Wildcat-Zirkular Nr. 56/57 - Mai 2000 - S. 84-102 [z56rothb.htm]


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Ökonomisches Gesetz und Klassenkampf
- die Grenzen der Ökonomie Matticks

(leicht gekürzte Übersetzung) [Originalfassung: The Limits Of Matticks Economics - Economic Law and Class Struggle]

Ron Rothbart

Das Verdienst Matticks, sein marxistischer Ansatz, im Vergleich zu dem Baran und Sweezy fast als Keynesianer dastehen, ist zugleich sein Mangel, zumindest bezeichnet es die Grenzen seiner Perspektive. Mattick sagt, wir können die Dynamik des Kapitalismus verstehen, wenn wir die Gesetze der kapitalistischen Akkumulation kennen. Diese Gesetze führen letztenendes den Akkumulationsprozeß in eine Sackgasse, zu einem Punkt, wo die Profite nicht mehr für die weitere Akkumulation ausreichen. Der staatliche Eingriff kann die klassischen Widersprüche des Kapitalismus nicht lösen und ist lediglich das Eingeständnis, daß sie fortdauern. Der Widerspruch erscheint heute als monströses Wachstum von unproduktiven Ausgaben. Die »gemischte Wirtschaft« hat, genauso wie die Marktwirtschaft, ihre eigenen Grenzen, die von ihren inneren Widersprüchen bestimmt werden. Früher oder später werden diese Widersprüche unüberwindbar. Dann kann sich der Klassenkampf verschärfen und einen revolutionären Charakter annehmen. Die Möglichkeit der Revolution hängt von den inneren Widersprüchen der Ökonomie ab.

In dieser Art von Analyse kommt die Arbeiterklasse nur stillschweigend vor. Das heißt, in der Zusammenbruchstheorie wird ihr Manifestwerden als revolutionäre Klasse vorweggenommen oder sogar impliziert (wenn die anderen Bedingungen bezüglich ihrer subjektiven Kapazitäten gegeben sind), aber bis zu diesem Punkt scheint ihr Kampf keine qualitativen Auswirkungen auf die Ökonomie zu haben. Der Kampf um die Löhne und Arbeitsbedingungen spielt sich innerhalb der Grenzen des Wertgesetzes ab. Die Gesetze der Akkumulation - besonders das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate -, welche die Dynamik des Systems bestimmen, schließen diesen Kampf ein als Kampf um die Ausbeutungsrate, eine der Variablen der Akkumulation. Somit wäre der Klassenkampf beherrscht von den »Bewegungsgesetzen« der Ökonomie und würde diese nicht verletzen.

Eine alternative Theorie, welche den Klassenkampf als dynamischen Faktor des Kapitalismus postuliert, wurde Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre von Cornelius Castoriadis entwickelt, dem Haupttheoretiker der französischen Gruppe Socialisme ou Barbarie [1]. In neuerer Zeit hat die von theoretischen Strömungen aus Italien beeinflußte amerikanische Zeitschrift Zerowork eine Analyse der gegenwärtigen Krise veröffentlicht, die gewisse Ähnlichkeiten mit dem Ansatz von Castoriadis aufweist. Auch Glyn und Sutcliffe in Großbritannien stellen in ihrem Buch British Capitalism and the Profit Squeeze [2] eine Interpretation der britischen Situation Ende der 60er Jahre vor, die jener von Castoriadis und Zerowork ähnelt. Nicht zufällig hat David Yaffe, der stark von Mattick beeinflußt ist, diesen Ansatz kritisiert. Ich könnte noch weitere Tendenzen und Autoren in die Analyse einzubeziehen, doch ich werde im folgenden Mattick als Vertreter der einen Tendenz und Castoriadis sowie Zerowork als Vertreter der entgegengesetzten Tendenz benutzen.

Diese Meinungsverschiedenheit geht auf die 30er Jahre zurück, als Karl Korsch die Vorstellung entwickelte - und später zurückwies -, nach 1850 habe sich Marx immer mehr zum Deterministen verwandelt und den Klassenkampf ignoriert. Am Ende sagte Korsch, es handele sich nur um einen Unterschied in der Betonung und der Marx des Klassenkampfs ergänze sich mit dem des »Widerspruchs zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen«.

Castoriadis hingegen betrachtete Marx als Deterministen und leitete daraus ab, daß die ökonomischen Theorien von Marx keine Geltung haben. Ich werde an dieser Stelle nicht die Argumente von Castoriadis gegen Marx vertiefen. Es sei dahingestellt, ob sie stimmen oder nicht, wichtig ist die Motivation seines Anti-Marxismus. Er wollte dem, was allgemein und im Alltagsbewußtsein unter »Marxismus« verstanden wird - Determinismus und ökonomischer Reduktionismus - einen »neuen« theoretischen Ausgangspunkt entgegenstellen. Die Krise der Gesellschaft hielt er nicht für rein ökonomisch, sondern für die Krise eines ganzen sozialen Gebäudes, die jeden Mann und jede Frau in ihrem alltäglichen Leben betrifft. In Castoriadis' Denken sind nicht die Widersprüche des ökonomischen Systems entscheidend, sondern all das, was vermittels der Selbsttätigkeit der Menschen zur radikalen Veränderung der Gesellschaft drängt. »Die Selbsttätigkeit ist die zentrale theoretische Kategorie«, hebt er hervor. Eine parteiische Lektüre von Marx würde natürlich zeigen, daß die Selbsttätigkeit die wirkliche Negation des Kapitals ist, die zentrale Kategorie seines Werks. Aber Castoriadis stellt in seiner nicht parteiischen Lektüre diese Kategorie den Marx'schen ökonomischen Gesetzen entgegen.

Castoriadis hält die ökonomischen Theorien von Marx für obsolet, weil die Selbsttätigkeit darin nicht berücksichtigt wird. Entgegen den Erwartungen von Marx ist die Ausbeutungsrate (was der Mehrwertrate entspricht) nicht kontinuierlich gestiegen, sondern in den entwickelten kapitalistischen Ländern über einen gewissen Zeitraum konstant geblieben. Was Marx laut Castoriadis nicht berücksichtigt hat, ist die Macht der Arbeiterklasse, durch Kampf eine ständige Erhöhung der Löhne zu erreichen. Darüberhinaus ist der Kapitalismus trotz dieser Erhöhung nicht zusammengebrochen, sondern prosperiert weiterhin.

Durch die Ausweitung des Binnenmarkts und das bewußte Eingreifen des Staats in die Wirtschaft kann sich das System aufrechterhalten; es gibt zwar zyklische Rezessionen, aber keine tiefen Wirtschaftskrisen; mehr darf man sich auch nicht erwarten, allein aufgrund der unlösbaren Widersprüche des Akkumulationsprozesses. Wenn das System in die Krise kommt, so aufgrund der Widersprüche, die aus der Bürokratisierung der Gesellschaft entstehen, in der Castoriadis die wesentliche Tendenz des Kapitalismus sieht, und aus dem Klassenkampf, der für Castoriadis die wahre Dynamik des Kapitalismus ist.

In seiner Einleitung zur 1974er Ausgabe von Moderner Kapitalismus und Revolution sieht Castoriadis keinen Grund, den eigenen Standpunkt zu ändern. Die prinzipielle Ursache für die hohe Inflationsrate sieht er sowohl im »wachsenden Druck ... der Lohnabhängigen zu höheren Löhnen, weniger Arbeitszeit und im wachsenden Maß für Veränderungen der Arbeitsbedingungen«. Dieser Anstieg der Inflationsrate aufgrund der sozialen Kämpfe zusammen mit anderen irrationalen Faktoren, die er für »der Ökonomie äußerlich« hält (z.B. politisch motivierte Entscheidungen eines Präsidenten), könnte zu einer schweren weltweiten Wirtschaftskrise führen, behauptet Castoriadis, aber diese »wäre nicht das Produkt jener Faktoren, welche nach marxistischem Verständnis grundlegend wirksam sind«.

