Wildcat-Zirkular Nr. 33 - Januar 1997 - S. 70-83 [z33selbs.htm]


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Die Selbständigen: Kleinunternehmer oder versteckte Lohnarbeiter?

Helen Rainbird

[Kapitel 11 »The Self-Employed: Small Entrepreneurs or Disguised Wage Labourers?«, in: Anna Pollert (Ed.) Farewell to Flexibility? 1991, Oxford: Basil Blackwell, S. 200-214]

Der Hintergrund

Einleitung

Selbständigkeit [self-employment] und die Gründung von Kleinbetrieben [small business] werden von der konservativen Regierung gefördert, um damit das Unternehmertum zu stärken. Dies wird einerseits als ein Beitrag zur ökonomischen Entwicklung und zur Wiedererholung der Industrie des United Kingdom betrachtet, andererseits als ein Mittel, um die Abhängigkeit vom Sozialstaat zu senken und um die Arbeitslosen zu einer vorteilhaften wirtschaftlichen Betätigung zu bringen. Die Bedeutung der Zunahme von Kleinbetrieben wird an der großen Zahl von Maßnahmen und Anreizen deutlich, mit denen Selbständigkeit und die Bildung von Kleinbetrieben angeregt werden soll. Seit 1979 sind über hundert Maßnahmen eingeführt worden (Storey und Johnson, 1987a), einschließlich solcher wie dem Enterprise Allowance Scheme [etwa: Existenzgründungsprogramm], die sich hauptsächlich an Arbeitslose richten. Nicht nur die Konservative Partei versucht, das Wachstum der Kleinbetriebe anzuregen. Schon der von der Labour-Partei kontrollierte Greater London Council und andere metropolitane und örtliche Behörden sahen Unterstützungsleistungen für Kleinbetriebe als ein sinnvolles Feld kommunaler Politik, da sie den örtlichen Interessen dienten. Allerdings wurde kaum untersucht, welche Rolle die Zunahme der Selbständigkeit und der Kleinbetriebe im Gesamtprozeß der Umstrukturierung genau spielt, und man muß untersuchen, welche wirtschaftlichen und politischen Interessen von dieser Entwicklung am meisten profitieren. Eine Untersuchung des gegenwärtigen Umstrukturierungsprozesses muß zeigen, welche objektive Position den Selbständigen und den Kleinstbetrieben [very small business] im Prozeß der Kapitalakkumulation zukommt und welche Beziehungen sie zum größeren Kapital haben.

Die Gründung von Kleinbetrieben ist zur selben Zeit aufgetaucht, als die Zahl der großen Produktionsstätten abnahm. Ein Merkmal der Rezession war die Schließung großer Industrieanlagen, oder zumindest ihre teilweise Schließung und Verschlankung ihres Tätigkeitsbereichs. In einigen Fällen hat dies dazu geführt, daß Dienstleistungen, die zuvor vom eigenen Unternehmen erbracht worden waren, verstärkt eingekauft wurden. In anderen Bereichen wurde durch staatliche Eingriffe in Form von Deregulierung, Privatisierung, Senkung der Unternehmensbelastungen und die Einführung von Wettbewerb im öffentlichen Sektor ein für Kleinbetriebe günstiges Umfeld geschaffen. In diesem Zusammenhang ist das relative Wachstum von Kleinbetrieben in der Wirtschaft und die absolute Zunahme der Zahl von Selbständigen Teil einer zusammenhängenden Strategie gegenüber der Arbeiterklasse, mit der die Ausbeutung intensiviert und die Arbeitsbedingungen verschlechtert werden. Diese Fragmentierung der Größe von Produktionseinheiten sagt nichts über die Fragmentierung des Kapitals aus. Obwohl einige große Firmen Produktionseinheiten verkauft haben, die sich am Rand ihrer Hauptaktivitäten befanden, ist die Kapitalkonzentration nicht zurückgegangen. Im Gegenteil, Fusionen und Aufkäufe fanden sowohl innerhalb wie außerhalb der nationalen Grenzen statt. Es gibt keinerlei Belege für die Annahme einer wachsenden Macht des kleinen Kapitals oder dafür, daß der Prozeß der Kleinbetriebsbildung irgendeine Tendenz der Umverteilung des Reichtums vom großen zum kleinen Kapital beinhaltet. Es stellt keinen Widerspruch dar, wenn beobachtet wird, daß die Zahl der kleinen Produktionseinheiten angewachsen ist (seien es Tochtergesellschaften, Zulieferer, in Abhängigkeit oder unabhängig vom großen Kapital), während die Konzentration des Kapitals zugenommen hat.

In diesem Kapitel sollen einige Ergebnisse einer Untersuchung von Selbständigen und Kleinbetrieben dargestellt werden. Im Mittelpunkt standen die Produktionsbeziehungen von Selbständigen und Kleinstbetrieben. Sie bezog sich vor allem auf ihren Gebrauch von Arbeit - sowohl ihrer eigenen wie der anderer - und ihre Geschäftsbeziehungen. Die Untersuchung sollte herausfinden, ob es sich bei den Menschen, die in diesen Formen arbeiten, tatsächlich um kleine Kapitalisten handelt, die Profite erwirtschaften, oder ob sie nicht eher eine Form von versteckter Lohnarbeit darstellen (siehe die Diskussion dieses Begriffs bei Gerry und Birkbeck, 1981). Anhand der Ergebnisse läßt sich prüfen, in welchem Maße das Kapital dieser Kleinstbetriebe ihre Eigentümer dazu befähigt, die Arbeit anderer einzusetzen und daraus einen Profit zu ziehen, und wie ihre eigenen Beziehungen zu größeren Kunden und Lieferanten aussehen.

