Wildcat-Zirkular Nr. 56/57 - Mai 2000 - S. 6-12 [z56ejido.htm]


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El Ejido, Andalusien, Februar 2000

Zur den Ausschreitungen gegen marokkanische ArbeitsmigrantInnen in El Ejido, Andalusien, haben wir zwei Artikel. Der erste, Über billiges Gemüse und Arbeitsmigration, ist von uns und geht genauer auf die Vorgeschichte und die nicht nur lokalen Hintergründe ein. Den zweiten Artikel, »Ketchup al Ejido«, haben wir von der Gruppe Demontage aus Hamburg bekommen. Er berichtet vor allem über Entwicklungen nach den Überfällen und über die Organisierung der ArbeitsmigrantInnen.

An den Ereignissen in El Ejido wird der Zusammenhang von Ausbeutung, Rassismus und »Ausländerpolitik« auf dem Hintergrund einer modernen Agrarproduktion besonders deutlich. Die UN stellte kürzlich Berechnungen darüber an, wieviele Einwanderer die kapitalistischen Staaten brauchen, um die Zahl der Erwerbstätigen konstant zu halten. Für die BRD wird diese notwendige Replacement Migration auf 500 000 Einwanderer pro Jahr geschätzt, für Italien auf 350 000. Für Spanien, das die niedrigste Geburtenrate der Welt hat, werden Zahlen im zweistelligen Millionen-Bereich bis zum Jahre 2025 gehandelt. Die spanische Regierung hat im Oktober 1999 einen ersten Vertrag mit Marokko abgeschlossen, der die Einreise von 300 000 Männern zwischen 18 und 45 Jahren für ein Jahr erlaubt, um in der Landwirtschaft oder auf dem Bau zu arbeiten. In allen drei genannten Ländern gibt es jeweils Millionen von arbeitslosen »Inländern«, die offensichtlich keinen Bock haben, in den entsprechenden Industrien zu arbeiten und staatlicherseits auch nicht gezwungen werden können oder sollen.

In der aktuellen Green Card-Debatte in Deutschland schieben sich die Parteien gegenseitig den Schwarzen Peter zu bzw. wollen alle die guten Menschen sein. Es ist nur noch eine Fußnote der Geschichte, daß bei den Grünen vor ungefähr zehn Jahren ein Einwanderungsgesetz mit Quotenregelung eben wegen der Quoten heftig umstritten war. Heute sind diese Quoten selbstverständlich, und sie setzen sich genauso wie alle anderen Parteien dafür ein, daß Einwanderung ausschließlich nach der Nützlichkeit »für die Wirtschaft« zu beurteilen sei. Gleichzeitig empören sich die »demokratischen« Regierungen Europas heute gerne gegen die »ausländerfeindliche« neue Regierung in Österreich. Umso wichtiger ist es, diesen »antifaschistischen Gebärden« den Boden zu entziehen, in dem wir auf den untrennbaren Zusammenhang von Ausbeutung, Staat und Rassismus bestehen. Sonst landen wir bei Vorstellungen, wie sie in einem Artikel einer antifaschistischen Zeitung auftauchen, aus dem wir stellvertretend für viele andere zitieren wollen. Nach einer Darstellung der Auschreitungen in El Ejido zieht der Artikel ein Zwischenfazit:

»(...) Trotz aller Ähnlichkeit zu den bekannten Pogromen der letzten zehn Jahre in Deutschland, zeigen sich jedoch bei genauerem Hinsehen deutliche Unterschiede. Obwohl auch in öffentlichen Diskursen und Stammtischen von den »kriminellen« Nordafrikanern gesprochen wird, obwohl schon in früheren Jahren in El Ejido und Umgebung rassistische Übergriffe verübt wurden, ist jene Region ganz essentiell von der Präsenz der - vornehmlich marokkanischen - Arbeitsimmigranten abhängig. Anders als Deutschland mit seiner kontinuierlichen Abschottungspolitik setzt Spanien derzeit durchaus auf einen Zuzug von billigen Arbeitsimmigranten für den Einsatz in bestimmten gesellschaftlichen Sektoren. (...)
Die Agrarunternehmer waren verständlicherweise an der Aufrechterhaltung dieser für sie so paradiesischen Zustände interessiert, sahen sich jedoch ausgerechnet durch das am 1. Februar in Kraft tretende neue Ausländergesetz gestört. Die neuen Bestimmungen sollen nämlich etwa 80 000 Flüchtlingen und Arbeitsmigranten, die vor dem 1.Juli nach Spanien gekommen waren, eine Legalisierung ihres Aufenthaltes ermöglichen. Damit soll ihnen auch der überfällige Zugang zur sozialen und medizinischen Versorgung, zu Bildung, und kommunalen Wahlrecht des Landes gewährt werden. Die Arbeitgeber werden damit gezwungen, auch den Migranten einen gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen, und Abgaben für die Sozialversicherung zu entrichten (...). Mit ihrer Wut über das Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes dürften die Obst- und Gemüsebauern selbst somit eine wichtige Stütze des rassistischen Mobs in El Ejido gewesen sein.«

