Wildcat-Zirkular Nr. 24 - Februar 1996 - S. 9-14 [z24disku.htm]


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Vorschläge zur Wiederbelebung der theoretischen Diskussion /1

Wie im Editorial dieses Zirkulars angesprochen, ist es in der letzten Zeit immer weniger gelungen, mit dem Zirkular die anfänglich vorgeschlagene Vertiefung und Intensivierung einer politischen und theoretischen Diskussion in Gang zu bringen. Wir hatten das Zirkular auf den Weg gebracht, um im Zusammenhang eines neuen Organisierungsprojekts durch eine gründliche Diskussion wieder zu einer »Theorie, die auf der Höhe der Zeit ist«, zu kommen (Zirkular Nr. 1, S. 2). Ausgangspunkt war dabei, daß die politische Krise der Linken und die Krise revolutionärer Projekte auch theoretische Gründe hat: »Der historische Umbruch auf Weltebene macht es erforderlich, daß wir Vieles von Grund auf neu diskutieren.« (ebd.) In den letzten mehr als zwanzig Wildcat-Zirkularen hat es eine ganze Reihe von Texten und Diskussionsbeiträgen gegeben, die sich auf diese Grundüberlegung bezogen und einige der »wichtigen Fragen« aufwarfen. Der Preis, der für das regelmäßige, monatliche Erscheinen gezahlt wurde, war auf der anderen Seite eine gewisse Beliebigkeit, die Füllung des Zirkulars mit Informationen, Berichten, Hinweisen. Diese Info-Funktion war auch beabsichtigt, aber sie verdrängte mehr und mehr die grundlegendere Debatte. Warum? Einer der Gründe scheint mir darin zu liegen, daß sich keine Einigkeit mehr darüber herstellen ließ, was denn unsere »wichtigen Fragen«, unsere theoretischen Probleme sind. Das Versanden der Diskussion nur auf unser aller menschlichen Schwächen - die es immer gibt - und den Druck des monatlichen Erscheinens zurückzuführen, wäre zu kurz gegriffen. Fast alle Editorials jammern über die fehlende Diskussion, fordern moralisch und folgenlos zu ihr auf.

Jede Diskussion muß scheitern, wenn keine Einigkeit über die Fragestellungen existiert, darüber, was überhaupt gründlich zu diskutieren ist bzw. was wir aufgrund intensiver und kollektiver politischer Klarheit nicht zu diskutieren bräuchten. Nur um uns selber besser klarzumachen, was abläuft, will ich drei Mechanismen unterscheiden, in denen sich die Uneinigkeit über die Fragestellungen ausdrückt und die so als Mechanismen der Diskussionsverhinderung wirken: a) Strategien der Ignorierung, b) die Methode der Relativierung und c) Dogmatismus. Ich will hier nur diese Mechanismen beleuchten. Dahinter steht die Frage nach den Motiven der Diskussionsverhinderungen. An einigen Stellen schimmern sie in Zirkular-Texten durch, aber ergründen ließen sie sich nur in dem gesamten Zusammenhang von alltäglicher Lebensweise, Erfahrungen in der politischer Praxis und jeweils individuellen Verarbeitungsweisen dessen, was wir als »politische Krise« bezeichnen.

