Wildcat Nr. 87, Sommer 2010 [Interviews mit LeiharbeiterInnen]



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Thema Leiharbeit in Wildcat 87:

Leiharbeit ist Scheiße
Strategischer Einsatz der Leiharbeit

Eine Saison in der Berliner Süßwarenindustrie

Interviews mit LeiharbeiterInnen



Interview mit B., 59 Jahre alt, seit 2007 mit Unterbrechungen bei verschiedenen kleinen Leiharbeitsfirmen beschäftigt.

Warum arbeitest du als Leiharbeiter?

Als Industrielackierer findest du nur Arbeit über Leiharbeitsfirmen. Nur Autolackiereien stellen noch direkt ein. Das kann und will ich nicht mehr machen in meinen Alter, die Angebote vom Arbeitsamt habe ich abgelehnt. Zur Zeit bin ich gerade mal wieder arbeitslos. Habe aber die letzten drei Jahre, seit Sommer 2007 bei verschiedenen Leiharbeitsfirmen gearbeitet.

Was ist deine Qualifikation?

Ich habe nichts gelernt, aber fast 30 Jahre in einer Maschinenbaufirma als Industrielackierer gearbeitet. Da habe ich mich richtig gut eingearbeitet.

Warum bist du da weg?

Die wollten uns damals Weihnachts- und Urlaubsgeld streichen, die Arbeitszeit verlängern und den Urlaub kürzen. Das habe ich mit anderen Kollegen nicht mitgemacht. Da reisst man sich fast 30 Jahre den Arsch auf, macht Überstunden und arbeitet auch am Wochenende, und dann wird man von den Hanswürsten wie ein Stück Dreck behandelt. Meine Frau hat damals gesagt, wenn du dir das gefallen läßt, schmeiße ich dich raus. Ich hatte aber auch keine Lust mehr, da zu arbeiten. Deshalb bin ich dann mit einer für mich ordentlichen Abfindung (über Arbeitsgericht erstritten) gegangen.

Dann hast du mit Leiharbeit angefangen?

Wollte ich ursprünglich nicht, bin da mehr oder weniger reingestolpert. Ich war noch keine drei Wochen arbeitslos, da hatte ich einen Job als Industrielackierer in einer großen Motorenfabrik hier in der Nähe. Die hatten ihre Lackiererei an eine andere Firma ausgelagert und sie vorher noch modernisiert, richtig mit guten Spritzkabinen und Absaugungen, Computer gesteuert. Das Arbeiten da war ganz gut. Nicht so ein Dreck wie bei der Maschinenbaufirma.

Die Firma, die die Lackierei übernommen hat, hatte fast keine eigenen Beschäftigten, sondern eine eigene Leiharbeitsfirma. Von der hat sie sich die Arbeiter an sich selbst ausgeliehen. Dafür haben sie für mich noch ein halbes Jahr Geld vom Staat bekommen, weil ich angeblich altersbedingt schwer vermittelbar war – obwohl ich noch nicht mal einen Monat arbeitslos war!

Was ist mit den Leuten passiert, die vor der Auslagerung in der Lackiererei gearbeitet haben?

Die wurden in die Motorenmontage versetzt.

Hattet ihr mit denen Kontakt?

Ja, die lackierten Teile gingen direkt über ein Zwischenlager in die Montage. Die Leute waren über die Versetzung sauer. Ihnen wurde zwar nicht direkt der Lohn gekürzt, aber durch den Wegfall von Zulagen hatten sie schon einen erheblichen Lohnverlust. Die haben dann voll gegen uns gearbeitet, permanent gab es Reklamationen über angeblich schlechte Lackierergebnisse. Die wollten die Lackierer schlecht machen und hofften, dass die Lackierei wieder zurück geholt wird. Das ist aber nicht passiert.

Wie ging das weiter?