Wer sind die Selbständigen?

Üblicherweise werden die Selbständigen als Arbeiter definiert, die aus steuerlichen Gründen als Firma registriert sind. Das bedeutet, daß sie keinen formalen Arbeitsvertrag haben und daher für ihre Steuerzahlungen selbst verantwortlich sind. Sie umfassen Menschen, die unter einer Vielzahl verschiedener Produktionsbeziehungen arbeiten - von prekären Arbeitern [casual workers] und Heimarbeitern, die in jeglicher Hinsicht Lohnarbeiter sind, bis zu denjenigen, die im Besitz ihrer eigenen Produktionsmittel sind. Es ist wichtig, daß der Besitz an den Produktionsmitteln nicht notwendigerweise mit einem hohen Kapitalisierungsgrad verbunden ist. Er kann sich auf die Nähmaschine eines Heimarbeiters beziehen oder die Werkzeuge eines Bauarbeiters, obwohl manche Selbständige über bedeutenderes Kapital verfügen können. Zu den Selbständigen können auch Arbeiter gehören, die in der Arbeitsstatistik als registrierte Arbeitslose auftauchen. Daher ist es notwendig, die Produktionsbeziehungen der Selbständigen im Detail zu untersuchen. Es genügt nicht anzunehmen, daß das einzige Kapital in ihren Produktionsbeziehungen ihr eigenes ist. Es ist entscheidend, die umfassendere Beziehung zwischen Kapital und Arbeit zu betrachten. Die Bedeutung der Kapital-Arbeit-Beziehung liegt nicht in der bloßen Existenz von Kapital, sondern darin, wie es die Arbeiter im Produktionsprozeß zum Arbeiten bringen und sich den geschaffenen Mehrwert aneignen kann. Es muß also untersucht werden, mit welchen Mitteln Wert geschaffen wird, ob dabei Mehrwert geschaffen und wie er verteilt wird. Daraus ergeben sich wichtige Fragen auf verschiedenen Ebenen:

  1. Beinhalten die Produktionsbeziehung die Schaffung und Einbehaltung von Wert durch die Selbständigen selber?
  2. Wie verteilt sich der im Produktionsprozeß geschaffene Wert auf Löhne (Lebensunterhalt) und Mehrwert (Profit)?
  3. Beinhalten die Produktionsbeziehungen eine Aneignung von Wert durch die Selbständigen, der von anderen geschaffen wurde?
  4. Beinhalten die Produktionsbeziehungen die Aneignung von Wert durch das große Kapital?

Die Literatur zur Selbständigkeit

In einer frühen Phase wurde deutlich, daß die existierende Literatur über die Entwicklung von Selbständigkeit und Kleinbetrieben auf Grenzen stieß. Eine wesentliche Unzulänglichkeit besteht darin, daß sie sich auf öffentliche statistische Quellen stützt. Daher ändert sich das Ausmaß der Selbständigkeit je nachdem, ob die Quellen auf Steuererklärungen oder auf eigenen Angaben beruhen. Außerdem wurde die Bezeichnung »selbständig« in Untersuchungen als eine allgemeine Restkategorie verwandt, die kaum etwas zum analytischen Verständnis beiträgt (Dale, 1986). Das bedeutet, daß Daten über viele der Kleinbetriebe ungenügend sind oder einfach nicht existieren. Obwohl es das Phänomen der Selbständigkeit schon seit langem gibt, hat das akademische und politische Interesse an ihm erst mit seinem jüngeren starken Anwachsen zugenommen und damit auch die Einsicht, daß Fallstudien das angemessenste Mittel zu seiner Untersuchung sind (Hakim, 1988). Die wichtigsten qualitativen Untersuchungen über die Besitzer von Kleinbetrieben und Selbständige sind diejenigen, die von Bechhofer, Elliott und Kollegen über kleine Ladenbesitzer durchgeführt wurden (Bechhofer u.a., 1974; Bechhofer und Elliott, 1976), und die Untersuchung von Scase und Goffee (1982) über die »unternehmerische Mittelklasse« im Vereinigten Königreich, während die Studie von Bertaux und Bertaux-Wiamé (1981) über handwerkliche Bäckereien die Wettbewerbsstrategien von kleinen, auf der Familie begründeten Einheiten untersucht.