Nun gibt es sicher Unterschiede in der staatlichen Politik zwischen Spanien und Deutschland, aber die haben andere Gründe als es uns der Artikel sagen will. Deutschland ist - anders als Spanien (siehe unten) - seit langem ein Einwanderungsland und arbeitet seit langem mit »dem Einsatz von ArbeitsmigrantInnen für bestimmte Sektoren«, z.B. mit Kontingent- oder Werkverträgen für den Einsatz auf dem Bau und in der Landwirtschaft. Wir wollen auch nicht bestreiten, daß das neue Ausländergesetz den »Agrarunternehmern« in El Ejido ein Dorn im Auge ist. Über die Regulierung der Arbeitsmigration muß nicht notwendig Einigkeit zwischen Staat und allen Klein- oder Mittelunternehmern bestehen.

Um die Untersuchung der Wirklichkeit oder der Widersprüche geht es aber dem Artikel gar nicht. Es soll nur hinten rauskommen, war vorher schon klar war: ein Weltbild, das nur eine Hierarchie der Rassisten aufmachen will, und dabei den spanischen Staat als antirassistischer als den deutschen rausarbeiten muß. Daß der deutsche Staat dabei schlecht wegkommt ist uns ziemlich egal; egal ist uns aber nicht, daß solch ein Rassismusbegriff in der Sackgasse landen muß: das beste was den MigrantInnen passieren kann ist, in Bereichen zu landen, in denen die »Inländer« nicht arbeiten wollen, und die hoffentlich mittels Regulierungen und staatlichen Gesetzen etwas erträglicher gestaltet werden. Wobei dann schon vergessen wird, daß zwischen einem gesetzlich festgeschriebenen Mindestlohn und dem, was die Leute tatsächlich bekommen, meist ein ziemlicher Unterschied besteht.

Die ArbeiterInnen aus El Ejido zeigen einen Ausweg aus der Sackgasse aus Anklage des vorhandenen Rassismus und dem Ruf nach staatlicher Regulierung: »Der Kampf der Arbeiter von El Ejido, ihre Selbstorganisierung, ihr Streik sind eine würdige Antwort und ein Beispiel, wie gegen Rassismus und Ausbeutung zu kämpfen ist«, proklamierte ein Sprecher der neugegründeten Immigrantenplattform auf einer Demo in Madrid.


Über billiges Gemüse und Arbeitsmigration

Vor den Berichten über die Ausschreitungen ist in Deutschland das Gemüse aus El Ejido angekommen: auch im Winter können nun relativ billige Paprikaschoten oder Tomaten aus dem Süden Spaniens gekauft werden. In den Pressemeldungen wurden neben dem Entsetzen und der Erleichterung darüber, daß es »nur« 22 Verletzte und keine Toten gegeben hat, auch schon »die Gründe« mit geliefert, die auf der Hand zu liegen scheinen: ein fast schon »historischer« Rassismus gegenüber Menschen aus dem Maghreb, der in der konkreten Situation - miese Arbeitsbedingungen und eine mit Ghettos vergleichbare Lebenssituation -zum »Ausbruch« kommen mußte.