Anfangs lief alles ganz gut, auch vom Verdienst her. Der Grundlohn lag zwar nur bei 7,65 Euro, aber mit Zulagen kam ich auf etwas mehr als 12 Euro. Das war ganz okay. Ich dachte ja auch, dass ich nach einen halben Jahr dann fest in der Leiharbeitsfirma eingestellt werde. Das war aber nicht so. Vor Weihnachten 2007 hieß es auf einmal, über den Jahreswechsel würde immer wenig zu tun sein, und dann haben sie mich entlassen, kurz bevor ich die sechs Monate Probezeit voll hatte und fest eingestellt werden sollte. Wenn es nach dem Jahreswechsel wieder aufwärts geht, würden sie mich anrufen und mich weiterbeschäftigen. Sie haben mich noch gelobt, dass ich gute Arbeitsergebnisse bringen würde - und ich hab wirklich gedacht, das läuft so.

Im Nachhinein habe ich erkannt, dass sie mit der Kündigung mein Weihnachtsgeld eingespart haben. Und im Frühjahr 2008 blieb der erhoffte Anruf auch aus. Da ist mir auch erst deutlich geworden, warum von meinen Arbeitskollegen kaum jemand länger als sechs Monate beschäftigt war und die Fluktuation so hoch war.

Was hast du danach gemacht?

Danach hatte ich nur noch kurzzeitige Beschäftigungen über Leiharbeitsfirmen. Die kriegen meine Telefonnummer vom Arbeitsamt, sie hätten eine Beschäftigung für eine bestimmte Zeit. Bestimmte Sachen konnte ich auch ablehnen, wie z.B. als Bauhelfer zu arbeiten, ohne dass ich Ärger mit dem Arbeitsamt bekommen habe. Anfangs gingen die Jobs zumindest einige Wochen, drei Monate habe ich mal in einem Busreperaturbetrieb lackiert. Sonst hab ich auch mal ein paar Wochen im Lager gearbeitet. Nach Ende einer Arbeit bin ich gleich wieder arbeitslos.

Wie läuft es mit dem Arbeitsamt?

Bisher gab es keine Probleme. Im Gegenteil, meine Sachbearbeiterin hilft mir, dass ich nichts falsch mache. Ich glaube, die findet es eine Schweinerei, was sie in der Maschinenbaufirma mit mir gemacht haben. Nur jetzt, wo ich seit über drei Monaten durchgängig arbeitslos bin, nervt das Amt mit Maßnahmen. Zur Zeit mache ich gerade mal wieder ein Bewerbungstraining. Auffrischen nennen sie das.

Was verdienst du?

Der Grundlohn bei den verschiedenen Leiharbeitsfirmen lag immer zwischen 7 und 8 Euro. Dazu kamen unterschiedlich Zulagen. Jobs unter 7 Euro lehne ich grundsätzlich ab. Habe auch dafür noch keine Sperre bekommen. Ich zehre noch von der Höhe des Arbeitslosengeldes, dass ich durch die Arbeit bei der Maschinenbaufirma bekomme. Durch die Unterbrechungen über die Leiharbeit verlängert sich der Zeitraum. Dass läuft jetzt irgendwann aus, und dann wirds eng.

Kommst du mit dem Geld aus?

Meine Frau hat einen sehr gut bezahlten Job. Insgesamt kommen wir zusammen mit unseren Geld über die Runden. Ich mache dann halt Hausmann. Dann habe ich ja auch noch zu großen Teilen die Abfindung.

Was ist deine Perspektive?

Dass ich noch mal einen festen Job in meinen Alter bekomme, sehe ich nicht. Wenn sich was ergibt, mache ich mit der Leiharbeit weiter. Ich kann mit 63 in Rente gehen, zwar mit Abschlägen, aber das will ich machen. Die vier Jahre bis dahin kriege ich auch noch hin. Ich bin bisher noch nicht in Lage, dass ich buckeln muss.

Wie wird die Leiharbeit bei deinen Kollegen diskutiert, vor dem Hintergrund der Krise?