Trotz der anspruchsvollen Analyse der Beziehung zwischen großen und kleinen Unternehmen, die Scase und Goffee (1982) vorlegen, scheint sich dieser theoretische Rahmen kaum auf ihre Untersuchungsmethode ausgewirkt zu haben. Sie sind an den Selbständigen als einer Kategorie der unternehmerischen Mittelklasse interessiert und betrachten sie daher als eine Randkategorie in der Nähe zur Lohnarbeit. Aber sie konzentrieren sich auf die Firma als Produktionseinheit, statt die Beziehungen zwischen Firmen unterschiedlicher Größe zu untersu-chen. Sie behaupten, die von ihnen für ihre Studie gewählte Bauindustrie sei ein Testfall zur Untersuchung der Dynamik in der Gründung von Kleinbetrieben. Während ihre Konzentration auf die Selbständigkeit im Baugewerbe (zusammen mit Dienstleistungen und Vertrieb) für diese Behauptung eine gewisse Basis liefert, zeigen ihre Ergebnisse, daß sie die Bedeutung der auf die Baustelle bezogenen Organisation dieses Gewerbes und ihres umfangreichen Gebrauchs von Subunternehmern nicht in vollem Maße erkennen. Die soziale Organisation der Produktion im Baugewerbe wird mit vorübergehenden Koalitionen zwischen Firmen zusammen mit dem Kunden verglichen, die sich um jedes Bauprojekt herum bilden (Winch, 1988). Darüberhinaus bedeutet der Gelegenheitscharakter der Beschäftigung in diesem Gewerbe, daß viele Beziehungen, die als Beziehungen zwischen Firmen erscheinen, aufgrund des umfangreichen Gebrauchs eines Subunternehmertums und einer nur aus Arbeit bestehenden Selbständigkeit [dies würde im deutschen Rechtsraum unter »Leiharbeit« und »Scheinselbständigkeit« fallen, Anm.d.Ü.], in Wirklichkeit Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit sind. In ihrem methodologischen Anhang stellen die Autoren auch fest, daß sie das nur aus Arbeit bestehende Subunternehmertum bewußt aus ihren Überlegungen ausgeklammert haben, obwohl dies in der Praxis die Hauptform von Selbständigkeit in diesem Gewerbe ist, und auch das Mittel, mit dem große, kleine und ganz kleine Firmen Arbeitskraft rekrutieren. [In England hat die Selbständigkeit auf dem Bau schon sehr viel früher eine große Rolle gespielt und auch zu Kontroversen in der Linken über den Klassencharakter dieser Arbeiter und ihrer Kämpfe geführt; von situationistischer Seite erschien dazu im April 1974 (!) die Broschüre »The Lump - An Heretical Analysis - by Dave Lamb; A Solidarity Pamphlet«, in der die orthodox-kommunistische und gewerkschaftliche Kritik an den auf Pauschal-Basis (engl. lump) arbeitenden Bauarbeitern zurückgewiesen und umgekehrt die befriedende und regulierende Politik der Baugewerkschaft einer Kritik unterzogen wurde. Dt. Übersetzung als Beilage zu Zirkular 42 Anm.d.Ü.]

Es ist sinnvoll, auf der Basis von empirischen Untersuchungen der Produktionsbeziehungen von sehr kleinen Produzenten zwischen verschiedenen Typen von »Unternehmern« zu unterscheiden. Bromley und Gerry (1979) unterscheiden vier Hauptkategorien von prekären Armen [casual poor] in Dritte-Welt-Städten, von denen einige nominell als Selbständige einzuordnen wären: 1. prekäre Arbeit in Form von kurzfristiger Lohnarbeit, bei der der Arbeiter gesetzlich ein Beschäftigter ist, aber dem die Vorteile einer stabilen Lohnarbeit fehlen; 2. versteckte Lohnarbeit wie Heimarbeit und Arbeit auf Kommission, bei der die Firma die Betriebsmittel, Kredite und manchmal sogar die Gebäude stellt; 3. abhängige Arbeit, bei der der Arbeiter aufgrund von Krediten, Ausrüstung oder Gebäuden von einer großen Firma abhängen kann und die Firma durch ein monopolistisches Angebot der Rohmaterialien oder als monopsonistischer [einziger] Abnehmer der Produkte des Arbeiters Kontrolle ausübt; und 4. wirkliche Selbständige (S. 7). Auf dieser Basis argumentieren sie, daß Arbeiter, die normalerweise als Selbständige definiert werden, tatsächlich eine hohe Abhängigkeit von den regelmäßigen Lieferanten und/oder Abnehmern aufweisen, bei denen es sich normalerweise um größere Firmen handelt, und daß diese Arbeiter daher genauer in die Kategorien 2. und 3. einzuordnen wären. Darüberhinaus weisen empirische Ergebnisse auf die Komplexität und Flüssigkeit der Produktionsbeziehungen hin. In einer Untersuchung von Werkstätten in Dakar fanden Gerry und Birkbeck, daß ein Unternehmer zugleich Lohnarbeiter für jemand anderen sein konnte. Sie betonen, daß »die Beziehungen nicht nur zwiespältig sind, sondern sich in einem Entwicklungsprozeß befinden« (1981, S. 136). In diesem Zusammenhang kann der Besitz von Kapital äußerst illusionär sein, aber er hat trotzdem einen mächtigen Einfluß auf das Bewußtsein, zusammen mit der Ideologie von der Möglichkeit des Aufstiegs und Reichwerdens.

Weitere theoretische Beiträge bezüglich der Art der Beziehung zwischen kleinem und großem Kapital sind in den Debatten über den informellen Sektor und die kleine Warenproduktion geliefert worden (siehe z.B. Lozano, 1983; Connolly, 1985; McEwan Scott, 1977; Gerry, 1985). Diese weisen meistens darauf hin, daß es wichtig ist, die Komplexität der Produktionsbeziehungen zwischen sehr kleinen Firmen und Selbständigen und ihre Verbindungen mit dem größeren Kapital zu untersuchen. Ebenso ist es wichtig, die Familie und/oder die ausgeweitete Familie als eine »Multi-Unternehmenseinheit« zu betrachten und die Bedeutung von sozialen Netzwerken für den Zugang zu Ressourcen zu berücksichtigen (Long und Sanchez, 1978). Die Konzentration auf die gesellschaftlichen Produktionsbeziehungen ist am geeignetsten, um die objektive Klassenposition dieser sehr kleinen Produzenten zu beleuchten, was damit zu unserem allgemeinen Verständnis von Prozessen der Umstrukturierung, die mit der scheinbaren Fragmentierung von großen Produktionseinheiten verbunden sind, beiträgt.