Ende 1975 erschien die Zeitschrift Zerowork mit einer Analyse der gegenwärtigen Krise, die wie Castoriadis die Betonung auf den Klassenkampf legt: »Aus dem Blickwinkel des Kapitals betrachtet scheinen alle Krisen aus einem geheimnisvollen Geflecht wirtschaftlicher Gesetzmäßigkeiten und Beziehungszusammenhänge hervorzugehen, die sich mit Eigenleben bewegen und entwickeln. ... Unsere Untersuchung geht vom entgegengesetzten Blickpunkt aus, dem der Arbeiterklasse. Als Klassenbeziehung heißt Kapital in erster Linie Machtkampf. Seine sogenannten Krankheiten befallen das Kapital nicht von innen her - ebensowenig wie seine Krisen: bestimmender Faktor ist die Kampfdynamik der Arbeiterklasse ... Für die Linke ist es undenkbar, daß die Arbeiterklasse die Krise herbeigeführt hat. Die Klasse soll vielmehr unschuldiges Opfer der inneren Widersprüche des Kapitals sein, ein untergeordnetes Element in einem widersprüchlichen Ganzen. Deshalb besteht die Hauptbeschäftigung der Linken in der Verteidigung der Arbeiterklasse.« [3]

Zerowork sah im Keynesianismus eine Strategie, die aus den vorhergehenden Kämpfen entstanden war und sich auf eine neue Beziehung zur Arbeiterklasse gründete. Die »Vollbeschäftigung« ist dem Kapital aufgezwungen worden. Die kapitalistische Gegenstrategie bestand darin, die Lohnerhöhungen durch die Inflation aufzufangen, den Binnenmarkt auszuweiten und Produktivitätskontrollen einzurichten. Der Kampfzyklus der 60er und frühen 70er Jahre ist geprägt von der »Verweigerung der Arbeit« und tendiert dazu, das Einkommen von der Arbeit zu trennen (wobei die strategische Einheit der Entlohnten und Nicht-Entlohnten eine wesentliche Rolle spielt); er zwingt dem Kapital die neue Krise auf. Ständig wachsende Einkommen, die von allen Teilen der Arbeiterklasse gefordert werden, und die gleichzeitige Zunahme von Absentismus, »Verbrechen gegen das Eigentum«, Fluktuation, Sabotage, Widerstand gegen die Produktivitätskontrollen koppeln tatsächlich das Einkommen nach und nach von der Produktivität ab und beeinflussen damit die kapitalistischen Profitraten. Die Arbeiterklasse schlägt das keynesianische Gleichgewicht in Stücke, indem sie dafür sorgt, daß die Einkommen schneller als die Produktivität wachsen. Das Kapital antwortet darauf mit einer Strategie der geplanten Krise, die den Bruch zwischen Einkommen und Arbeit wieder glätten soll.

Die Thesen von Zerowork stellen die Ausbeutungsrate in den Mittelpunkt. Sie sehen in einem aktiven Eingreifen der Arbeiterklasse, um die Ausbeutungsrate zu senken, die prinzipielle Ursache der gegenwärtigen Krise. »In klassischen Begriffen ausgedrückt, wäre die Krise von einem beispiellosen Rückgang der Ausbeutungsrate gekennzeichnet ...« [4]

In Britannien haben Glyn und Sutcliffe versucht, einen ähnlichen Standpunkt herauszuarbeiten; ihre These wurde von David Yaffe bestritten, der die Fakten anders interpretiert.

Die These von Glyn und Sutcliffe sowie von Zerowork ist noch starrer als die von Castoriadis. Ich muß sie zunächst unterscheiden, bevor ich die Kontroverse Glyn/Sutcliffe gegen Yaffe genauer untersuche. Castoriadis behauptete 1974, daß der Lohndruck (wie auch das Verlangen nach weniger Arbeit und anderen Arbeitsbedingungen) die Inflation antreibe, und daß die Hyperinflation eine destabilisierende Wirkung auf die Weltwirtschaft habe. Eine Veränderung im Arbeiterverhalten während des Wirtschaftsabschwungs hatte zu einer weltweiten Rezession geführt. »Der entscheidende Faktor ist in diesem Fall eine säkulare Veränderung im Verhalten der Lohnabhängigen, die heutzutage Jahr für Jahr eine reale Erhöhung ihrer Realeinkommen erwarten ...« unabhängig davon, in welchem Zustand die Wirtschaft ist. Wenn man es zuläßt, daß die Arbeitslosigkeit in katastrophale Höhen steigt, könnte man diese Erwartungen zunichte machen (und so geschieht es in der Realität auch), aber nur um den Preis, eine potenziell explosive Situation zu schaffen. Es geht hier nicht um Lohnerhöhungen, die auf die Profitraten einwirken. Wichtig ist für Castoriadis die Selbsttätigkeit, die Tatsache, daß sich die Arbeiter nicht weiterhin wie manipulierbare Objekte verhalten und ihre Forderungen nach dem Konjunkturverlauf ausrichten. Für die Argumentation von Castoriadis ist es nicht notwendig, daß der Lohndruck tatsächlich zu höheren Reallöhnen führt, er muß lediglich Anlaß für eine Inflationsspirale geben, die zu einer internationalen monetären Instabilität führt, die schädliche Auswirkungen auf den Welthandel hat.

Die Argumentation von Zerowork ist ähnlich, insofern sie hauptsächlich zu verstehen versucht, wie die Arbeiterklasse den kapitalistischen Versuch zerschlägt, sie im Rang eines berechenbaren »Produktionsfaktors« zu halten, und zu einem Kampfmoment wird. Was Castoriadis »eine säkulare Veränderung im Verhalten« nennt, sieht Zerowork als »politische Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse«. Im Unterschied zu Castoriadis hebt Zerowork den Lohndruck oder andere Einkommensforderungen (Sozikohle, Ladendiebstahl, Rotepunkt-Aktionen, Mietstreiks usw.) hervor. Sie kommen zu dem Schluß, daß letztlich die Einkommensforderungen zusammen mit den Kämpfen, welche die Produktivität senken, die Ursache der Profitkrise sind. In diesem Argument stimmt Zerowork mit Glyn und Sutcliffe überein.

Deren Argumentation gründet sich auf statistisches Material, das sie als Beweis dafür ansehen, daß die Profite in Großbritannien zwischen 1964 und 1970 gefallen sind und der Anteil der Löhne am Gesamteinkommen gestiegen ist. Yaffe kritisiert ihren Gebrauch der Statistiken und versucht zu zeigen, daß in diesem Zeitraum tatsächlich die Nettoreallohn-Quote (Reallöhne nach Steuern im Verhältnis zum Gesamteinkommen) gesunken ist. Im selben Zeitraum ist die Produktivität schneller gewachsen als die Reallöhne. Mit anderen Worten, die Ausbeutungsrate ist weiterhin gestiegen. Wenn das stimmt, dann kann die Analyse von Glyn/Sutcliffe und Zerowork die Ursprünge der Profitabilitätskrise nicht fassen. Sie kann nicht vom einfachen Fall der Ausbeutungsrate verursacht sein, was hieße, daß die Reallöhne schneller wachsen als die Produktivität.