Ignorieren läßt sich ein Beitrag auf vielfältige Weise, zunächst einmal dadurch, daß es überhaupt keine Reaktionen gibt. Beispielhaft gilt dies für Texte aus den ersten Zirkularen (Klassenkampf-Krise-Kommunismus, Bellofiore, Kapitalismus und Hausarbeit, die Texte von Aufheben). Hier entsteht zwangsläufig der Eindruck, daß die in diesen Texten aufgeworfenen Fragen für unwichtig gehalten werden. Dasselbe kann auch auf vielen Seiten ausgeführt oder durch spitze Bemerkungen angedeutet werden. Beispielhaft für die wortreiche Ignoranz ist der einzige (zugegeben, das lag auch an mir!) Diskussionsbeitrag, den es zu dem umfassenden Vorschlag von Karl Heinz Roth im Zirkular gab (»Who makes the world go round?«, Zirkular Nr. 7). Ausgehend von seiner Formulierung einer »relativen Verselbständigung des Finanzkapitals« unterstellt die Kritik Roth, er habe den Boden der Arbeitswertlehre verlassen und damit auch die Orientierung am Klassenkampf. Bei aller möglichen Widersprüchlichkeit im Text von Roth, das ist keine ernsthafte Umgangsweise mit Texten, sondern ein Rauspicken zwecks billiger Polemik und Selbstbeweihräucherung. Bei Roth heißt es schon im Vortrag: »Trotzdem ist der Postfordismus kein Deindustrialisierungsmodell, sondern (...) stellt den aktuellen Versuch der Weltfinanzmärkte dar, die einzige Form, in der Kapital sich im Gegensatz zur Geld- und zur Warenform letztlich real vermehrt, nämlich die Produktionsphase, wieder auszudehnen.« (Die Wiederkehr..., S. 20) Was will uns die Kritik mehr sagen? Und was den Bezug auf den Klassenkampf angeht, so ist Roth gerade für seine massive Orientierung auf Klassenkampf und auf Untersuchung der Klassenzusammensetzung bis weit unter die Gürtellinie angegriffen und denunziert worden. Und was kann uns der Kritiker nun seinerseits zu dem Problem des Finanzkapitals sagen? Nichts. Eigentlich sei alles das Gleiche: Preis und Wert, Arbeit und Kapital, Geld und Maschinen (kein Wunder, daß bei soviel Einerlei am Schluß das Kapital auch noch als Herrschaftsverhältnis durchgeht!) - und eigentlich sei auch alles noch immer so wie vor 100 Jahren, Marx unterm Kopfkissen reiche also aus. Marx darauf zu reduzieren, er habe zeigen wollen, daß alles das Gleiche sei, Wert und Preis usw., ist grotesk. Warum macht er sich dann diese enorme Mühe, auf mehr als zweitausend Seiten die Unterschiede und Zusammenhänge dieser verschiedenen Gegenstände präzise zu bestimmen? Daß alles gleich ist, weil auf Arbeit beruhend, steht schon bei Adam Smith und Früheren. Marx insistiert darauf, daß diese Unterschiede eine bestimmte historische Bedeutung haben, historische Formbestimmungen sind, daß es nicht reicht - wie unserem Kritiker !, festzuhalten, daß in letzter Instanz (!) die lebendige Arbeit Bestimmungsgröße des Gesamtwertprodukts ist, daß die Frage, wie »Geld von der einen Taschen in die andere« wandert, uns sehr wohl zu interessieren hat, was der Kritiker verneint (S. 30). Damit geht die Kritik an der Fragestellung von Roth vorbei, bewegt sich gar nicht auf dem konkreten historischen Niveau, das dort angesprochen wird. Die Art und Weise, wie heute nationale und internationale Zinssätze festgelegt werden, welche Wirkung dies auf die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch auf den Verlauf von Klassenkämpfen hat, konnte Marx vor über hundert Jahren schwerlich voraussehen - aber es hat ihn bis zum Schluß brennend interessiert, z.B. welch mächtigen Hebel die Staatsschuld im Prozeß der Akkumulation bildet. Als hätten wir nicht selber sehr intensiv über die Bedeutung der inszenierten lateinamerikanischen Schuldenkrise für die Klassenkämpfe diskutiert. Die große politische Geste, mit der in der Kritik das Abweichen vom rechten Weg des Klassenkampfs gegeißelt wird, schnurrt dergestalt zusammen in die eigene Ignoranz gegenüber den Bedingungen und Perspektiven der Klassenkämpfe. Vielleicht hat Roth in der Untersuchung dieser Bedingungen Fehler gemacht, darüber müssen wir diskutieren, aber er hat diese Untersuchung wenigstens angepackt, statt sich mit Plattidüden über den Kampf gegen die Arbeit zu bescheiden.