Die Überfälle in der Provinz Almería ereignen sich am Schnittpunkt mehrerer Entwicklungen. Seit Ende der 70er Jahre wurde dort eine neue Art von Gemüseproduktion aufgebaut, die in der ehemaligen Armutsregion eine Art Goldgräberstimmung auslöst; eine Produktion, für die sich keine einheimischen ArbeiterInnen finden, die eingewanderte ArbeiterInnen benötigt. Über die Regulierung dieser Einwanderung oder Wanderarbeit streitet der spanische Staat und die spanische Gesellschaft: die Militarisierung der Südgrenze der EG und die Verabschiedung eines scheinbar liberalen Einwanderungsgesetzes im Dezember 1999 sind zwei Seiten derselben Medaille. Schon Wochen vor den Ereignissen im Februar erhalten die lokalen »Bauernunternehmer« in EL Eljido Hinweise auf einen mittelfristig beabsichtigten Austausch der bisherigen marokkanischen Arbeitskräfte (siehe unten). Die Stärke der GemüsearbeiterInnen, die sich in ihrem Streik als Antwort auf die Überfälle zeigte, deutet darauf hin, daß es bei den Angriffen gezielt darum ging, die ArbeiterInnen in ihre Schranken zu verweisen.

Gemüseproduktion und Arbeitsmigration in Almeria

El Ejido im andalusischen Almería: vor 20 Jahren noch ein Kaff von 500 Einwohnern, in dessen wüstenartiger Umgebung Italowestern gedreht wurden. Wiederum 20 Jahre vorher waren aus dieser Region viele Menschen nach Deutschland, Frankreich oder in die nordspanischen Industrieregionen zum Arbeiten ausgewandert.

Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre kehrten die ersten dieser Auswanderer zurück, nachdem sie jahrelang durch ihre Geldüberweisungen dazu beigetragen hatten, daß ihre Familien den kleinen Landbesitz nicht hatten verkaufen müssen. Die Abfindungen der Rückwanderer waren das Kapital, um Wasserpunpen und Plastikhallen auf das ausgedörrte Land zu stellen: aus Arbeitern wurden landwirtschaftliche Kleinunternehmer in der Produktion von Treibhausgemüse; sie fingen bald an, Landarbeiter aus Marokko zu beschäftigen.

Heute ist El Ejido eine Stadt mit 50 000 Einwohnern: 7000 Kleinunternehmer besitzen durchschnittlich 1,4 Hektar (d.h. 14 000 qm); sie beschäftigen pro Hektar im Durchschnitt einen der in El Ejido lebenden 12.000 marokkanischen bzw. schwarzafrikanischen Arbeiter, von denen die Hälfte illegal im Land ist.

Insgesamt bedecken 10.000 Treibhäuser eine Fläche von 17.000 ha. Der Umsatz mit landwirtschaftlichen Produkten beträgt 3-4 Mrd. DM im Jahr, Almería/El Ejido hat das höchste Pro-Kopf-Einkommen und die niedrigste Arbeitslosenquote ganz Spaniens. Gleichzeitig wird aber auch von einer hohen Verschuldung dieser »neureichen Bauernunternehmer« berichtet. Ihr Wohlstand ist von einer noch billigeren Konkurrenz bedroht: Gemüse aus Marokko - ob die wirksam wird, hängt von den EG-Einfuhrbestimmungen ab. Deshalb ist der neue Wohlstand in Almería an die Verfügbarkeit über billige ArbeiterInnen gebunden.

Die Arbeitsmigranten leben in ihrer überwiegenden Zahl in völligen Bruchbuden, Autowracks oder bloß unter Hütten aus Plastikplanen, oft ohne Wasser und Strom. Nur wenige von ihnen wohnen auf dem Grundstück ihres Patrons. Es gibt in El Ejido ein paar Straßenzüge mit marokkanischen Geschäften. Die Ghettosituation wird dadurch verschärft, daß im überwiegend »spanischen« Teil der Stadt die moros (Schimpfwort für die Marokkaner) nicht gerne gesehen und auch in keinem Café bedient werden.

Die meisten Arbeiter sind Tagelöhner, sie werden jeden Morgen auf einem der zentralen Plätze der Stadt neu rekrutiert, der Chef lädt sie sich auf seine Pick-up. Manche bekommen auch die Zusage, für mehrere Tage bleiben zu dürfen. Ihre Löhne liegen bei 3000 und 4000 Pesetas (36-48 DM) für ca. neun Stunden Arbeit pro Tag, der offizielle Mindestlohn beträgt 4500 Pesetas (ungefähr 54 DM). Oft werden den Arbeitern noch die Kosten für eine schäbige Unterkunft vom Lohn abgezogen. Die Nähe zum Mindestlohn relativiert sich dadurch stark, daß die Arbeiter oft nur einige Tage im Monat beschäftigt werden.