Yaffe zufolge gibt es tatsächlich ein Problem mit der Ausbeutungsrate, aber es entspringt eher den Widersprüchen des modernen Kapitalismus als den Kämpfen der Arbeiter. Wie Mattick, so denkt auch Yaffe, daß der moderne Kapitalismus eine Nachfrage nach Mehrwert schafft, die er nicht mehr adäquat befriedigen kann. Weil immer mehr Kapital in die staatliche Produktion geht, werden die Gesamtprofite aus einer im Verhältnis immer schmaleren Basis von Privatkapital erzeugt. Die einzige Möglichkeit, die allgemeine Profitrate zu erhalten, ist in dieser Situation, die Ausbeutungsrate schneller als früher zu erhöhen. »Um die öffentlichen Ausgaben mit dem in der Privatwirtschaft erzeugten Mehrwert finanzieren zu können, muß die Ausbeutungsrate schneller als zuvor erhöht werden, um einen tatsächlichen Fall der Profitrate und eine schneller steigende Inflationsrate zu verhindern.«

Die Argumentation von Yaffe setzt voraus, daß das variable Kapital nur aus den an die produktiven Arbeiter bezahlten Löhnen besteht, das heißt denjenigen, die mit der Produktion des Mehrwerts beschäftigt sind. Die Ausbeutungsrate wird nicht vom allgemeinen Lohnniveau bestimmt, sondern vom Verhältnis des Gesamteinkommens des Gesamtarbeiters am produzierten Mehrwert. Somit sind eine allgemeine Lohnerhöhung und eine beständige Erhöhung der Ausbeutungsrate miteinander kompatibel, wenn die Anzahl der produktiven Arbeiter relativ stabil bleibt oder zurückgeht, während die Produktivität substanzielle Fortschritte macht. Aus dieser theoretischen Überlegung wird dann abgeleitet, daß die Ausbeutungsrate in Großbritannien weiterhin gestiegen ist. Doch ein immer größerer Teil des produzierten Mehrwerts ist für unproduktive Ausgaben aufgewandt worden, nicht nur für den staatlichen Sektor und soziale Dienstleistungen, sondern auch für das Finanzwesen und den Handel. Mit anderen Worten ist die produktive Sphäre ausgetrocknet worden oder von den unproduktiven Bereichen »geplündert«. Die Produktivität ist zwar weiterhin gestiegen, aber nicht schnell genug, um eine Profitmasse zu produzieren, die ausreichend wäre, um die Ansprüche der beiden Bereiche (des produktiven wie des unproduktiven) an den Gesamtmehrwert zu befriedigen. Die Inflationsspirale ist das Ergebnis davon, daß die Nachfrage nach der gesamten Profitmasse weit höher ist, als davon zur Verfügung steht. Sicherlich haben die Arbeiter gekämpft, um den Preis ihrer Ware, der Arbeitskraft, auf demselben Niveau wie die anderen Preise zu halten; aber die grundlegende Ursache der Inflation ist der Anstieg der unproduktiven Ausgaben, die ihrerseits beständig wachsen, weil die Regierung versucht, das Produktionslevel und somit das Beschäftigungslevel hoch zu halten, trotz der chronischen Stagnation, deren grundlegende Ursache im tendenziellen Fall der Profitrate liegt. Das britische Kapital versucht zur Zeit [1980], die Löhne niedrig zu halten und mittels Entlassungen von Arbeitern die Industrie umzustrukturieren, mit der Absicht, die Produktivität und damit die Ausbeutungsrate weiter zu erhöhen. [5]

Sowohl für Yaffe wie für Mattick ist die ungenügende Steigerung der Produktivität vor allem ein Ergebnis und in der Folge eine Ursache der Verringerung der Profitabilität. Weil sich die Nachkriegsrezession nicht in einer klassischen kapitalistischen Expansion auflöste und auch nicht auflösen konnte, sondern eher in einer Ausdehnung des staatlichen Sektors, die einer authentischen Stagnation übergestülpt wurde, kam es nicht zu Investitionen in neue Anlagen, was für eine ausreichende Steigerung der Produktivität nötig ist. Die Verlangsamung der Produktivitätssteigerung kommt grundlegend aus den inneren Widersprüchen des Kapitals; sie hat ihren Ursprung in der Tendenz der Profitrate zu fallen, die durch keynesianische Wirtschaftspolitik nicht umgedreht werden kann.

Es wäre naiv anzunehmen, daß das, was hier ein Ergebnis ist, ein einfaches Faktum sei. Die Zeitschrift Zerowork präsentiert ihre Analyse als Grundlage zum Verständnis der Strategie der Arbeiterklasse in dieser Phase und als Grundlage für die revolutionäre Organisierung. Diese stellt sich als Nachfrage nach zusätzlichem Einkommen dar, das von der Arbeit abgekoppelt ist, und verlangt Lohn für Arbeiten, die bisher nicht entlohnt sind (z.B. die Hausarbeit). Die von Mattick beeinflußten Analysen tendieren eher dazu, die verschiedenen Arbeiterstrategien als Antworten auf verschlechterte Lebensbedingungen zu sehen. [6] Beide zielen auf ähnliche Kampfmittel und Kampfformen, und beide heben die Autonomie der Arbeiterklasse hervor. Wenn man sie miteinander vergleicht, so räumt die eine Sichtweise der Offensive den Vorrang ein und ist »voluntaristischer«, während die andere den defensiven Gesichtspunkt des Kampfs hervorhebt und einer »spontaneistischen« Richtung zuneigt. Zerowork stellt ihre Schlußfolgerungen resolut und polemisch auf und behauptet, es gebe keinen Mittelweg zwischen dem, was sie den »kapitalistischen Standpunkt« nennen, dem zufolge die Krise aus den inneren Widersprüchen der Ökonomie entsteht und dem, was sie den »Arbeiterstandpunkt« nennen, demzufolge sie dem Kapital von der Arbeiterklasse aufgezwungen ist. Trotzdem sind die beiden Standpunkte nicht notwendigerweise so konträr, wie Zerowork behauptet.

Mattick hebt häufig hervor, daß die klassische Marx'sche Behauptung über den tendenziellen Fall der Profitrate sich auf einem hohen Abstraktionsniveau bewegt und die Untersuchung der Rentabilität nicht überflüssig macht, die auch die Komplexität des realen, konkreten Kapitalismus berücksichtigen muß. Die Analyse von Marx abstrahiert schließlich von der Konkurrenz und behauptet die Existenz von nur zwei Klassen in einer rein kapitalistischen Gesellschaft. Insofern ist für Marx der berühmte tendenzielle Fall der Profitrate nur eine Tendenz, Konsequenz und Ausdruck der gewachsenen Arbeitsproduktivität, zu der es entgegenwirkende Tendenzen gibt: Rationalisierung, Verkürzung der Umschlagszeit des Kapitals (durch bessere Transport- und Kommunikationssysteme), Eröffnung neuer Produktionsbereiche mit einer niedrigen organischen Zusammensetzung des Kapitals und somit einer hohen Profitrate, Entwertung des Kapitals in Krisen, Einfuhr von billigen Nahrungsmitteln und Rohstoffen, Erschließung neuer Gebiete für einträgliche Kapitalinvestitionen und Anstieg der Ausbeutungsrate. Das tendenzielle Ansteigen der Ausbeutungsrate stellt sich dem tendenziellen Fall der Profitrate entgegen, und beide Tendenzen sind das Resultat der gewachsenen Arbeitsproduktivität. Aber der bewußte Versuch der Kapitalisten, die Profite zu erhöhen oder aufrechtzuerhalten, indem sie durch niedrigere Löhne und intensivere Arbeit (Verdichtung der Poren) die Ausbeutungsrate erhöhen, hat eine unmittelbare politische Auswirkung. [7] Diese Mittel zur Erhöhung der Ausbeutungsrate demütigen und verbittern die Arbeiter und treiben sie - nach der klassischen Konzeption - dazu, das System umzustürzen.