Welche Kollegen? Bei der ersten Leiharbeitsfirma wechselten die Kollegen oft. Und seitdem bin ich mehr oder weniger Einzelkämpfer. Die kurzen Zeitspannen, wo ich gearbeitet habe, reichten nicht zum Kennenlernen und Diskutieren. Insgesamt glaube ich, dass die Leiharbeit weiter ausgebaut wird – gerade wegen der Krise. Das ist doch ideal für die Firmen. Die Leiharbeiter werden zunehmend als Feuerwehr, bei Engpässen in den Betrieben eingesetzt. So wie bei mir seit über einen Jahr.




Interview mit A., der seit Jahren über einen Verleiher bei einen großen Flugzeugbauer in Hamburg mit ca. 12 000 Leuten (Stammwerker und Leiharbeiter). Er hat zwischendurch in Toulouse gearbeitet, wo Nacharbeiten an den in Hamburg gebauten Komponenten gemacht werden. Er ist seit einem halben Jahr wieder in Hamburg.

Warum arbeitest du bei einer Leiharbeitsfirma?

Weil die Firma, in der ich arbeite, zur Zeit keine Festeinstellungen vornimmt. Liebend gern würde ich einen Festvertrag da annehmen. Ich arbeite das erste Mal in einer Leiharbeitsfirma.

Wo wirst du eingesetzt?

Ich bin im Flugzeugbau als Prüfer für elektrische Komponenten und Leitungen eingesetzt.

Was für ein Qualifikation hast du?

Gelernt habe ich Informationselektroniker. Habe mehrere Jahre als Anlagenelektroniker im Maschinenbau gearbeitet. Dazu kommen die Zusatzqualifizierungsmassnahmen für den Flugzeugbau, die vom Bundesluftfahrtsamt gefördert werden. Die Qualifikationen gelten aber nur für den jeweiligen Hersteller und nützen woanders nicht viel.

Es gibt das Gerücht, dass Leute, die bei Airbus gearbeitet haben, hier in der Gegend trotz Arbeitsplatzmangel immer noch recht gut einen Job finden.

Vielleicht weil man signalisiert hat, dass man bereit ist sich Zusatzqualifikationen anzueignen, also lernfähig ist. Über die Qualifizierungsmassnahmen hat ja auch eine Auslese stattgefunden.

Kennst du denn Leute, die von Airbus weggegangen sind?

Nö, von sich aus ist noch keiner gegangen.

Wie lange bist du im Betrieb?

Ich arbeite seit Mai 2006 bei Airbus. Die Leute sind alle langfristig da, es gibt Leiharbeiter, die haben schon 15jähriges Betriebsjubiläum und bekommen vom Betriebsrat einen Blumenstrauß. Bei der letzten »Entlassungswelle« waren Leute dabei, die schon 11 Jahre bei Airbus waren.

Was verdienst du?

Ich bekomme einen Stundenlohn zwischen 18 und 19 Euro. Genau kann ich das nicht sagen. Da sind 48 Prozent Leistungszulage enthalten. Die kann individuell auf 28 Prozent gekürzt werden, wenn wir unsere Zeiten nicht einhalten. Es gibt Equal Pay was den Grundlohn, die Zuschläge und die Wochenendzuschläge betrifft. Weihnachts- und Urlaubsgeld bekommen wir auch entsprechend. Meine Leiharbeitsfirma gibt das Geld von Airbus an uns weiter mit einem Schreiben, dass die Leistung freiwillig ist. So erhält man aber keinen Rechtsanspruch darauf.

Wie sind die Arbeitszeiten?

Ich arbeite in Früh- und Spätschicht. Überstunden werden nur »freiwillig« gemacht. Aber da wird schon geguckt, wer Überstunden macht und wer nicht. Wir Leiharbeiter machen mehr Überstunden als die Stammwerker.

Wie ist das Verhältnis zwischen Leiharbeitern und Festangestellten im Betrieb?

Bis auf Kleinigkeiten gut. Einzelne lassen den Max raushängen, wenn sie einen Leiharbeiter vor sich haben. Das wird aber auch von den Vorgesetzten nicht geduldet, die achten auf ein vernünftiges Verhältnis zueinander.