Die Situation spitzt sich zu...

Ende Januar 2000 schnitt einer der Tagelöhner zwei Treibhausbesitzern die Kehle durch. Die Stimmung in El Ejido war sehr angespannt, es gab eine Großkundgebung, die örtlichen Radiostationen hetzten gegen die »unkultivierten moros«. Am 4. Februar bringt ein Marokkaner, der später als psychisch krank bezeichnet wird, eine Spanierin um. In den drei darauffolgenden Tagen beginnt die Hetzjagd auf alle Tagelöhner. Viele werden verletzt. Ihre Hütten, Autos und Geschäfte werden niedergemacht, die wenigen »ausländerfreundlichen« Institutionen angegriffen. All das wird organisiert von örtlichen PP-Funktionären, ein paar bekannten Faschos der Region, sowie den örtlichen Medien. Berichte über das Ausmaß der Beteiligung der Bevölkerung bleiben widersprüchlich. Zumindest eine große Anzahl muß aktiv dabei gewesen sein, anders läßt sich nicht erklären, daß die Arbeiter sich nur vereinzelt wehren, viele von ihnen aber in die umliegenden Berge fliehen und einige bis heute nicht zurückgekehrt sind. Während der Hetzjagd halten sich die örtlichen Bullen raus, sie haben dazu sogar offizielle Anweisung von oben.

... Streik der ArbeiterInnen

Aber die marokkanischen Tagelöhner sind nicht nur auf der Flucht und in der Verteidigung. Sie schlagen mit dem ihnen gebliebenen und während der laufenden Ernteperiode sehr effektiven Mittel Streik zurück. Am Tag nach dem Ende der Hetzjagd wird in den allermeisten Treibhäusern nicht gearbeitet, zur Durchsetzung des Streiks werden Posten aufgestellt. Die eher auf Integration bedachten Migrantengruppen ATIME (Asociación de Trabajadores e Inmigrantes Marroquíes en España) und AEME (Asociación de Inmigrantes Marroquíes en España) beteiligen sich an der Organisation des Streiks.

Die Streikposten sind nötig, denn die Grundbesitzer versuchen, entweder mit Familienangehörigen die Ernte einzubringen oder sie beginnen, rumänische oder russische Arbeiter als Ersatz zu rekrutieren. Inzwischen sind starke Polizeikräfte vor Ort, die mit Geländewagen auf den unzähligen Wegen zwischen den Treibhäusern patrouillieren. Streikposten werden festgenommen, wenn es zu tätlichen Auseinandersetzungen kommt.

Der Streik dauert fünf Tage. Währenddessen spricht sich die örtliche PP mehrere Male für die sofortige Ausweisung aller Illegalen aus. Die marokkanischen Migrantenorganisationen, Unternehmer, die Gewerkschaften CCOO und UGT sowie regionale Regierungsvertreter einigen sich nach langen Verhandlungen auf ein Abkommen zur Beendigung des Streiks:

Am 14. Februar gehen die Arbeiter zum ersten Mal wieder in die Treibhäuser. In der ersten Woche nach der Arbeitsaufnahme zeigt sich deutlich, daß es starke Kräfte gibt, die alles tun, um die Situation weiter zuzuspitzen: das Rote Kreuz bekommt in El Ejido keine Plätze, um die verabredeten Zelte für die Notunterkünfte aufzustellen; ein Unternehmer, der privaten Boden zur Verfügung stellen will, zieht auf Druck zurück; 8500 Einwohner El Ejidos unterschreiben eine Petition gegen die Zelte in der Stadt. Schließlich werden einige von ihnen in großer Entfernung von den Treibhäusern aufgestellt, so daß die Arbeiter einen langen Anmarsch zu ihren Arbeitsorten haben. Geschäfte gibt es in der Nähe dieser Schlafplätze nicht. Viele Arbeiter weigern sich, unter diesen Bedingungen zu leben (und zu arbeiten), und die Unternehmer rekrutieren weiter neue Arbeitskräfte unter den in der Region lebenden Russen und Rumänen; das Büro zur Regularisierung der sin papeles (die ohne Papiere) in El Ejido wird in der Polizeistation eingerichtet!