Die Fallstudien

Untersuchungsmethode

Die Daten wurden durch ausführliche Interviews mit Menschen, die selbständig sind und Betriebe mit weniger als fünf Vollzeitbeschäftigten führen, erhoben. In der Untersuchungsmethode war vorgesehen, daß alle Interviewpartner durch persönliche Kontakte gefunden werden sollten: praktisch auf dieselbe Weise, in der die Besitzer von Kleinbetrieben selber nach Arbeit und Ressourcen suchen. Die Mehrheit der Kontakte kam durch Vorschläge von Freunden zustande, und drei weitere ergaben sich durch eine Ausstellung des Kleinbetriebszentrums der Universität von Warwick. Eine Reihe von Interviewpartnern schlug selber Freunde oder Kollegen für weitere Interviews vor. Die durch einen Baustoffhändler vermittelten Kontakte bildeten eine gute Methode, um selbständige Bauarbeiter kennenzulernen, obwohl die Mehrheit der so Kontaktierten keine reinen Arbeitskraft-Subunternehmer waren, was die hauptsächliche Form von prekärer Arbeit im Baugewerbe ist. Zwei dieser Interviewten gaben zwar an, daß sie bei einigen Gelegenheiten nur ihre Arbeitskraft angeboten hatten, aber die Mehrheit lieferte sowohl Material wie Arbeit (»supply and fix«).

Insgesamt wurden 28 Interviews durchgeführt, davon 8 Frauen, 16 Männer und 4 Pärchen, die zusammenarbeiten. Da ungefähr 75 Prozent der Selbständigen Männer sind (Creigh u.a., 1986, S. 183), sind Frauen in diesem Sample überrepräsentiert. Die Interviewten waren in den folgenden Bereichen tätig: Heizung und Lüftung, Bau, Zimmerhandwerk, sanitäre Installation, Handelsvertretung, Bauelektrik, Beratungstraining, Änderungsschneiderei, Erwachsenenbildung, Bekleidungsdesign und -nähen, Mietkleidung, Import von Handarbeitsprodukten, Forschungsberatung, High-Tech-Verkauf, Softwaregestaltung, Rechtsberatung, und Verkauf von Nippes, Kunstgegenständen und Antiquitäten (siehe Tabelle). Die Männer konzentrierten sich auf das Baugewerbe, Beratung und High-Tech-Aktivitäten; die Frauen in persönlichen Dienstleistungen und im Einzelhandel. Die Interviewten umfaßten Leute, die ihr eigenes Geschäft seit über 30 Jahren betreiben, bis zu solchen, die es erst innerhalb der letzten 12 Monate begonnen hatten. Die Zahl der selbständigen Arbeiter ist von 2 Millionen im Jahr 1981 auf 2,8 Millionen 1987 angewachsen, ein Anstieg von 9 auf 12 Prozent der Gesamtbeschäftigung (Hakim, 1988). Dieses Anwachsen in der jüngsten Zeit drückt sich in den empirischen Befunden aus: nur 11 der Interviewten waren bereits länger als fünf Jahre selbständig, und von den 17 zuletzt selbständig Gewordenen hatten 9 Unterstützungszahlungen des Enterprise Allowance Scheme erhalten.

Die Ergebnisse

Arbeit: Zunächst muß betont werden, daß die Selbständigen selten ausschließlich alleine arbeiten und in starkem Maße auf familiäre und nicht-familiäre Arbeitskraft zurückgreifen. Die Tabelle zeigt, daß sie die folgenden Typen von Arbeit beschäftigen:

  1. Eigene Arbeit
  2. Familienarbeit (»Aushelfen«)
  3. Gelegenheitsarbeit (»um Hilfe bitten«)
  4. Informelle Partnerschaft
  5. Formelle Partnerschaft
  6. nominelle Beschäftigung (Selbständige, »off the books«, auf Kommissions-Basis)
  7. formelle Beschäftigung

Von den 28 Interviewten nahmen 19 die Arbeit ihrer Ehepartner oder anderer Familienmitglieder in Anspruch, 12 benutzten prekäre oder Vertragsarbeit; 7 sagten, daß sie mit einem Partner arbeiten, wovon nur 2 formelle Partnerschaften waren; 10 gaben an, formelle Beschäftigte zu haben, aber nur 6 von ihnen, daß sie Leute Vollzeit beschäftigten, die übrigen waren Teilzeitarbeiter oder Leute aus dem YTS [Youth Training Scheme - ein Beschäftigungsprogramm für Jugendliche]. Die Befunde weisen darauf hin, daß die Mehrheit der Selbständigen, obwohl sie anscheinend alleine arbeiten, in großem Maße die Arbeit anderer in Anspruch nehmen und selber für andere arbeiten. Scase und Goffee (1982) haben behauptet, daß der wesentliche Übergang vom Selbständigen zum Betriebsbesitzer dann stattfindet, wenn ein Beschäftigter eingestellt wird. Die Befunde lassen vermuten, daß die Situation sehr viel flüssiger ist und daß der entscheidende Übergang sich nicht immer aus der formalen Erscheinungsform ergibt, sondern dann stattfindet, wenn der Selbständige sich nicht mehr von anderen »aushelfen« läßt oder sich auf eine Partnerschaft auf gleicher Basis stützt, sondern anfängt, Arbeiter, Material und Arbeit auf einer dauerhafteren Basis zu organisieren. Darüberhinaus ist es möglich, daß Selbständige ihre Arbeit an eine Firma verkaufen, die ihnen selbst gehört. Daher ist es vorstellbar, daß ein Betrieb eine Anzahl von Arbeitern als Selbständige oder direkt beschäftigt, und dieser Betrieb in Wirklichkeit einem oder mehreren der Selbständigen gehört. Die ansteigende Zahl von Selbständigen kann daher nicht als Hinweis auf eine zunehmende Zahl von Leuten, die als unabhängige Produzenten alleine arbeiten, interpretiert werden. Die Befunde weisen auf eine erhebliche Vergesellschaftung der Produktion hin, wenn auch auf einer flüssigeren und zufälligeren Basis als bei der formellen Beherrschung der Arbeiter durch das Kapital.