Die Zahlenverhältnissen haben sich durch die letzten Abmeldungen drastisch verändert. Es waren bei uns in der Halle mal 160 Leiharbeiter, wenn davon noch 20 übrig sind, ist das viel.Vor der Krise waren es mal 262 bei über 400 Beschäftigten.

In Toulouse hatten wir einen Leiharbeiteranteil von 68 Prozent. Das hat mal richtig Ärger auf einer Versammlung gegeben, der Betriebsrat hat eine Absenkung dieses Anteils gefordert. Das wurde aber nicht dadurch gelöst, dass uns Festverträge gegeben wurde, sondern die Leiharbeiter wurden abgemeldet bzw. nach Hamburg zurückgeschickt.

Was passiert mit den Leuten, die von Airbus abgemeldet werden?

In meiner Leiharbeitsfirma sind die Leute gekündigt worden, weil die Leiharbeitsfirma auch keine Arbeit mehr für sie hatte.

Was machen die Leute heute?

Das weiß ich nicht. Da habe ich keinen Kontakt. Unser Kontakt untereinander läuft nur über die Arbeit bei Airbus.

Hast du mal erlebt, dass überhaupt Leute fest eingestellt wurden?

In vier Jahren sind zwei Leuten Festverträge angeboten worden.

Haben sich durch die Abmeldung der Leiharbeiter die Arbeitsbedingungen für euch und die Festbeschäftigten geändert?

Aus einer anderen Halle habe ich gehört, dass da fast alle Leiharbeiter abgebaut wurden und sie kaum noch mit der Produktion nachkommen. Es werden gerade ausgelernte Lehrlinge eingesetzt anstatt die erfahrenen Arbeiter weiter zu beschäftigen. Du musst die Leute aufwändig anlernen und müssen tricksen, um die Zeit dafür wieder reinzukriegen.

Haben sich die Arbeitsbedingungen generell verschärft?

Momentan ist die Produktion bei uns etwas runtergefahren. Deswegen gibt es wenig Überstunden trotz des Personalabbaus. Zum Teil wird aber am Wochenende gearbeitet. Aber ab Mitte des Jahres wird das wieder anziehen, wenn die ganzen Teile, die ganzen Bauteile, die Sektionen kommen – dann werden wir definitiv zu wenig Leute sein.

Wir haben jetzt bei uns in der Gruppe vier Mitarbeiter aus einer anderen Gruppe für drei Monate ausgeliehen gekriegt – die müssen wir jetzt einweisen.

Was ist deine Perspektive? Willst du da bleiben? Hast du Aussicht auf einen anderen Job?

Wenn ich die Möglichkeit hätte, irgendwo eine Festeinstellung als Stammarbeiter zu bekommen, würde ich das tun, auch wenn ich weniger Geld bekommen würde. Aber wenn ich so den Arbeitsmarkt sehe, dann ist da zur Zeit nichts für mich dabei.

Warum würdest du das machen? So schlecht sind doch Lohn und Arbeitsbedingungen bei Airbus nicht?

Um aus dieser unsicheren Zwischeninstanz Leiharbeit rauszukommen. Bei uns gibt es permanent Probleme mit völlig undurchsichtigen Lohnabrechnungen. Immer wieder gibt es Korrekturabrechnungen, dass ich meine Bezahlung nicht richtig nachvollziehen kann.

Wie sehen das deine Leiharbeitskollegen?

Die hoffen immer noch auf einen Festvertrag. Die Hoffnung habe ich ja auch noch. Die Wahrscheinlichkeit ist aber gering.

Wird bei euch im Betrieb über die Arbeitsbedingungen und speziell die Leiharbeit diskutiert?

Ja sicher. Aber es ist ja so, dass ein Leiharbeiter den Mund nicht so weit aufmacht wie ein Stammarbeiter.

Setzen sich den Stammarbeiter für euch ein?

Das gibt es schon, dass die bei den Vorgesetzten unsere Probleme vortragen.

Gab es größere Auseinandersetzungen?