Der tendenzielle Fall der Profitrate und seine Gegentendenzen stellen eine Dynamik dar, welche grundlegend den Charakter der kapitalistischen Akkumulation bestimmt, die ihr innewohnenden kapitalistischen Krisen erklärt; innerhalb dieser Dynamik findet der Kampf um die Aufteilung des Mehrwerts statt, und zwar sowohl zwischen den Kapitalisten wie zwischen den Klassen. Für Mattick, der sich hier auf Grossman bezieht, liegt die letzte Bedeutung des Falls der Profitrate darin, daß sie das Wachstum der Profitmasse begrenzt, bis diese unzureichend für die profitable Erweiterung des Privatkapitals wird.

Bei Versuchen, die Lehre Marxens zu korrigieren oder zu widerlegen wie auch bei Versuchen, sie zu verteidigen, spielen oft die Gegentendenzen zum Fall der Profitrate eine entscheidende Rolle: wie weit können sie das System aufrechterhalten und wo liegen ihre Grenzen? Die imperialistische Expansion war bis zu einem gewissen Punkt sehr wirksam für das kapitalistische System; gerade der imperialistische Krieg hat buchstäblich Kapital vernichtet, wie Mattick hervorhebt, und somit von neuem die Bedingungen für eine Expansionsperiode geschaffen, während die wachsende Monopolisierung die Entwertung in der Krise behinderte. Die Taylorisierung des Produktionsprozesses hat zu einer Ausweitung der Produktion und somit auch der Löhne geführt, ohne die Ausbeutungsrate zu verringern; [8] an zweiter Stelle hat sie eine Ausweitung des Binnenmarkts ermöglicht. Die Ausweitung des Kredits war ein weiterer Faktor; die Intervention des Staats hat oft die Rationalisierung befördert; Transporte und Telekommunikation wurden auf phänomenale Weise verbessert, womit die Umschlagszeit des Kapitals verkürzt wurde.

Mattick untersucht die Gegentendenzen der Gegentendenzen, ihre Grenzen. Zum Beispiel verbrauchen die Werbekosten, die mit einem größeren Binnenmarkt für die monopolistischen Industrien zusammenhängen, Mehrwert; die im Staatssektor realisierten »Profite« sind in Wirklichkeit ein Abzug von Mehrwert. Während Castoriadis die Theorie von Marx zurückweist und behauptet, die Ausbeutungsrate sei nicht gestiegen, und Zerowork die Krise als Resultat der Reduzierung der Ausbeutungsrate durch die Arbeiterklasse faßt, nimmt Mattick die klassische Theorie wieder auf; er betont die inneren Grenzen der zur Aufrechterhaltung des Systems eingesetzten Mittel und fixiert einen Punkt, an dem diese Grenzen erreicht werden, was eine Verschärfung des Kampfs um die Ausbeutungsrate hervorruft.

Alan Jones versucht die Debatte zwischen Yaffe und Glyn/Sutcliffe auf folgende Weise zu lösen: »Beim Ausbruch einer konjunkturellen Krise, v.a. wenn der Akkumulationsprozeß auf Schwierigkeiten stößt, ist es durchaus möglich, vielleicht sogar unausweichlich, daß der Kampf um die Ausbeutungsrate als Zünder für eine allgemeine Krise wirkt... Dennoch liegt nichts Widersprüchliches in der Feststellung, daß in einem bestimmten Kapitalismus zu einem bestimmten Moment der direkte Kampf zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie um die Mehrwertrate zum bestimmenden Element der Krise wird.«

Tatsächlich gebremst wurde der Anstieg der Ausbeutungsrate »im Gefolge des Mai '68 und der fortdauernden Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse. Die Erhöhung der Ausbeutungsrate wurde also durch den Widerstand der Arbeiter verlangsamt und hatte somit nicht mehr ausreichend Kraft, um der negativen Auswirkung der Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals entgegenzutreten.« [9]

Dieses Herangehen scheint mir am fruchtbarsten zu sein, es erlaubt uns nämlich, sowohl das ökonomische System wie den Klassenkampf zu berücksichtigen, ohne uns vorzustellen, daß das eine vom anderen unabhängig oder total von ihm bestimmt wäre. Es erlaubt es uns, die Arbeiterklasse als aktiven Faktor in einem ökonomischen System, das innere Widersprüche hat, zu sehen.

Die Arbeiterklasse tritt nicht einfach post facto auf, um die Welt aus dem Elend zu retten, in das sie der Kapitalismus geworfen hat. Die Krisen zeigen, daß der Kapitalismus seine inneren Widersprüche nicht gelöst hat und, was Yaffe hervorhebt, die Ausbeutungsrate schneller als zuvor erhöhen muß, aber sie zeigen auch, daß die Arbeiterklasse nicht zu einem integrierten und manipulierten Bestandteil des Systems geworden ist, sondern daß sie fähig ist zur Selbsttätigkeit. Ihre Kampfbereitschaft wird zu einem Hindernis für das Funktionieren des Systems, das seine eigenen Erfordernisse hat.

Aufgrund der unterschiedlichen Abstraktionsebenen, auf welchen die Diskussion geführt wird - theoretisch und abstrakt von Mattick und Yaffe, empirischer von Castoriadis und Zerowork - werden die Wechselbeziehung und die mögliche Komplementarität der beiden Standpunkte nicht verstanden. In den 30er Jahren kritisierte Anton Pannekoek die ökonomischen Theorien des Mentors von Mattick, Henryk Grossman, weil diese den menschlichen Eingriff übersehen. Darauf antwortete Mattick:

»Auch für Grossmann gibt es kein 'reinökonomisches' Problem, was ihn jedoch auf keinen Fall hindern kann, aus methodischen Gründen, in seiner Untersuchung der Akkumulationsgesetzlichkeit sich auf rein ökonomische Voraussetzungen zu beschränken und so theoretisch einen objektiven Endpunkt des Systems zu erreichen. Die theoretische Erkenntnis, daß das kapitalistische System aufgrund seines treibenden Widerspruches nur in den Zusammenbruch münden kann, verpflichtet durchaus nicht zu der Auffassung, daß der wirkliche Zusammenbruch ein automatischer, von den Menschen unabhängiger Prozeß ist.« [10]

Mattick bleibt nicht auf der Abstraktionsebene, die Grossman in seiner Krisentheorie anwendet. Er setzt das reine Modell in Beziehung zu den Erscheinungsweisen des modernen Kapitalismus; aber auch er tendiert dazu, sich der Ökonomie zuzuwenden und vom Klassenkampf zu abstrahieren. Mattick ist sich sehr wohl der Grenzen Grossmans und der Anwendbarkeit seines Ansatzes bewußt, und er akzeptiert sie als aus methodologischen Gründen selbst-auferlegte Grenzen. Alles was man auf der Basis einer Analyse der kapitalistischen Entwicklungstendenzen ableiten kann, so behauptet er, ist die Tatsache, daß es zu Krisen kommen wird und daß »sich die Möglichkeit ergeben wird, den Klassenkampf im Innern der Gesellschaft in einen Kampf für eine andere Gesellschaftsform zu verwandeln.« Die ökonomische Theorie kann nur »das Bewußtsein von den objektiven Bedingungen liefern, in denen sich der Klassenkampf entwickeln und seine Richtung bestimmen muß«. [11]

Diese Abtrennung der ökonomischen Theorie läßt sich als momentane methodologische Vorgehensweise rechtfertigen, aber jede dauerhafte Hypostasierung der ökonomischen Theorie muß auf jeden Fall zurückgewiesen werden. In seiner Kritik an Yaffe hebt Geoffrey Kay hervor: »Die konventionelle Interpretation des Gesetzes {des Falls der Profitrate} kann kritisiert werden ..., weil sie den ökonomischen Prozeß objektiviert und folglich den Klassenkampf von der Akkumulation des Kapitals abtrennt. Der Proletarier bleibt im Hintergrund ... Das Gesetz, so wie es gewöhnlich verstanden wird, ... kann zu keinem wirklichen Verständnis der finalen Krise des Kapitalismus als Geburtswehen einer neuen Gesellschaftsform führen ... es kann uns nichts sagen über die Klasse, die die Revolution machen wird ... Indem sie die Ökonomie objektiviert und dem Proletariat jedwede aktive und qualitative Rolle in der Herausbildung der Krise abspricht, hat sich die marxistische Ökonomie selbst jedwede Möglichkeit verschlossen, den Klassenkampf in seinen konkreten Formen systematisch zu untersuchen und hat das Problem der politischen Organisierung der Arbeiterklasse in die Ungewißheit der ideologischen Rhetorik zurückgeworfen.« [12]