Mit dem Hinweis auf die Vergesellschaftung der Arbeitsorganisation von selbständigen Arbeitern soll nicht geleugnet werden, daß sie sehr oft unter den Bedingungen einer intensiven Konkurrenz arbeiten. Das Suchen nach spezialisierten Nischen und Prozesse des Ausschlusses (zum Beispiel durch den Aufbau einer Reputation und durch wechselseitige Empfehlungen) funktionieren in ähnlicher Weise wie die Absprachen zwischen Unternehmern und Arbeitern, die zu Arbeitsmarktsegmentierungen führen. Allerdings betrifft der Ausschluß in diesem Fall den Zugang zu Arbeit [access to work, d.h. hier zu Aufträgen] statt den Zugang zu normaler Beschäftigung [access to primary employment - primary workers sind im Unterschied zu secondary workers solche Arbeiter, die in der Regel keine Beschäftigungsschwierigkeiten aufgrund mangelnder Qualifikation haben; dementsprechend wird zwischen primärem und sekundärem Arbeitsmarkt unterschieden; Anm.d.Ü.].

Die Bedeutung der Familienarbeit für die Selbständigen ist seit langem bekannt, insbesondere die unterstützende Rolle der Frauenarbeit (Scase und Goffee, 1982; Bechhofer und Elliott, 1981). Die Aussagen von männlichen und weiblichen Selbständigen weisen jedoch darauf hin, daß die Dynamik nicht einfach in unbezahlter Frauenarbeit zur Unterstützung der männlichen wirtschaftlichen Aktivitäten besteht, sondern in einem komplementären Verhältnis zwischen den wirtschaftlichen Aktivitäten der Männer und der Frauen, verbunden mit der Rolle der Frauen, die Kinder aufzuziehen. Während es normal ist, daß Frauen den Telefondienst und die Buchhaltung für das Geschäft ihres Mannes machen, wurde auch berichtet, daß die Einkünfte der Frau eine Hauptquelle des Familieneinkommens bilden können, wenn die Geschäfte schlecht laufen. Besonders bei Bauhandwerkern, die eine 714-Registrierungskarte haben, die beim Bezug von Arbeitslosenunterstützung ungültig wird, bilden die Einkünfte der Frau ein wesentliches Sicherheitsnetz. Selbständig arbeitende Frauen haben das Geschäft oft begonnen, entweder um zu Hause arbeiten zu können, solange die Kinder noch klein sind, oder weil sie aufgrund ihrer unterbrochenen beruflichen Laufbahn kaum Chancen hatten, eine befriedigende Festeinstellung zu bekommen. In anderen Fällen ermöglichte es das Einkommen eines Ehegatten den Frauen, das Risiko einer Geschäftseröffnung einzugehen oder einen Grundstock aufzubauen, ohne einen Lohn zu erhalten.

Beziehung zu größeren Firmen: Die Beziehungen zu größeren Firmen lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: Beziehungen mit Kunden für Güter und Dienstleistungen, und Beziehungen zu Lieferanten. Im ersten Fall geht es vor allem um Subunternehmertum, während im zweiten Fall die Arbeit auf Kommission und auf Kredit wichtig ist. In beiden Fällen ist das Ausmaß, in dem sie von einer kleinen Zahl größerer Firmen abhängen, entscheidend dafür, welche Möglichkeiten die Kleinbetriebe für unabhängiges Wachstum und Entwicklung haben. Je größer die Abhängigkeit, desto enger sind die Chancen des Kleinbetriebs an die größeren Firmen gekoppelt. Die Tabelle zeigt das Ausmaß der Abhängigkeit von einer kleinen Zahl von Kunden und das Vorherrschen des Subunternehmertums.

Es gibt erhebliche Unterschiede in der Zahl und Art der Kunden, für die die Selbständigen arbeiten. Diese Beziehungen reichen von direkten Verhandlungen mit einer großen Zahl von kleinen Kunden bis zur Abhängigkeit von wenigen oder einem Hauptkunden. Sehr verbreitet ist das Subunternehmertum für große Kunden; die Hälfte der Interviewten gibt an, zumindestens teilweise als Subunternehmer zu arbeiten. Viele berichteten, daß sie Teil einer Kette von Zulieferern sind und ihrerseits wiederum spezielle Arbeiten weitervergeben. Bei diesen Beziehungen handelte es sich selten um einmalige Verbindungen, sie wurden normalerweise über die Zeit hinweg aufgebaut. Alle Interviewten sagten, daß persönliche Kontakte, regelmäßige Kunden und mündliche Empfehlungen ihre wichtigste Quelle für die Arbeit für Kunden aller Größen sind. Dies schränkt die Konkurrenz deutlich ein und bildet eine Methode der indirekten Kontrolle der Kunden über Disziplin und Qualität der Arbeit.

Beziehungen zu Lieferanten haben eine andere Form. Zwei der Interviewten sagten, daß sie auf Kommission arbeiten. Die Mehrheit war von einer kleinen Zahl von Lieferanten abhängig und viele bekamen monatliche Rechnungen von ihnen. Besonders wenn Transaktionen in Bargeld abgewickelt werden, kann es für Kleinbetriebe extrem schwierig sein, Bankkredite zu bekommen. Daher sind sie davon abhängig, daß ihnen die Lieferanten Kredit einräumen. Der Umstand eines privilegierten Zugangs zu Krediten stärkt das Band zwischen Lieferanten und Käufern und enthält die Möglichkeit einer direkteren Beherrschung durch die Lieferanten.