Eine weitere Form der Ignoranz besteht in einleitenden Kommentierungen von Texten, die eine Diskussion darüber sogleich wieder beenden. Das können Hinweise wohlwollende Hinweise darauf sein, wie »schwierig« der Stoff ist (also laß lieber die Finger davon!), oder böswillige Abkanzlungen, daß es sich gar nicht lohne, den Text zu lesen oder sich mit den dort behandelten Fragen zu beschäftigen. In dem Diskussionsbeitrag aus Freiburg in diesem Zirkular wird ganz zu recht nochmal darauf hingewiesen, wie Leseanleitungen à la »Kopfweh und Migräne« im Zirkular Nr. 14 nur dazu dienen, sich »eine notwendige Diskussion vom Leib zu halten«.

Die Methode der Relativierung besteht darin, Beiträgen gleich wieder ihre Zuspitzung zu nehmen, aufzufordern, alles nicht so eng oder so genau zu sehen - womit dann meistens die gesamte Fragestellung abgebügelt wird. Ein sehr prägnantes Beispiel dafür sind die einleitenden Bemerkungen zur Kritik von Sylvia Deneuve und Charles Reeve an der EZLN im Zirkular Nr. 22: »Aber mit der Begründung, sie könnten ja bürokratisch werden, eine Bewegung auf die andere Seite der Barrikade zu verweisen, läßt uns fragen: Können wir dann überhaupt noch irgendwelche Leute, die kämpfen, unterstützen: entweder sie sind korporatistisch, haben Illusionen in die Gewerkschaften, sind von ML-Organisationen unterwandert, sind anti-kommunistisch oder gar nationalistisch. Das Problem bei den AutorInnen ist, daß sie sich eine ideologisch reine Klasse herbeiwünschen, die Eautonome und unabhängige Aktionen unternehmen mögeD, und sich nicht mit unreinen praktischen Aktivitäten beschmutzt. Die soziale Realität ist nun leider widersprüchlich, und so auch die zapatistische Bewegung und ihre Chefs. Um sie zu kritisieren, bedarf es schon einer differenzierten Analyse, die mit diesen Vorbemerkungen allerdings nicht geleistet werden kann.« Die so angekündigte Kritik an der EZLN ist eine sehr präzise, zugespitzte Auseinandersetzung mit den Schwächen proletarischer Bewegungen, den Gründen dafür, warum es ihnen nicht gelingt, eine revolutionäre Umwälzung einzuleiten. Der Text versucht, Kriterien für revolutionäre Brüche zu entwickeln. Darüber kann gestritten werden, die einleitende Kommentierung tut aber etwas ganz Anderes. Sie verwirft die Frage nach Revolution und geht mit dem eigenen, subjektiven Problem hausieren: Wir möchten gerne irgendwelche kämpfenden Menschen »unterstützen«, und um das zu können, müssen wir über Fehler und Schwächen großzügig hinwegblicken (Warum? Weil es so wenig Kämpfe gibt? Weil wir uns schon damit abgefunden haben, uns einer schlechten Realität anzupassen?). Wir sollen also ein Auge zudrücken, nicht zu genau und kritisch prüfen. Der Aufruf zur Oberflächlichkeit verbirgt sich paradoxerweise gerade in der Forderung nach einer »differenzierten Analyse«, die leider noch nicht geleistet werden könne. Dies ist ein aus der bürgerlichen Wissenschaft und dem akademischen Betrieb bekanntes Verfahren der Relativierung. Auf die - aus Zeitgründen leider unergründliche - Kompliziertheit der Welt wird immer dann hingewiesen, wenn eindeutigen und präzisen Aussagen ihre Brisanz genommen werden soll. Damit verlieren sie nämlich ihre praktische Bedeutung. Wenn alles viel komplizierter ist mit der EZLN, als es Deneuve und Reeve sagen, dann bleibt es der persönlichen Beliebigkeit überlassen, wie wir uns zu ihr verhalten. Die einleitenden Bemerkungen rufen so zum Verzicht auf revolutionäre Theorie auf. Kriterien für den revolutionären Charakter einer Bewegung oder Dynamik, die hier nebenbei als die Sehnsucht nach einer »ideologisch reinen Klasse« denunziert werden, kann es bei dieser Sicht der Dinge nicht geben, da Alles immer irgendwie widersprüchlich und »unrein« ist. Über solches Geschwafel geht der Text weit hinaus, er diskutiert z.B. die Problematik des individuellen Landbesitzes, des Mythos der indianischen Gemeinschaften, des Avantgardismus usw. Darauf wird nicht eingegangen, sondern mit den pauschal relativierenden Hinweisen davor gewarnt, sich auf diese konkrete Ebene der Auseinandersetzung zu begeben. Die dogmatische Floskel, wir hätten auch Probleme mit dem mangelnden »Klassenbezug«, und der abschließende Textbaustein »Die Diskussion ist eröffnet« sind angesichts dessen nur aufgesetzt. Die Vorbemerkungen zeigen - das ist das gute daran !, wie hohl das verbale Festhalten am revolutionären Anspruch wird, wenn gerade dann, wenn dieser Gegenstand der Diskussion zu werden droht, abgewunken wird.