In Italien werden die neuen Entwicklungen gemeinhin in Begriffen von Klassenkampf analysiert; denn dort basiert die Wettbewerbsfähigkeit in der Nachkriegszeit im wesentlichen auf niedrigen Löhnen. »Es war vor allem das Vorhandensein von billiger Arbeitskraft vor Ort, die den wirtschaftlichen Wiederaufbau Italiens nach dem Krieg finanzierte«, bestätigen eine Reihe von Kommentatoren. »Die Exportindustrien waren folglich in der Lage, ihre Produkte zu stabilen und sinkenden Preisen zu verkaufen und somit relativ hohe Profitraten zu erzielen, um damit die weitere industrielle Expansion selber zu finanzieren ... Als die Arbeiter damit begannen, höhere Löhne zu verlangen, brach das ganze Kartenhaus zusammen ... Seit zehn Jahren war es der Klassenkampf und vor allem - wenn auch nicht ausschließlich - die daraus folgende Steigerung der Arbeitskosten, was die Wirtschaftszyklen in Italien bestimmt hat.« [13]

Die italienische Stahl-, Auto- und Chemieindustrie entwickelten sich in der Nachkriegszeit mit fortgeschrittenen Technologien, welche es Italien ermöglichten, einen Vorteil aus der Liberalisierung des Nachkriegshandels zu ziehen. Die Unterdrückung der Arbeiterbewegung garantierte niedrige Löhne. Zu Beginn der 60er Jahre trugen mehrere Faktoren dazu bei, die Militanz der Beschäftigten zu steigern. Einer war die wachsende Aufsplitterung der Arbeit und der Dequalifizierungsprozeß, der die alte Hierarchie in der Arbeitskraft zu zerbrechen begann. Ein anderer war das Sinken der Arbeitslosigkeit als Ergebnis des »Wirtschaftswunders«. Die neue Einheit und Stärke der Arbeiterklasse manifestierte sich mit der Streikwelle von 1962, welche substanzielle Lohnerhöhungen brachte.

Als Antwort darauf erhöhte das Kapital zunächst die Preise und blockierte dann 1963 die Kreditvergabe, um die Inflation zu bekämpfen. Die Investitionsquote war bereits gefallen. Die strenge Kreditvergabe senkte die Investitionen noch weiter; es folgte eine drei Jahre andauernde Rezession, während derer die Kapitalisten die Fabriken umstrukturierten, um eine höhere Produktivität zu erreichen. Die Produktion stieg und die Löhne sanken. Es folgte eine Aufschwungphase, die aber mehr auf der Arbeitsdisziplin als auf neuen Investitionen basierte.

Insgesamt verharrte die Wirtschaft nach 1963 in Stagnation. Ein anderer Kommentator bemerkt: »Die vorübergehende Schwäche {der italienischen Arbeiterklasse} ermöglichte ein neues Wachstum von 1966-68, aber dies wurde im wesentlichen durch eine Kürzung der Zeiten erreicht, mit sehr wenigen Investitionen in moderne Technologie ... Seit 1963-64 haben die italienischen Kapitalisten sehr wenig investiert, und der wachsende technologische Rückstand macht die italienischen Exporte immer weniger konkurrenzfähig.« [14]

Die Rationalisierung der Arbeitsbedingungen verschlechterte die Lebensbedingungen in den Großstädten, führte aber auch zum »heißen Herbst« 1969. Als Antwort auf die Erhöhung der Arbeitsgeschwindigkeit streikten die Arbeiter für mehr Kontrolle über Arbeitsorganisation und Arbeitstempo und für Lohnerhöhungen. Um das zu bekommen, mußten sie gegen die Gewerkschaften und gegen die Unternehmer kämpfen und unabhängige Organisationsformen schaffen: Versammlungen, Fabrikräte und Stadtteilräte. In dieser Periode eroberten sich die Arbeiter sowohl kräftige Lohnerhöhungen wie eine gewisse Macht, die Umstrukturierungspläne des Unternehmertums aufzuhalten.

Wie gewohnt erhöhten die Kapitalisten in der Folge die Preise und verknappten die Kreditvergabe. Dennoch erfüllte die Rezession von 1970-72 nicht die Erwartungen, daß die Arbeiter ihre Militanz zügeln, und die Löhne stiegen weiterhin an. Dann verschärften sich die italienischen Probleme aufgrund einer allgemeinen wirtschaftlichen Instabilität. Zusätzlich zu den gestiegenen Arbeitskosten und dem Widerstand gegen die Umstrukturierung mußte das italienische Kapital mit einer weltweiten Hyperinflation und schwierigen Marktbedingungen zurechtkommen. Da die Importpreise, v.a. für Lebensmittel und Erdöl, anstiegen und sich die Märkte für italienische Produkte verkleinerten, wurde das Handelsdefizit untragbar, und Italien mußte in bisher nicht gekanntem Ausmaß Kredite aufnehmen, um einem Bankrott zu entgehen.

Die gegenwärtige [1980] kapitalistische Offensive umfaßt Erhöhung der Überstunden, Abschaffung von Feiertagen, Steigerung des Arbeitstempos und den Versuch, den automatischen Inflationsausgleich auf die Löhne (Scala mobile) auszuhebeln. Der Versuch, einen neuen Kredit des IWF an die Aushöhlung der Scala mobile zu knüpfen, wurde von den ArbeiterInnen im Frühjahr 1977 erfolgreich zurückgeschlagen. Die langfristige Strategie des italienischen Kapitalismus besteht darin, die Homogenität zu zerbrechen, welche die Arbeiterklasse in den Jahren zuvor erreicht hatte; dazu wurden einige Montageoperationen dezentralisiert und die Automatisierung ausgeweitet. Außerdem sollte die Industrie zur Produktion von Kapitalgütern umgewandelt werden, und dies erforderte die Mobilität der Arbeit und eine lange Phase von sehr hoher Arbeitslosigkeit. Die ArbeiterInnen haben darauf mit wilden Streiks, Sabotageaktionen, autonomer Organisierung, Enteignungen, Herabsetzungen der Tarife usw. geantwortet.

Offensichtlich ist das Gemeinsame an all dem ein immer intensiverer Kampf um die Ausbeutungsrate. Zumindest in der Nachkriegszeit scheint die Kraft des italienischen Kapitalismus von einer disziplinierten Arbeitskraft abzuhängen. Jedesmal, wenn die italienische Arbeiterklasse sich daran macht, diese Grenzen zu zerbrechen, ist die ökonomische Expansion gefährdet und die herrschende Klasse gezwungen, als Antwort darauf die Schraube weiter anzuziehen. Jeder Arbeitersieg an der Lohnfront trifft auf eine Preiserhöhung, eine gelenkte Rezession und einen Angriff im Arbeitsprozeß. Angesichts schwieriger Marktbedingungen und ohne eine gefügige Arbeiterklasse hat sich Italien internationale Kredite verschaffen müssen. Das Kapital für Investitionen im Innern, das nach 1963 knapp wird, war zuvor nur aufgrund der niedrigen Kosten der örtlichen Arbeitskraft verfügbar.