Während die Mehrheit der Interviewten auf lokalen oder regionalen Märkten tätig ist, arbeitet eine Minderheit auf internationalen Märkten. Letzteres war der Fall bei Antiquitätshandel, dem Import von Handarbeitsprodukten und den High-Tech-Firmen, deren Kunden multinationale Firmen waren. Einige der Selbständigen liefern Güter oder Dienstleistungen hauptsächlich für private Haushalte. Das galt insbesondere für Kleinhändler und die Bereitsteller persönlicher Dienstleistungen, die im Sample die traditionelle Kleinbourgeoisie darstellen. Andere liefern Güter und Dienstleistungen für eine Kombination von häuslichen, kommerziellen und industriellen Kunden.

Obwohl es im Sample ein paar selbständige Arbeiter gibt, die im Besitz ihrer Produktionsmittel sind und ausschließlich kleine häusliche Kunden beliefern, bilden sie eine Minderheit. Man könnte sagen, daß sie die einzigen unabhängigen Kleinproduzenten sind. Die Mehrheit arbeitet für eine Kombination von kleinen und großen Kunden, mit unterschiedlichen Graden der Abhängigkeit von letzteren.

Einkommen und Arbeitsbedingungen: Es gibt Hinweise darauf, daß die Selbständigen längere Arbeitszeiten als direkt angestellte Arbeiter haben (Creigh u.a., 1986). Ein Merkmal, daß in allen Interviews erwähnt wurde, waren die relativ langen Arbeitszeiten (siehe Tabelle). Viele arbeiten über 50 Stunden in der Woche, einige sprachen von bis zu 60 und 70 Stunden. Viele zählten dazu nicht Schätzungen über den Arbeitsaufwand von Familienmitgliedern, hauptsächlich aber nicht ausschließlich von Frauen; und ebenso nicht die Zeit, die sie für die Suche und Entwicklung von Kontakten aufwenden, über die sie an Aufträge kommen könnten. Keiner der Interviewten erwähnte, daß er bezahlten Urlaub einkalkuliert. Im Vergleich zu einer direkten Anstellung war bei ihnen daher die Arbeitszeit im Job länger und sie übernahmen zusätzlich Aufgaben der Verwaltung und Werbung, die in größeren Betrieben spezielle Funktionen sind. Danach gefragt, äußerten viele, daß die Kontinuität der Arbeit und des Einkommens ihre Hauptsorge war.

Obwohl klar ist, daß es im Jahr Phasen mit wenig Arbeit gibt, kalkulierten nur zwei der Interviewten (Partner eines High-Tech-Betriebs) solche »toten Zeiten« ein. Die meisten, die eine Preiskalkulation für ihre Arbeit machten, kalkulierten auf der Basis von Arbeitsstunden und -tagen, zuzüglich Material (falls geliefert), Gemeinkosten und einem Gewinn. Es ist kennzeichnend, daß die Mehrheit den Preis ihrer Arbeitskraft auf einer Stunden- oder Tagesbasis betrachteten, statt als ein Einkommen, daß über eine längere Periode gesichert werden muß. In einigen Fällen wurde gesagt, daß der verlangte Preis relativ elastisch sei, so daß die Arbeitskosten im Falle einer Knappheit gesenkt würden. Bei den im Einzelhandel Tätigen, die selber keine Güter oder Dienstleistungen liefern, beruhte die Kalkulation auf einem Preisaufschlag, der zur Sicherung eines bestimmten Einkommensniveaus erforderlich ist. Weniger als die Hälfte hatten eine Altersversorgung abgeschlossen und nur ein Viertel verfügte über irgendeine Form von Versicherung gegen Krankheit. Anders gesagt arbeitete also die Mehrheit mit der Annahme, sie würden nie krank werden und sie würden auch im Alter noch zu langen Arbeitszeiten fähig sein. Wenn die Interviewten über eine gute finanzielle Beratung durch Steuerberater verfügten, hatten sie steuerlich absetzbare Altersversorgungen abgeschlossen.

Unterschiedliche Antworten erhielten wir auf die Frage, wie sie ihr Einkommen mit dem entsprechender Lohnarbeiter vergleichen würden. Mehrere hatten keine Erfahrungen mit bezahlter Beschäftigung im UK, mit dem sie ihre Tätigkeit hätten vergleichen können. Die Tabelle zeigt, daß etwa die Hälfte weniger oder gleichviel wie den Lohn verdient. Zumindestens zwei antworteten, daß sie extrem ausgebeutet würden, und einer, der im wesentlichen als Freelancer für eine Beratungsagentur arbeitet, sagte, daß er niemandem einen Vertrag wie seinen eigenen empfehlen würde. Vielen war klar, daß ihr im Vergleich zu einer bezahlten Beschäftigung höheres Einkommen hauptsächlich auf der längeren Arbeitszeit beruhte. Auf die Arbeitsstunden umgerechnet würden sie wahrscheinlich weniger verdienen. Das wurde in Aussagen wie diesen ausgedrückt: »Wenn wir mit unseren Händen arbeiten, werden wir immer ein Auskommen haben, aber wir werden nie Geld verdienen.« »Was wir verdienen, sind nur Peanuts. Es ist eigentlich nur ein Lohn.« »Es gibt keine Vorteile bei der Selbständigkeit. Du hast eine größere Last mit der Sozialversicherung und der Mehrwertsteuer. Es gäng Dir besser, wenn Du arbeitslos wärst.« Im Gegensatz dazu gaben andere an, daß es ihnen mit dem eigenen Betrieb sehr viel besser ginge, und einer der Interviewten, der im High-Tech-Sektor arbeitet, meinte, er habe sein Einkommen verdoppelt. Nichtsdestotrotz liegen die wirklichen Vorteile, zumindest auf kurze oder mittlere Sicht, in dem Anreiz der Einkommenssteigerung durch lange Arbeitszeiten und in den steuerlichen Regelungen.