Bei der Ausbildung z.B: haben die sich dafür eingesetzt, dass die Leiharbeiter die selber Weiterbildungskurse bekommen wie die Festeingestellten. Neben der Qualifizierungsmassnahmen am Anfang gibt es eine ganze Menge zusätzliche Maßnahmen. In unserer Gruppe haben alle diese zusätzlichen Kurse auch gekriegt.

Hat sich die Krise bei euch in den Diskussionen, bei der Stimmung bemerkbar gemacht?

Die Stimmung ist gedrückt. Wir sind froh, dass im Augenblick so wenig Teile da sind. Wenn das wieder anzieht, dann wird es drunter und drüber gehen – das werden wir nicht mehr schaffen.

Neueinstellungen, auch von Leiharbeitern, wird es nicht geben?

Ich glaub kaum. Ich glaube, dass wird so sein, dass die Leute zu Hause abrufbereit sitzen und verfügbar sind wenn es brennt.

Wenn du von Airbus abgemeldet wirst, was würdest du denn dann bekommen, wenn dich die Leiharbeitsfirma nicht entlässt?

Equal-Pay würde ich dann nicht mehr kriegen, sondern den Leiharbeitertarif von 9 Euro nochwas. ■




C. war als Krankenpfleger bei einer Verleihfirma in Freiburg.

Wie bist du zur Zeitarbeit gekommen?

Ich hatte nach der Ausbildung einen auf ein Jahr befristeten Vertrag an der Uniklinik. Der wurde nicht verlängert, ich nehme an, auch weil ich nicht immer der Motivierteste war, hin und wieder blau gemacht hab. Ein Jahr arbeitslos zu sein war mir ganz recht: andere Sachen machen, mit ALG I relativ viel Geld haben. Ich dachte mir, dass ich das nicht oft werde machen können, deswegen war es mir letztlich auch recht, »draußen« zu sein.

Das Arbeitsamt hat Dich in Ruhe gelassen?

Im Durchschnitt hatte ich einmal im Monat Kontakt, mal um mich zu melden, mal bekam ich Vermittlungsangebote. Einmal eben auch bei Gramm-Agil, einer Zeitarbeitsfirma, bei der ich mich dann mit einer »Negativbewerbung« beworben habe: ich sei bei ver.di aktiv, wolle auch nur Teilzeit arbeiten… Die hat das prompt beim Arbeitsamt gemeldet, ich bin knapp an einer Sperre vorbei gerutscht.

Und wie bist du dann doch bei der Zeitarbeitsfirma gelandet?

Nach dem Jahr wollte ich über den zweiten Bildungsweg das Abi nachmachen, später bekam ich auch ein Stipendium der Böckler-Stiftung. Dann war mir das ganze Organisieren mit Schule, eventuellem Bafög, Kindergeld usw. zu stressig. Deswegen hab ich nach einem Job gesucht, den ich flexibel zur Schule planen konnte – und da schien es mir bequem und nahe liegend, nochmal bei der schon erwähnten Zeitarbeitsfirma vorstellig zu werden.

Deinen Ver.di-Aktivismus und dass Du nicht viel arbeiten willst, hatten sie inzwischen vergessen?

Die Einstellung war kein Problem. Ich hab ja nur einen Teilzeitvertrag gewollt, wegen der Schule. Aber für sie war attraktiv, dass ich an den Wochenenden arbeiten konnte und wollte. Ein Vertrag über 25 Prozent, das waren vier bis fünf Schichten. Nach dem Tarifvertrag des Christlichen Gewerkschaftsbundes hatte ich nach Eingruppierung 9,08 brutto, plus Zuschläge für Sonntags- und Nachtdienste, das waren etwa 350 Euro netto.

Zum Vergleich: als Berufsanfänger kriegst du nach Haustarif Uniklinik 13 Euro brutto, kannst nach 15 Jahren in der höchsten Stufe ankommen, und bist da ungefähr bei 17,50 Euro brutto. Wie hast du denn die Situation bei der Leiharbeitsfirma eingeschätzt?