Zwar belegt dieses empirische Resümee konkret, wie der Kampf um die Ausbeutungsrate in Italien an Schärfe zunahm, und zeigt auf, wie er entscheidend die unabhängige Aktion und Organisierung leitete; es rechtfertigt aber nicht vollständig die Schlußfolgerung, daß die italienische Krise von der Aktion der Arbeiterklasse »hervorgerufen« ist. Wir müssen zeitlich zurückgehen und uns fragen, warum der italienische Nachkriegsaufschwung niedrige Löhne brauchte; wir müssen feststellen, daß er in der Wiederaufbauphase nach dem Krieg auf Investitionen in neue Industrien basierte und daß es danach keine substanziellen Investitionen mehr gab. Wenn die Arbeiterklasse die italienische Krise vertieft hat, so deshalb, weil das italienische Kapital extrem verwundbar war durch die Selbsttätigkeit der Beschäftigten. Wir haben es mit einem System zu tun, das keine Arbeitersiege tolerieren kann, ein System mit eingeschränktem Spielraum. Um die »Gründe« zu finden, müssen wir in die Vorkriegszeit zurückgehen und uns allgemeine Fragen über die Krise des Kapitals in der Zwischenkriegszeit stellen und über die Mittel, welche die Kapitalisten anwandten, um aus dieser Krise rauszukommen, mit anderen Worten, wir müßten genau jene Fragen aufwerfen, auf die Mattick in Marx und Keynes Antwort zu geben versucht. [15]

Keynes wurde durch den chronischen Investitionsmangel in Großbritannien sowie die Kampfbereitschaft der englischen Arbeiterklasse seit 1910 zu seinen Theorien angeregt. Hier sind seine politischen Vorschläge am ausgedehntesten angewandt, aber auch die Grenzen der gemischten Wirtschaft am deutlichsten sichtbar geworden. Ein hinfälliger Industrieapparat, ein ständig wachsender Staatshaushalt, relativ hohe Sozialausgaben und ein breiter und wachsender staatlicher Industriesektor sind das Ergebnis einer langen Phase von niedriger Rentabilität, die Großbritannien wenig verlockend für Privatinvestitionen und nicht konkurrenzfähig auf dem Weltmarkt gemacht hat. 1976 wurde das am deutlichsten spürbar im Kurssturz des Pfund Sterling. Um seine monetären Probleme lösen zu können, hätte Großbritannien konkurrenzfähig werden müssen (v.a. in einer Situation, wo der Weltmarkt sich ausdehnte). Und um dieses Ziel zu erreichen, hätte es die Lohnstückkosten senken, das heißt die Produktivität erhöhen und die Löhne einfrieren müssen. In den 60er Jahren versuchte die britische Industrie, das zu tun und die Lohnerhöhungen mit verschiedenen organisatorischen Maßnahmen zu kompensieren, welche die Produktivität erhöht hätten und startete damit eine Einkommenspolitik. Aber das stellte sich als unwirksam heraus, sei es aufgrund der wachsenden Kampfbereitschaft der Arbeiter inklusive einer wachsenden Tendenz dazu, die Produktivitätsabkommen zurückzuweisen, sei es weil es offenkundig geworden war, daß es größerer Kapitalzufuhren bedurfte, um die Rentabilität wiederherzustellen.

Man könnte sagen, die Kampfwelle der späten 60er und frühen 70er habe Großbritannien in einen mehr oder weniger bankrotten Zustand gebracht, der es vom IWF abhängig machte (zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem die erwarteten Erdöleinnahmen Realität wurden). Aber all das muß im Zusammenhang mit einer chronischen wirtschaftlichen Stagnation gesehen werden. Ein Artikel von 1973 über Großbritannien faßt die Situation so zusammen: »Das britische Kapital, das seit Jahrzehnten durch geringe Investitionen benachteiligt ist, braucht deren deutliche Erhöhung, wenn es erfolgreich dem wachsenden Druck der internationalen Konkurrenz entgegentreten will. Die beispiellosen Lohnforderungen und die Lohnabschlüsse der letzten fünf Jahre ... haben dieses Problem deutlich verschärft. Darüberhinaus ist die Bereitschaft der Arbeiter, bei einer intensiven Ausbeutung der Arbeit zu kooperieren, trotz der Produktivitätsabkommen seit Ende der 60er Jahre weitgehend verschwunden.« [16]

Das allgemeine Problem der kapitalistischen Ökonomie, also der »Mangel an Kapital«, war sowohl in Großbritannien wie auch in Italien deutlich zu spüren.

»In keinem Land ist die kapitalistische Krise akuter als in Großbritannien und in Italien ... Großbritannien muß ca. 45 Mrd. Dollar in neue Anlagen und Maschinen investieren, um seinen Nachbarn in der EU und Handelsrivalen wie Japan gegenüber konkurrenzfähig zu werden. Stattdessen ging die britische Regierung {1975} sogar von einem Rückgang der industriellen Investitionen aus ...«. [17]

Die kapitalistischen Planer sprechen in diesem Zusammenhang von »Korrekturen am Gleichgewicht zwischen Konsum und Produktion«, das heißt die Löhne und die unproduktiven Ausgaben sollen gesenkt werden in der Hoffnung, dies mache Mittel für Investitionen verfügbar. Aber auch wenn es sinnlos ist, mit der alten Politik weiterzumachen, müssen die Politiker damit rechnen, daß Kürzungen bei Löhnen und Sozialausgaben und die steigende Arbeitslosigkeit zu einer Verschärfung des Klassenkampfes führen könnten.

Nach dem Kurssturz des Pfund Sterling stellte zum Beispiel der Schatzkanzler von Großbritannien fest, daß »die Alternativen, die man dem IWF als Voraussetzung für einen neuen Kredit vorlegen müßte, dermaßen wilde wirtschaftspolitische Maßnahmen verlangten, daß es zu Tumulten auf den Straßen kommen könnte.« [18] Trotzdem führte der IWF-Kredit zu neuen Kürzungen bei den Ausgaben für soziale Dienstleistungen; die Vollbeschäftigung ist zu einer Erinnerung an vergangene Zeiten geworden, und der Sozialstaat wird immer weiter abgebaut.

Daß die Einlassung des Schatzkanzlers aber nicht rein rhetorischer Natur war, belegt die Tatsache, daß sich dieses Szenario in Ägypten sehr schnell bewahrheitet hat, als im Januar 1978 die Erhöhung der staatlich kontrollierten Preise bei Lebensmitteln und Brennstoffen - eine Maßnahme, die auf Verlangen des IWF ergriffen worden war - tatsächlich zu Tumulten auf den Straßen führte. Die polnische Revolte von 1976 ist eine weitere Version dieses Schemas: an ihrem Ursprung stehen Preiserhöhungen, die für einen Kredit verlangt worden waren, den Polen brauchte. Später, im November, gab Breschnew Polen einen Kredit über 1,3 Mrd. Dollar, »als die polnischen Führer ihn überzeugten, daß ohne wirtschaftliche Hilfen die Arbeiterrevolte vom August nur das Vorspiel zu einer Neuauflage des Aufstands von 1956 sein könnte.« [19] Das Kapital muß heute generell den Kredit gefährlich weit und über jedes bisher bekannte Maß hinaus ausweiten, wenn es merkt, daß seine Macht, die Ausbeutungsrate zu erhöhen, begrenzt ist und es auf einen zu starken Arbeiterwiderstand trifft.

In letzter Zeit [der Artikel ist von 1980] haben Gewerkschaftsführer in Großbritannien die trotz der Lohnzurückhaltung weiter steigende Inflation als Beleg dafür genommen, daß die Lohnerhöhungen gar nicht die Ursache der Inflationsspirale seien. In der Folge hat es der Druck von der Basis verhindert, daß der Vertrag zwischen den Gewerkschaften und der Labour-Regierung über die Lohnkontrollen erneuert wurde, und die Möglichkeit einer neuen »Lohnexplosion« droht, die britische Ökonomie in eine noch tiefere Krise zu stürzen.

