern befinden. Die dominante Figur bilden jedoch die Straßenführer, funktionell am ehesten vergleichbar mit dem Einrichtertypus. Ein williges und offenes Potential für diese Jobs wurde in der Vergangenheit geschaffen durch weiterhin relativ hohe Ausbildungsquoten bei relativ niedrigem Ersatzbedarf der Facharbeiterabteilungen im Kontext der weitgehenden Reduzierung der metallspezifischen Berufsausbildung auf Mechaniker und Kfz-Schlosser; wobei der Kfz-Schlosser als Facharbeiter in der Montagelinie verstanden wird und der Mechaniker als Facharbeiter in der automatisierten Produktion. Daneben auch die Ausdehnung des Rekrutierungsfeldes für Massenarbeiterpositionen auf junge deutsche Arbeitskräfte mit Metallfacharbeiterausbildung. Kern/Schumann nennen sie von daher die »Kerntruppe der Mechanisierung«.

Ähnlich der zum Teil vergleichbaren Einrichtertätigkeit ist die des Straßenführers eine sehr ambivalente und zugleich auch für Produktion wie Qualität zentrale: »Der Betrieb ist in außergewöhnlichem Umfang auf Motivation und Leistungsbereitschaft der Straßenführer angewiesen« (Kern/Schumann). Sehr ambivalent von daher, weil diese Arbeit zunächst durchaus herausfordernd ist, massig Handlungschancen bietet und in der Regel auch erst mal eine Verbesserung darstellt. Andererseits zeichnet sie sich aber auch durch sehr hohe Streßbelastungen und einen hohen Verdichtungsgrad aus. Daran und vor allem an der Lohn-Leistungs-Relation hat sich wohl auch hier sehr bald ziemliche Kritik festgemacht. Hinzu kommt, daß objektive Zusammensetzung wie persönlicher Hintergrund hier möglicherweise etwas anders geartet sind als bei den alten Einrichterscenes, die weitgehend entweder aus über viel Buckeln aufgestiegenen Facharbeitern zusammengesetzt sind und vor allem Jobs waren, wo Mann sich auf dem Rücken der Massenarbeiter einen guten Lenz machen konnte. Letzteres ist auf jeden Fall heute nicht mehr so eindeutig und macht diese Position damit auch fürs Kapital sehr ambivalent. Die Frage scheint nur, nach welcher Richtung sich diese Ambivalenz hin auflöst.


 
 
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