Ich hab im September 2008 angefangen, und da hatten die eher zu wenig Leute. Das hat die Chefin auch offen gesagt, dass sie mehr Leute anstellen könnten: Fachkräfte, die die Löcher in den Einrichtungen stopfen, aber auch KrankenpflegehelferInnen, AltenpflegerInnen und ungelernte Leute – meistens für die Altenheime. Auch in die ambulante Pflege wurden Leute vermittelt.

Ich habe überwiegend in Altenheimen gearbeitet. Zunächst in einem Altenheim mit ganz guten Bedingungen, wir hatten einigermaßen Zeit für die Leute. Arbeitskräfte aus der Zeitarbeitsfirma waren da die Ausnahme. Eben bei Krankheitsausfällen, bei mir ging es um einen längerfristigen Ausfall. Die wollten mich auch übernehmen. Aber das ging nicht. Im Vertrag zwischen Zeitarbeitsfirma und Entleiher war eine Ablöse bzw. Vertragsstrafen vorgesehen. Und eine dreimonatige Sperre zwischen Beschäftigungsende bei der Leiharbeitsfirma und Beschäftigungsbeginn beim selben Betrieb.

Dann bin ich bei der PS Residenz gelandet. PS ist eine private bundesweite Kette mit inzwischen über 100 Einrichtungen, 17000 Betten und an die 10000 MitarbeiterInnen – so deren eigene Angaben. Das Ganze kann man nur als »Lagerhaltung« bezeichnen, fürchterlich. Der Laden hat um die 100 Betten, ich hab da auch Nachtdienste gemacht. Dann waren wir zu zweit – ich als ausgebildete Kraft und eine Ungelernte oder Helferin. Rein rechtlich muss nachts eine ausgebildete Kraft da sein.

Nachts haben wir dann zwei Durchgänge bei den Pflegefällen gemacht – was meistens im Schnelldurchgang Trockenlegen und Windelwechsel bedeutet. Oft nicht mal das, wenn das Kontingent durch war, durften wir eigentlich kein Material mehr verwenden: es gab Anweisungen, wie viele Windeln pro Person und Nacht verbraucht werden sollten. Die Frühdienste sollten eigentlich zu dritt gemacht werden, aber nicht selten waren nur zwei da. Deswegen konnte vielen der Leute erst gegen Mittag aus dem Bett geholfen werden – und die ersten mussten nachmittags schon wieder hingelegt werden. Außerdem gab es noch eine geschlossene Station für Demenz-Kranke. Und die Küche - das Essen war auch das Letzte.

Es gab Beschwerden von Angehörigen. Es kam schon mal vor, dass Angehörige ihre Leute aus dem Heim rausgenommen haben. Im Ranking der Heime ist PS in Südbaden ganz unten.

Wie alt waren denn die Kolleginnen dort? Und wie war der Kontakt zu den »Festen«?

Da arbeiten überwiegend junge Leute, mehr als die ist Mitte 20 bis 30. Ältere Leute sind eher die Ausnahme. Die Alterszusammensetzung war bei der Leiharbeitsfirma ungefähr dieselbe. Die Kontakte zu den »Festen« waren immer gut. Oft die üblichen Gespräche, dass Festanstellung besser wäre als Leiharbeit. Anerkennung, wenn du gleich zurecht gekommen bist. Letztlich waren die auch einfach froh, wenn einer »von uns« da war.

Was haben die Leute für eine Perspektive in den Altenheimen? Was hast du von den Löhnen da mitbekommen?

Die Perspektive ist meist ein anderes Altenheim, wo es nicht ganz so schlimm ist. Eine Altenpflegerin in Vollzeit hatte so 1100 / 1200 Euro. Was die anderen bekamen, auch in der Küche, weiß ich nicht. Die Kollegin ohne Ausbildung von derselben Leiharbeitsfirma hat sieben Euro bekommen.

Warum geht denn heute eine KrankenpflegerIn zur Leiharbeitsfirma? Zumindest hier im Süden gibt es reichlich offene Stellen?