In den überregionalen spanischen Medien wurden die Überfälle von El Ejido als ausländerfeindliche, rassistische Ausschreitungen qualifiziert. Ein ebenso wichtiger Hintergrund wurde meistens nur am Rande gestreift:

Spanien ist in den letzten 20 Jahren langsam von Auswanderungs- zum Einwanderungsland geworden. Erst im Oktober 1999 hatte die spanische Regierung einen Vertrag mit Marokko ausgehandelt, der für ein Jahr die Einreise von 300 000 Männern zwischen 18 und 45 erlauben soll. Im Vergleich zu früheren Jahren ist dieses Kontingent verzehnfacht worden.

Der Ausländeranteil ist mit einer Million von insgesamt 40 Millionen Einwohnern (also 2,5 Prozent, inklusive der geschätzten 300 000 »illegalen« sin papeles) im europäischen Vergleich zwar niedrig, aber die Landwirtschaft im Süden sowie die boomende Baubranche funktionieren trotz hoher Arbeitslosigkeit nicht ohne Migration: es kursieren Schätzungen, nach denen Spanien jährlich eine Million MigrantInnen für die Ernte braucht - Almería hat etwa 50 000 MigrantInnen, die Bauern forderten weitere 8200 und bekamen 3000 bewilligt. Also arbeiten die meisten illegal. Feste Jobs werden verkauft. 1000 DM zahlt der/die ArbeiterIn, der Bauer nochmal 500 DM. Auf illegale Beschäftigung stehen hohe Strafen, die aber nicht zur Anwendung kommen.

Kurz vor den Auseinandersetzung, Ende 1999, war im Parlament ein neues Einwanderungsgesetz verabschiedet worden, das am 1.2.00 in Kraft getreten ist. Es handelt sich im wesentlichen um die Fortschreibung des alten Überwachungsgesetzes, sieht aber ein Ausnahmeverfahren zur Regularisierung derjenigen Illegalen vor, die vor dem 1.6.99 im Land waren.

Gleichzeitig kommt es zu einem Ausbau der Grenzeinrichtungen im Süden, der an die Anlagen an der berüchtigten Grenze zwischen den USA und Mexiko erinnert. Allein 1999 sollen 280 Leute bei der Überfahrt umgekommen sein. Es gab Aufstände auf den »Abschiebefähren« über die Meerenge von Gibraltar.

In den Wochen vor dem Inkrafttreten des Gesetzes haben die lokalen Behörden in vielen Regionen Spaniens versucht, noch möglichst viele Abschiebungen vorzunehmen. In El Ejido ging die PP-Verwaltung in dieser Phase so weit, denjenigen Unternehmern, die sich wegen der Regularisierung der marokkanischen Arbeiter erkundigen wollten, mitzuteilen, daß diese nicht mehr nötig sei, da man die marokkanischen Arbeiter bald durch Kontingente aus Osteuropa ersetzen wolle. Dieses Vorgehen war auch Thema auf einem Treffen zwischen Unternehmern und Innenminister Oreja.

Nachdem die PP landesweit am 12. März die Wahlen gewonnen hatte, machte sie sich in El Ejido (dort bekam sie über 60 Prozent) für die sofortige Reformierung des Einwanderungsgesetzes stark.

Die »Unruhen« von El Ejido waren dabei ein willkommenes Argument für die Ersetzung der »aufrührerischen moros« durch Osteuropäer. Ein regularisierter Arbeiter könnte eher seine Rechte einfordern, den Mindestlohn (s.o.) plus Sozialversicherung.

Die Fähigkeit der ArbeiterInnen, sich zumindest zeitweise zu einem Streik zusammenzuschließen, war für Behörden und Unternehmer darüberhinaus die Bestätigung, daß sie nach einer 20jährigen Einwanderungstradition rigoros rausgeschmissen werden müssen.

ma./n.

Unsere Quellen waren El Mundo, El País, El Periódico, Ardi Beltza (spanisch-baskisch), Frankfurter Rundschau, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Zeit und besonders eine Diskussionsveranstaltung in Berlin mit Leuten, die in El Ejido waren.


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