Verglichen mit direkter Beschäftigung kann die Selbständigkeit mehr Möglichkeiten bieten, das Einkommen durch Vergünstigungen zu ergänzen und/oder Steuern durch Barzahlung zu vermeiden. Während dies für einige der Selbständigen attraktiv wirken mag und eine Konkurrenz für stärker formalisierte Betriebe darstellen kann, schwächt es ihre Verhandlungsposition gegenüber Finanzinstituten und macht sie von Krediten der Lieferanten abhängig. Ebenso schwächt es ihre Verhandlungsposition gegenüber größeren Firmen. Im Baugewerbe ist zum Beispiel die Nichtbezahlung der Arbeit ein ständiges Problem, aber der Lieferer von Material und Arbeit kann seine Ansprüche nicht geltend machen, wenn es keine formellen Unterlagen über die Vereinbarungen gibt.

Die Befunde weisen daher darauf hin, daß für die Mehrheit der Selbständigen in dem Sample die Vorstellung eines Profits, sofern sie vorhanden ist, auf der Intensivierung der Arbeit beruht: das heißt, aufgrund von Selbstausbeutung (keine Entlohnung für die von einem selbst insgesamt gearbeitete Stundenzahl zu einem angemessenen Lohn) und der Ausbeutung der Familienarbeit, oft ohne Bezahlung. Es gibt jedoch auch Hinweise auf eine Unterbezahlung der Arbeit gemessen an den Kosten der Subsistenz und Reproduktion der Arbeitskraft über die gesamte Lebenszeit hinweg. Dies betrifft die Reproduktion der Selbständigen und ihrer Familien auf einem gesellschaftlich bestimmten Niveau, und die Ergänzung der Qualifikationen, die die heute Selbständigen in ihren früheren Jahren der direkten Beschäftigung erworben hatten. Im Baugewerbe gibt es mit Sicherheit einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Selbständigkeit und dem Absinken der Qualifikation (House of Commons Select Committee on Employment, 1987), und die Ergebnisse dieses Projekts weisen darauf hin, daß die selbständigen Arbeiter nicht in ausreichendem Maße die Aufsicht und Kontinuität gewährleisten können, um die Arbeit zu qualifizieren (Rainbird, 1990).

Die Ideologie des Unternehmens: Die wahrgenommenen Vorteile des Arbeitens auf eigene Rechnung klingen bei den schon seit langem und den erst seit kurzem selbständig Arbeitenden ähnlich: die Abwesenheit direkter Überwachung, die Möglichkeit größerer Kontrolle über Arbeitszeit und Arbeitsumgebung und die Vorstellung der Möglichkeit, Geld für sich selber statt für andere zu machen. Die Mehrheit der Interviewten sagte, daß sie nicht zu einer direkten Anstellung zurückkehren würden, einschließlich der Hälfte derjenigen, die angegeben hatten, daß ihre Einkommen niedriger oder vergleichbar einem Lohn sei. Das wirft die interessante Frage auf, wie die Ideologie des Unternehmens aufrechterhalten wird, während sie sich in Widerspruch zu der Erfahrung langer Arbeitszeiten und eines relativ niedrigen Einkommens befindet.

Eine Anzahl unterschiedlicher Elemente in der Erfahrung der Selbständigen trägt zu diesem Widerspruch bei. Dazu gehört die Abwesenheit von direkter Überwachung und Arbeitsdisziplin (die Disziplin wird innerlich statt äußerlich erzwungen, durch die Notwendigkeit, ein bestimmtes Maß an Arbeit und Einkommen aufrechtzuerhalten), eine ganzheitliche statt einer fragmentierten Arbeitserfahrung (Verwaltung, Kontakt mit Kunden und Lieferanten zusätzlich zur produktiven Arbeit) und das Gefühl, die Kontrolle über die eigene Arbeit zu haben (obwohl dies nur in geringem Maße der Fall ist und angesichts der Abhängigkeit von äußeren Quellen der Arbeit etwas illusorisch). Außerdem wurde die Befriedigung darüber erwähnt, für sich selber zu arbeiten, Geld zu machen und aufgrund der eigenen Anstrengungen Erfolg zu haben. Viele hatten Spaß an ihrer Arbeit und fanden es befriedigend zu wissen, daß sie ihren eigenen Betrieb führen konnten. Die Möglichkeit, viel Geld zu machen, war auch eine starke Motivation; eine Handvoll der Interviewten hat bereits ein hohes Einkommen, wie die Tabelle zeigt, aber diejenigen, die manuelle Arbeiten verrichten, sind sich bewußt darüber, daß die gegenwärtig hohen Verdienste von sehr langen Arbeitszeiten abhängen, zu denen sie im Alter nicht mehr fähig sein werden. Das gilt insbesondere für die Baugewerbe, in denen es um körperliche Arbeit geht.

Die Ideologie wird auch von einer Generation an die nächste weitergegeben, obwohl es nur vier Beispiele gab, wo die Kinder ihren Eltern in das selbe Geschäft folgten. Im Sample gab es wenige Hinweise darauf, daß die Beziehungen zwischen den Generationen die Entscheidung zur Selbständigkeit beeinflußen. Stattdessen scheint das Wissen über den kürzlichen Einstieg in die Selbständigkeit von Freunden, früheren Arbeitskollegen oder Familienmitgliedern einen Einfluß zu haben. Von den Interviewten hatten sich neun zu Selbständigkeit entschlossen, während sie beschäftigt waren, und vier Frauen während sie Vollzeit-Hausfrauen waren. Fünf Interviewte waren schon immer Selbständige, drei von ihnen waren im Ausland geboren und ausgebildet worden und hatten dort gearbeitet. Zwei waren auf Druck ihres Arbeitgebers selbständig geworden. In drei Fällen war die Entscheidung im Hinblick auf anstehende Entlassungen getroffen worden und bei den Übrigen nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit. Es ist also klar, daß konjunkturelle Faktoren, die auf der einen Seite Selbständigkeit [self-reliance] und Unternehmertum betonen, und auf der anderen Selbständigkeit [self-employment] durch konkrete Maßnahmen fördern, einen Einfluß auf die Entscheidung gehabt haben, selbständig zu werden und es zu bleiben.