Meist waren es eben keine KrankenpflegerInnen. Ich glaube, ich war sogar der einzige. Sondern in der Regel Leute ohne Ausbildung und AltenpflegerInnen. Und warum die bei einer Leiharbeitsfirma arbeiteten? Ist ein bisschen schwer zu beschreiben, ohne dass es blöd klingt. Aber ich hatte oft den Eindruck, dass es Leute waren, die mit Ach und Krach durch das Examen gekommen waren, schlechte Noten hatten. Prols aus unteren Schichten, oder so. Total nett, aber ich konnte mir bei vielen schon vorstellen, dass sie nicht freiwillig wie ich bei einer Leiharbeitsfirma gelandet waren.

Aber eben auch sehr unterschiedliche Leute, vor allem unter denen, die keine Berufsausbildung hatten: abgebrochene Studenten, abgebrochene Ausbildungen, Jobber…

Gab es bei »Deiner« Zeitarbeitsfirma mal Stress, wegen der Arbeit, dem Lohn…? Hat sich die Situation dort während der Krise verändert?

Ich hatte hin und wieder Stress, weil ich mich krank gemeldet hatte. Und das war bei den wenigen Schichten, die ich gemacht habe, und dann noch am Wochenende, für Verleiher und Entleiher ein Problem. Im Prinzip war der Verleiher aber zufrieden. Die Arbeitstage wurden im Monat vorher festgelegt, oft erst kurzfristig, wo der Einsatz war. Wer viel gearbeitet und wenig Dienste abgesagt hatte, bekam auch eine Prämie, ich allerdings nicht.

Der Laden hat während meiner Zeit, also 2008/09, expandiert: zum einen wurden mehr LeiharbeiterInnen angestellt und vermittelt, aber es gab auch mehr Büropersonal.

Du bist nicht mehr bei der Firma, wie kam das?

Am Ende hatte ich einen Prozess wegen fristloser Kündigung. Ich war einmal nicht gekommen, ohne mich krank zu melden, dann kam die Kündigung. Ich hab dann angegeben, dass ich telefonisch an die Zentrale von ps in Saarbrücken weitergeleitet worden war, was tatsächlich passiert war. Ein dgb-Anwalt hat das dann gemacht, im weiteren haben sie die fristlose Kündigung zunächst in eine fristgerechte Kündigung umgewandelt, zum Schluss gab es noch einen Vergleich mit 250 Euro Abfindung. Außerdem haben sie mir sie drei Monate lang die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit weiter bezahlt.

Das war abschließend ein schöner Erfolg. Wir, also auch andere Leutchen aus meiner Politgruppe, waren im letzten Jahr auch bei ähnlichen Sachen recht erfolgreich. Arbeitsrechte einklagen, Abfindungen durchsetzen… Ein Genosse hatte ein richtig hartes Ding durchzustehen.

Hattet Ihr in dem Zusammenhang überlegt, zu Leiharbeitsfirmen politisch was zu machen, oder Du speziell in deinem Laden?

Gerade weil auch andere Genossen »Arbeitskämpfe« hatten, hab ich schon überlegt, ob ich da zunächst bleiben sollte. Aber es gab keine Ansatzpunkte, ich kannte die Leute nicht, bin noch total jung, außerdem war ich nur auf einer viertel Stelle. Generell gibt es aber auch kaum sowas wie Klassenbewusstsein unter den Leuten. Ich glaube, von allein läuft da nichts.

Das müsste man machen wie die Leute in Ken Loachs Bread and Roses, die Leute von unten organisieren. Oder überhaupt Sachen anstoßen: Handbücher, Broschüren auf dem Arbeitsamt verteilen, wie mensch sich der Leiharbeitersfirmen oder dem Arbeitsvermittler gegenüber verhalten kann, Tipps und Tricks. Oder »Stammtische« organisieren, wo Leute ihre Erfahrungen austauschen können. ■

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aus: Wildcat 87, Sommer 2010



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