Mir ist klar, daß einleitende Worte bei der hektischen Fertigstellung eines Zirkulars mal so dahingeschrieben werden, nicht darauf vorbereitet im Nachhinein gründlich seziert zu werden. Aber gerade dadurch kommen in ihnen grundlegende Einstellungen zum Vorschein, die ansonsten kaum diskutiert werden oder diskutierbar sind, da sie sich in politische »Lebenslügen« einhüllen. Daher gehen nachträgliche Relativierungen der Art, »ach, das haben wir da so im Streß geschrieben, weil wir noch eine Einleitung brauchten, und du betreibst jetzt Haarspalterei an Worten«, an der Sache vorbei. Das spontane Aus-der-Feder-Fließen drückt bestimmte Haltungen und Mechanismen klarer aus, als die Verschanzung hinter revolutionärem Jargon. Und nur wenn wir an diese herankommen, uns gemeinsam über sie klar werden und ihre lebenspraktischen Grundlagen sehen, könnte eine theoretische Diskussion fruchtbar werden.

Relativierungen haben immer etwas mit der Angst vor Verunsicherung zu tun. In der bürgerlichen Wissenschaft ist es die Angst davor, theoretische Erkenntnisse könnten zur Ablehnung der bestehenden Gesellschaft führen und damit das alltägliche Sich-in-ihr-Einrichten nicht mehr widerspruchsfrei zulassen. In unserem Zusammenhang ist es möglicherweise die Angst davor, liebgewonnene Gewißheiten über den eigenen politischen Standpunkt, die eigene Rolle und eine klare Perspektive zu verlieren. In diesem Sinne ist der »Schmerz« hinter bestimmten Reaktionen nicht nur »simuliert«, wie H. schreibt, er ist beängstigend real. Damit kommen wir zum Dogmatismus, d.h. Glaubensbekenntnissen, die nicht weiter hinterfragt werden dürfen. Kürzlich las ich in einem Bericht aus unserem Zusammenhang: »Es ist heute schwierig, von der Arbeiterklasse zu reden, obwohl nur sie etwas verändern und umwälzen kann.« Oberflächlich erinnerte er mich an die bekannte Stilblüte aus einem Schulaufsatz: »Wir wissen nicht sicher, ob Homer gelebt hat. Fest steht aber, daß er blind war.« Während die Stilblüte zum Lachen einlädt, verweist die erste Aussage auf ein ernsthaftes Problem in unserem Diskussionszusammenhang. Bestimmte Begriffe wie Arbeiterklasse, Kapital, Wert, Staat usw. werden als verdinglichte Kategorien benutzt und in einer bestimmten Weise politisch besetzt, ohne dies an der Realität präzisieren zu können. Werden dann diese Besetzungen, z.B. »Arbeiterklasse und Revolution« oder »Kampf gegen die Arbeit«, in Frage gestellt, so erfolgt keine Diskussion, Präzisierung, Klärung, sondern das bloße Pochen auf diesen Einstellungen. Auch hierfür ist »Kopfweh und Migräne« beispielhaft: die Rassismus-Diskussion wird wehleidig von sich gewiesen, um dann zu sagen, daß wir auch nicht bestimmen können, was Arbeiterklasse mit Revolution zu tun haben soll, sondern bisher immer nur über Kämpfe berichten, die für sich zu dieser Frage nichts aussagen. Mehr noch: am Schluß wird dann die Frage nach der Revolution mit der Frage nach »unseren« Aufgaben gleichgesetzt. In der Arbeiterklasse gäbe es einen revolutionären und einen reaktionären Teil, Aufgabe der Revolutionäre sei es, ersterem zum Durchbruch zu verhelfen. Witzigerweise ist die Einleitung damit bei genau dem Subjektivismus angelangt, der an den Beiträgen aus Bremen und Freiburg vernichtend kritisiert und als kleinbürgerliche Phantomdiskussion abgekanzelt wurde. Wenn es von uns abhängt, ob sich der revolutionäre gegen den reaktionären Teil der Arbeiterklasse durchsetzen kann, dann gibt es keinen Zusammenhang mehr zwischen Arbeiterklasse und Revolution - ein spezifischer Bezug auf die Arbeiterklasse, wie er in Wildcat-Diskussionen reklamiert wird, kann dann nur noch eins sein: ein Glaubensbekenntnis. Dies ist das eigentlich Fatale an »Kopfweh und Migräne«. Die wechselseitigen Titulierungen als »in der Nähe von Faschisten oder KPD-Traditionen stehend« und »unverbindlich-kleinbürgerlichen Dumpfbacke« ließen sich zur Not noch als Stil- und Höflichkeitsfragen behandeln. Aber mit der Abkanzlung einiger, vielleicht wirklich nicht so gelungener, Diskussionsbeiträge werden hier zugleich die wichtigen Fragen weggelegt, die sehr wohl in der Debatte um Rassismus/Faschismus und Arbeiterklasse enthalten sind.