Schlußfolgerungen

In diesem Kapitel sind die Produktionsbeziehungen der Selbständigen in Hinblick auf ihre Position bezüglich des größeren Kapitals untersucht worden. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob sie als Kleinunternehmer mit der Fähigkeit zu unabhängiger Akkumulation und Wachstum betrachtet werden können, oder ob sie eher eine Form von verdeckter Lohnarbeit darstellen. Phänomene wie Heimarbeit und Arbeitsverleih haben wir außer acht gelassen, wo sich hinter dem formalen Erscheinen als Kleinunternehmer klar und unzweideutig extrem ausbeuterische Verhältnisse verbergen, die leicht als eine Form der verdeckten Lohnarbeit auf der Basis von Stücklohn erkannt werden können. Stattdessen ging es hier um Individuen, die Kapital und Arbeit in den Produktionsprozeß einbringen.

Das zentrale Argument war, daß die Annahme unzureichend ist, die bloße Existenz von kleinem Kapital sei ein Hinweis auf die Möglichkeit, Mehrwert herauszuziehen und zu akkumulieren. Vielmehr ist die Beziehung zwischen Arbeit und Kapital entscheidend und die Art und Weise, in der diese Beziehung es dem Kapital ermöglicht, sich den von der Arbeit produzierten Mehrwert anzueignen. In vielen Fällen besteht das von den Selbständigen bereitgestellte Kapital aus Werkzeugen und Material. Häufiger besteht die verkaufte Ware aber in einer spezialisierten Form von Arbeit, außer in den Fällen der Einzelhändler, die am Zirkulationsprozeß beteiligt sind. Die hier dargestellten Ergebnisse weisen darauf hin, daß die Mehrheit der Selbständigen lediglich ihre Subsistenz verdienen, auch wenn sie einen gewissen Spielraum haben, sich aufgrund ihres Kapitals, durch Selbstausbeutung und durch die Beschäftigung von Arbeitskraft Mehrwert anzueignen und eigenes Kapital zu akkumulieren. Aber das Ausmaß des Subunternehmertums für größere Firmen zusammen mit der Abhängigkeit von Lieferanten (zum Beispiel durch Arbeit auf Kommission) legt nahe, daß der Wert hauptsächlich von den Selbständigen zu den größeren Firmen fließt. Und zwar deswegen, weil diese die Arbeit in diskreten Portionen kaufen, keine aufgehäuften Lohnzusatzkosten haben, und das Problem Aufträge zu finden, auf die Selbständigen abwälzen, die Kunden für ihre Arbeit finden müssen, um die Kontinuität von Arbeit und Einkommen zu sichern. Daß größere Firmen durch das Subunternehmertum ihre Kosten senken können, ist in der Studie von Evans und Lewis (1989) über das Baugewerbe nachgewiesen worden. Die Auftragsvergeber nannten übliche Einsparungen von 20 bis 30 Prozent in den Preisangeboten der Subunternehmer im Vergleich zu den Kosten auf Basis der eigenen Arbeitskraft. Das selbe Prinzip kommt zur Anwendung, wenn die Selbständigen ihrerseits Aufträge an prekäre Arbeiter oder Selbständige vergeben. Daher ist das Gesamtergebnis der anwachsenden Selbständigkeit eine Senkung der Arbeitskosten.

Angesichts dieser Befunde ließe sich die These vertreten, daß die Selbständigkeit eine Form versteckter Lohnarbeit bildet. Kurzfristig mag die Selbständigkeit in einigen Fällen das Einkommen erhöhen und zur Akkumulation von Kapital führen. Aber dieses Wachstum von kleinem Kapital wird nur durch Selbstausbeutung und Herabdrücken der Arbeitskosten erreicht. Diese Strategie der Arbeitsintensivierung macht kaum produktivitätssteigernde Investitionen möglich und erlaubt es den Selbständigen nur, untereinander zu konkurrieren, nicht aber mit profitablerem Kapital mit höherer Produktivität. Sie als kapitalistische Unternehmer zu bezeichnen, ist daher höchst irreführend.

Damit soll - angesichts der historischen Erfahrungen - nicht gesagt werden, daß die Selbständigen sich automatischerweise selber als Lohnarbeiter ansehen. In einer Phase der Rezession und Umstrukturierung kommt es zu komplexen Prozessen der Neuzusammensetzung von Klassenstrukturen. Aber wie Gerry ausführt, um die These vom »Verschwinden der Arbeiterklasse« zu widerlegen, ist es wichtig eine politische Antwort auf die Bildung von Kleinbetrieben zu entwickeln, ohne »den subjektiven Aspekten des Bewußtseins Vorrang gegenüber den objektiven Faktoren einzuräumen, die dieses Bewußtsein bedingen« (Gerry, 1985, S. 315f.). Eine Untersuchung der Dynamiken in der Beziehung zwischen kleinem und großem Kapital muß der Ausgangspunkt dieses Prozesses sein.

Tabelle

Literatur:

Bechhofer, F. u.a. (1974): »The Petit Bourgeoisie in the Class Structure: The Case of Small Shop Keepers«. in: Parkin, F. (Ed.): Social Analysis of Class Structure. London: Tavistock.

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