Die Bedingungen in allen anderen Ländern sind natürlich nicht identisch mit denen in Großbritannien und Italien, aber die Dynamik ist meiner Meinung nach ziemlich ähnlich, so daß wir die Schlußfolgerungen der Diskussion verallgemeinern können. Ende der 60er Jahre befand sich das Kapital in einer Situation steigender Erwartungen, ohne daß es die ökonomischen Widersprüche überwunden hatte, die seine Produktion von Reichtum begrenzen. Da es nicht genügend Profite für eine rentable Expansion des Privatkapitals auf der Basis einer Erneuerung des Produktionsapparats erzeugen konnte, mußte das Kapital die unproduktiven Bereiche erweitern und gleichzeitig versuchen, die Produktivität durch Rationalisierung und gesteigerte Arbeitsintensität zu erhöhen. Aber sowohl der Widerstand der Arbeiterklasse gegen die Produktivitätssteigerungen als auch die Forderung nach Einkommen nahmen gleichzeitig zu. Die »inneren Widersprüche« des Kapitalismus tauchten wieder auf - und trafen auf die »wieder-aufgetauchte« Militanz der Arbeiterklasse. Im Ergebnis hat das Kapital den Ton seiner Propaganda komplett ändern müssen: »Überfluß« und »wachsende Ansprüche« wurden ersetzt durch »Null-Wachstum« und »klein ist schön«. Und eine gesellschaftliche Wirklichkeit wurde gezwungen, in diese Ideologie einzustimmen.

Auf der empirischen Ebene finden wir Einzelkapitalisten, Kartelle oder Nationen, die alle die Absicht haben, ihre Konkurrenzposition zu behaupten. Dazu erhöhen sie zum einen die Produktivität, und zum andern frieren sie die Löhne und andere Kosten ein, die als flexibel angesehen werden können (wie die Programme zur sozialen Sicherung). Auf internationaler Ebene drückt sich die Konkurrenz in Handelsungleichgewichten und daraus folgenden monetären Krisen aus, welche wegen der gegenseitigen Abhängigkeit die gesamte Ökonomie in Gefahr bringen. All diese Fragen, welche die Bourgeoisie für »ökonomische« hält, können gleichzeitig Ausdruck des Klassenkampfs und des widersprüchlichen Prozesses der kapitalistischen Akkumulation sein. In einem gewissen Sinn, der jedoch den marxistischen Standpunkt nicht ungültig macht, ist alles eine Frage von Klassenkampf; denn der Akkumulationsprozeß findet in historisch bestimmten Produktionsverhältnissen statt, die durch ein komplexes Gemisch von physischer Gewalt und ideologischer Manipulation bestimmt und aufrechterhalten werden. Dennoch entwickeln sich die besonderen Kämpfe von Teilen der Arbeiterklasse und ihre Beziehungen zu bestimmten Einheiten von Kapital nicht zufällig, sondern - in Marx'scher Perspektive - im Rahmen eines unabwendbaren, widersprüchlichen Prozesses kapitalistischer Akkumulation. Dieser Prozeß kann theoretisch auf der Basis der Analyse des Gesamtkapitals erfaßt werden, das heißt auf einer Analyseebene, die zunächst von der Konkurrenz abstrahiert, auch wenn dies nur geschieht, um dann mit einer Reihe von Annäherungen dorthin zurückzukehren.

Für die Marxisten muß der Kampf zwischen Arbeitern und Unternehmern verschiedener Kapitaleinheiten im Rahmen einer verschärften internationalen Konkurrenz in den 60er und 70er Jahren verstanden werden. Eine verschärfte Konkurrenz ist bezeichnend für die Krisenbedingungen, unter denen die Kapitalisten um eine Mehrwertmasse kämpfen, die auf einer bestimmten Ebene kapitalistischer Akkumulation ungenügend ist in bezug auf ihren Bedarf nach rentablen Investitionen. Bestimmte Nationen erwerben durch Betrug einen Anteil am existierenden Mehrwert, der ausreicht, um eine weitere Akkumulation zu ermöglichen. Aber die Krise des Kapitals ist nichts anderes als der Mangel an Gesamtmehrwert im Verhältnis zu der Summe, die notwendig wäre für produktive Investitionen und unproduktive Ausgaben. Daraus folgt, daß sich in jeder Nation (in Großbritannien aufgrund seiner schwachen Konkurrenzfähigkeit mehr als in anderen) der Kampf um die Aufteilung des existierenden Mehrwerts in seine drei Funktionen: konstantes Kapital (Werkstätten, Maschinen und Rohstoffe), variables Kapital (Löhne der produktiven Arbeiter) und Rente (kapitalistische Einkommen und unproduktive Ausgaben) verschärft.

Wenn wir zu theoretischen Zwecken den Kampf zwischen Kapitalisten und Arbeitern darum, wieviel Arbeit tatsächlich gegen ein bestimmtes Einkommen getauscht wird, als sekundär betrachten, können wir das entdecken, was Mattick »die objektiven Bedingungen« nennt, »in denen sich der Klassenkampf entwickeln und seine Ziele festlegen muß«; das heißt in diesem Fall den Kontext der wirtschaftlichen Stagnation und die Tatsache, daß die staatliche Intervention dieses Problem nicht lösen kann und es stattdessen in ein Problem des unkontrollierten Wachstums der unproduktiven Ausgaben verwandelt. Wenn wir dann Marx folgen und die wirtschaftliche Stagnation auf den tendenziellen Fall der Profitrate und auf die zu schwachen Gegentendenzen zurückführen, das heißt auf die inneren Widersprüche des Kapitalismus, dann begreifen wir, warum er unfähig ist, die Güter zu verteilen, die Bedürfnisse einer kämpferischen Arbeiterklasse zufriedenzustellen, und warum er im Gegenteil immer wieder die Lebensstandards der Arbeiterklasse angreifen und sich anstrengen muß, die Mehrwertmasse zu erhöhen, indem er sie aus jeder einzelnen Einheit an Arbeitszeit herauspreßt. Diese Analyse erscheint »objektiv«, insofern sie unter Abstraktion vom Klassenkampf entwickelt wird, dennoch läßt sie Platz für die »Subjektivität«, insofern sie aufzeigt, daß die Grundlage einer relativen Klassenharmonie inkonsistent ist und darauf zielt, die kapitalistischen Verhältnisse selbst in Frage zu stellen. Sie abstrahiert vom Klassenkampf, um zu zeigen, daß die Rentabilitätskrise, der Zusammenhang, in dem sich der Kampf entwickelt, der Entwicklung des Kapitalverhältnisses immanent ist. Es gibt Grenzen bei der Organisierung der Produktion und folglich indirekt des gesamten gesellschaftlichen Lebens, sowohl auf seiten der kapitalistischen Verhältnisse als auch auf seiten der Lohnarbeit. Ein solches System führt zu vielfältiger Zerrüttung der Arbeits- und Lebensbedingungen, einschließlich eines - auf Zeit gesehen - ernsthaften Rückgangs im materiellen Wohlstand eines großen Teils der Bevölkerung.

Aber auch wenn dieser objektive Ansatz theoretisch standhält, müssen wir seine Grenzen erkennen. Der Kapitalismus verändert in seiner Entwicklung (und in seinem Niedergang) den Arbeitsprozeß und das Leben allgemein, und folglich verändern sich auch der Charakter und die Formen der Revolte. Strategie und Organisation sind historisch bestimmt. Das Aufzeigen der Unfähigkeit des Kapitalismus, seine inneren Widersprüche zu überwinden, kann höchstens die Voraussetzungen liefern, um den spezifischen Charakter der gegenwärtigen Krise, den spezifischen Charakter der gegenwärtigen Kämpfe und das Verhältnis zwischen beiden zu verstehen. Wenn die Krise »die Möglichkeit der Verwandlung des Klassenkampfs im Innern der Gesellschaft zu einem Kampf für eine andere Gesellschaftsform« bietet, so bleibt noch zu zeigen, wie aus dieser Möglichkeit Wirklichkeit werden kann.