Dogmatismus ist ein sozialer Mechanismus und daher allein in theoretischen Diskussionen nicht zu knacken: an liebgewonnen Gewißheiten wird festgehalten, weil die wirkliche Situation nicht zu Offenheit der Fragestellung einlädt und auch nicht die Energie bereithält, im mühsamen Abarbeiten an den Fragen eine Position zu entwicklen. Also weil die Energie fehlt und man in Ruhe gelassen werden möchte, werden die Fragen erst gar nicht zugelassen.

Im folgenden Beitrag will ich ausgehend von einer Frage, die in vielen Diskussionsbeiträgen auftaucht, ein paar der Probleme und Ansätze skizzieren, die wir meiner Ansicht nach dringend diskutieren müßten. Einige davon wurden bereits in etwas andere Weise in den Beiträgen »Klassenkampf-Krise-Kommunismus?« in den ersten beiden Zirkularen angesprochen. Der - auch im ersten Zirkular - veröffentlichte Text von Riccardo Bellofiore, der vielleicht gerade deswegen in unserer Diskussion so wenig Beachtung fand, weil er einen zu ungewohnten, bestimmte Dogmatismen zu sehr in Frage stellenden Blick auf die Dinge warf, beginnt einleitend mit der Bemerkung: »Das erste Mißverständnis besteht darin zu glauben, es sei ausreichend, sich auf die offensichtlichen Tatsachen zu berufen, um die Ungleichheit Ausbeutung zu nennen: also etwas, das zu bekämpfen ist, auch wenn man jetzt nicht in der Lage dazu ist. Was mich betrifft, so bin ich im Gegenteil überzeugt, daß es da Begriffskategorien, eine regelrechte Theorie braucht, um die Ungerechtigkeiten und die Grenzen der gegenwärtigen Gesellschaftsorganisation zu begründen; eine Theorie, die in der Lage ist, die Möglichkeit, und vielleicht gar die Notwendigkeit einer radikalen Veränderung zu begründen. Dabei sind es gerade die Begriffskategorien, gerade die Theorien, die auf bis jetzt ungelöste Schwierigkeiten gestoßen sind: so muß man auf jeden Fall die Beziehung zwischen der Krise der Theorie und den Schwierigkeiten der Praxis der - wie sie sich einst nannte - Arbeiterbewegung untersuchen, denn es gibt da zweifellos einen Zusammenhang.« (Zirkular Nr. 1, S. 60)

F./Köln


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