Wir müssen also 1) aufzeigen, wie die Verschärfung des Kampfs um die Ausbeutungsrate tatsächlich zu einem revolutionären Kampf werden kann (bzw. daß er gerade dabei ist!), zu einem Kampf, der die Schranken der kapitalistischen Gesellschaft einreißt, und wie er sich in einen Kampf gegen die Lohnarbeit verwandeln kann; 2) an dieser Verwandlung teilnehmen.


Fußnoten:

[1] Auf Deutsch gibt es eine Textsammlung: Cornelius Castoriadis, Sozialismus oder Barbarei. Analysen und Aufrufe zur kulturrevolutionären Veränderung, Berlin 1980, die allerdings diesen Text nicht enthält.

[2] Glyn, Andrew / Sutcliffe, Bob: Die Profitklemme. Arbeitskampf und Kapitalkrise am Beispiel Großbritanniens, Berlin 1974.

[3] Zerowork Nr. 1, Einleitung; deutsch in TheKla 10, S. 12 - 15.

[4] Zerowork, deutsch in Thekla 10, S. 69.

[5] Als Antwort könnte man behaupten, daß Yaffe den Anstieg der unproduktiven Ausgaben als eine »objektive« ökonomische Entwicklung darstellt, daß aber dieser Anstieg in Wirklichkeit zumindest teilweise aufgrund der vergangenen, gegenwärtigen und potentiellen Arbeiterkämpfe stattfindet. Die Ausweitung der sozialen Dienstleistungen und des staatlichen Sektors sind zustandegekommen, weil die Arbeiterklasse sich das Recht auf Vollbeschäftigung und ein System sozialer Grundversorgung erkämpft hat. Wie selbst Yaffe hervorhebt, ist das hauptsächliche Ziel der sozialen Dienstleistungen die Aufrechterhaltung des sozialen Friedens. Die »unproduktiven Ausgaben« sind also zum Großteil ein System zur Verdunkelung des Klassenkampfs als deren Ursache und zu seiner Verwandlung in eine neue »objektive« ökonomische Kategorie.

[6] Vgl. zum Beispiel Brecher-Costello, Common Sense for Hard Times, 1976.

[7] Hier sind der Unterschied und die Beziehung zwischen den beiden Begriffen von »Produktivität« wichtig. Für Marx bedeutet Erhöhung der Produktivität, daß das Produkt einer gegebenen Quantität von Arbeit gesteigert wird; für die bürgerliche Ökonomie bedeutet es, daß das Produkt einer gegebenen Quantität von Arbeitszeit gesteigert wird (»Produkt pro Beschäftigtem in der Stunde«). Die Bedeutung liegt darin, daß der bürgerliche Begriff nicht unterscheidet zwischen einem Zuwachs des Produkts pro Stunde und Beschäftigtem, der dem technologischen Fortschritt geschuldet ist und dem, der einer Beschleunigung des Arbeitsprozesses geschuldet ist. In den 60er und 70er Jahren hat der Produktivitätsrückstand im Marx'schen Sinn die Kapitalisten dazu gebracht, das Stundenprodukt pro Beschäftigtem durch die Intensivierung der Arbeit steigern zu wollen, womit sie mehr Arbeit aus einer Einheit Arbeitszeit erhalten haben. Oft finden die beiden Sachen parallel statt, zum Beispiel wird bei der Einführung der Fließbandarbeit nicht nur die produktive Kapazität der Arbeit erhöht, sondern die Arbeiter werden auch gezwungen, schneller zu arbeiten. Dennoch wird dort, wo eine technologische Entwicklung fehlt, wie in der britischen und italienischen Industrie der 60er Jahre, der Akzent auf die Intensivierung der Arbeit gelegt.

[8] Taylor selbst behauptete, daß die wissenschaftliche Arbeitsorganisation »hohe Löhne und niedrige Arbeitskosten« ermöglichen würde, »die nicht nur kompatibel, sondern ... in den meisten Fällen voneinander abhängig« seien. (F. W. Taylor, Shop Management, 1908, S. 21 f.) Siehe auch die deutsche Ausgabe Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung, Weinheim 1995, S. 27 f..

[9] Alan Jones, Britain on the Edge of the Abyss!, in: Inprecor Nr. 40/41, Dezember 1975.

[10] Deutsch in: Zusammenbruchstheorie des Kapitalismus oder Revolutionäres Subjekt; Berlin 1973; S. 47 f..

[11] Paul Mattick, Vorwort zur italienischen Ausgabe von Henryk Grossman, »Marx, l'economia classica e il problema della dinamica« [Marx, die klassische Nationalökonomie und das Problem der Dynamik], Bari 1975.

[12] Geoffrey Kay, The Falling Rate of Profit, Unemployment and Crisis, in Critique, Nr. 6, 1976.

[13] J. B. Procter, Capitalism Development, Class Struggle and Crisis in Italy, 1945-1975, in: Monthly Review, Vol. 27, Nr. 8, Januar 1976.

[14] Thelema Arranea, Notes on Italy, in: Solidarity, Vol. 8, Nr. 4.

[15] Paul Mattick, Marx und Keynes - die Grenzen des gemischten Wirtschaftssystems, Frankfurt 1974.

[16] Richard Hyman, Industrial Conflicts and the Political Economy: Trends of the Sixties and Prospects for the Seventies, in: The Social Register, 1973.

[17] Business Week, 22. September 1975, S. 96.

[18] The Times, 30. September 1976.

[19] Jan Stainberg, Why a few dissidents are frightening leaders in the West as well as in the East, in: Seven Days, Vol. 1, Nr. 3.


Anmerkungen von Wildcat:

Wir haben den Artikel von Ron Rothbart in der italienischen Zeitschrift Collegamenti/Wobbly (Nuova Serie 6-7, 1998-1999) entdeckt, die ihn schon einmal 1982 veröffentlicht hatte.

Auf die Bücher, die auf Deutsch erschienen sind, weisen wir ggf. in den Endnoten hin. Diese drei sind für Matticks Position besonders wichtig:

Die Zeitschrift Socialisme ou Barbarie erschien in Paris von 1949 bis 1965. Sie war entstanden aus einer Initiative von Ex-Trotzkisten und wurde zum Hauptvertreter operaistischer Tendenzen. Zu ihren Gründern und Redakteuren gehörten Castoriadis und Lefort. (siehe Endnote 1)

Von der Zeitschrift Zerowork sind nur zwei Nummern erschienen; die Themen, die sie behandeln, sind teilweise aus dem italienischen Operaismus entliehen, einige der Autoren schrieben auch in italienischen Zeitschriften. Wir haben beide Nummern 1988 als TheKla 10 auf Deutsch veröffentlicht.

Rothbart bezieht sich auf das Konzept der Selbsttätigkeit. So wie Castoriadis den Begriff Selbsttätigkeit benutzt, bezieht er sich auf die gesellschaftliche und Kampf-Aktivität, welche die Klasse dazu führt, sich als solche zu erkennen und sich als solche zu konstituieren, er ist das Sich-Machen der Klasse. Selbsttätigkeit ist etwas verschieden vom Begriff der Autonomie, mit dem nicht nur das Sich-zum-Subjekt-machen der Klasse gemeint ist, sondern auch ihre radikale Fremdheit ihrem ewigen Antagonisten, dem Kapital, gegenüber.


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