Wildcat-Zirkular Nr. 63 - März 2002 - S. 7-14 [z63palae.htm]


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Ergänzungen zu »Hintergründe der Intifada des 21. Jahrhunderts«

(in Beilage Wildcat-Zirkular 62)

Die Kritik im Nachwort konzentrierte sich auf einige Leerstellen in der Darstellung der Geschichte der jüdischen Besiedlung Palästinas bis zur Gründung des Staats Israel. Die grundsätzliche Kritik, daß das »Interpretationsraster« einer in Europa entwickelten sozialdemokratischen Vorstellung entspringt, läßt sich m.E. allein aus dem Text nicht entwickeln. Das Bild eines Klassenkompromisses während des »Fordismus« behauptet die grundsätzliche Einbindung zumindest eines Teils der Klasse in den Kapitalismus über einen langen Zeitraum - vereinfacht gesagt, Konsum gegen Produktivitätssteigerung. Aufheben versucht zwar darzustellen, daß das, was sie als settlement der israelischen Arbeiter beschreiben, das Ergebnis eines permanenten Kampfs ist, und insofern gehen ihre Überlegungen in eine richtige Richtung. Aber sie arbeiten mit einer Reihe von vereinfachenden Begriffen, auch an Stellen, wo es wichtig wäre, zu differenzieren, oder zumindest zu erklären, was genau gemeint ist. So verfallen sie leider über weite Strecken in eine Begrifflichkeit, die an die antiimperialistischen Analysen der 70er Jahre erinnert. Im folgenden will ich auf einige dieser Stellen eingehen. Das sind erstmal nur grundlegende Überlegungen, aber vielleicht kann eine breitere Diskussion dazu beitragen, die vorhandenen Lücken zu schließen.

Der zentrale Punkt, auf den Aufheben hinweist, ist die internationale Dimension des Konflikts. Seine Schärfe ist nicht allein aus der inneren Dynamik des Staates Israel heraus zu erklären. Neu ist diese Überlegung zwar nicht; zu sehr fällt nämlich ins Auge, daß die staatlichen Strukturen in der Region ohne finanzielle Zuwendungen von außen nicht aufrecht zu erhalten wären. Das gilt sowohl für Israel als auch für die palästinensische Autonomiebehörde, das gilt aber auch für das Kosovo, Mazedonien und Afghanistan. Weitgehend in Vergessenheit geraten ist allerdings, daß die Geschichte der Vertreibung und Proletarisierung der palästinensischen Bevölkerung mit dem Aufstieg der Ölwirtschaften im Nahen Osten zusammenhängt. Aufheben beschreibt das als »Ölproletariat«. Bei diesem Begriff geht es nicht allein um die Arbeiter auf den Ölfeldern, sondern um die Gesamtheit der ArbeiterInnen in den von der Ölproduktion abhängigen Gesellschaften. [1] Das für den globalen Markt Öl-produzierende Proletariat ist das, welches all die Länder wie Oman, Saudi-Arabien oder Irak am Laufen hält; Straßen oder Pipelines baut, Kranke pflegt - und eben auch mit dem ungeheuren Reichtum konfrontiert ist und »seinen« Anteil einfordert. Die Angst der Weltwirtschaft vor einem Mangel am Energieträger »Öl« liegt nicht in einem möglichen Versiegen der Ölquellen begründet, sondern in der Angst davor, daß die Gesellschaften der ölproduzierenden Länder auseinanderbrechen und die Produktion außer Kontrolle geraten könnte. Die Labilität der Gesellschaften von Kuwait bis zum Irak hat sehr viel mit ihrer extremen Abhängigkeit von der Arbeitskraft der Millionen ImmigrantInnen zu tun. Teilweise sind 80 Prozent der arbeitenden Bevölkerung foreign workers. Hier liegt auch der Zusammenhang mit dem israelischen Konflikt begründet; zum einen schuf die Vertreibung Hunderttausender Palästinenser 1948 das erste arabische Proletariat, das massenhaft in die Golfstaaten ging, und zum anderen brauchten die saudischen und die anderen Herrscher immer eine legitimierte Militär- und Polizeimacht, um die Immigrantinnen in Schach halten zu können. Für die Legitimation der permanenten Konfliktstrategie bot sich seit Ende der 40er Jahre das »künstliche Gebilde« Israel an. Nicht nur das »aggressive« Israel, sondern auch die arabischen Herrscher waren und sind am Kochenlassen des palästinensischen Konflikts interessiert. Um die Hintergründe des arabischen und zionistischen Nationalismus darzustellen, wäre an dieser Stelle eine genauere Darstellung der Migration in die Golfstaaten hilfreich gewesen:

a) Welche Rolle spiel(t)en tatsächlich die Palästinenser in den Kämpfen der »Ölarbeiter«? Wie groß war ihr Anteil an der Arbeiterschaft, welche Jobs haben sie dort gemacht und welche Rolle spielten sie bei der Organisierung von Kämpfen? Dazu gehört auch die Frage, welchen Sinn es macht, bspw. die Menschen, die seit fünfzig Jahren in Jordanien leben und dort aufgewachsen sind, unter dem Begriff »Palästinenser« zu fassen und zu suggerieren, sie hätten ein natürliches Interesse, wieder dorthin zurückzukehren, wo ihre Eltern und Großeltern gelebt hatten.

b) Welche Rolle spielte die palästinensische Oberschicht bei der Ausbeutung ihrer »Landsleute«? Bei der Betonung auf die Vertreibung »der« Palästinenser durch »die« Israelis vergißt man leicht, daß sich die palästinensische Oberschicht teilweise genau daran eine goldene Nase verdient hat. Arafat ist dafür ein Beispiel; mit seiner Baufirma hat er in den 50er und 60er Jahren durch die Ausbeutung palästinensischer Arbeiter in Kuwait ein Vermögen verdient, welches er dann teilweise in den Aufbau seines nationalistischen Vereins, der Fatah gesteckt hat. Der Hintergrund der »Bourgeoisie in der Diaspora«, von der Aufheben spricht, ist nicht allein ihre Unabhängigkeit von den »natürlichen Ressourcen« des Landes Palästina wie dem Boden. Ihr Reichtum beruht dagegen oft gerade auf der Trennung der palästinensischen Bevölkerung vom Land.

c) Welche Auswirkungen hatten die jeweiligen israelisch/arabischen Kriege auf die Arbeiter am Golf - sowohl auf die Palästinenser, als auch die anderen arabischen Arbeiter? In bezug auf den Golfkrieg 1990/91 ist viel zu der Vertreibung von fünf bis sechs Millionen Arbeitern aus den Golfstaaten geschrieben worden; aber auch in den 70er Jahre gab es z.B. in der Folge des Yom Kippur Krieges und der folgenden Annäherung Ägyptens an Israel eine große Verschiebung innerhalb der ägyptischen Migranten in den Golfstaaten.

d) Gibt es heute noch einen Zusammenhang zwischen »Palästina« und der Situation am Golf? Gibt es noch eine nennenswerte Zahl von palästinensischen Arbeitern in Kuwait? Welche Rolle spielt die Eskalation der Auseinandersetzungen zwischen Scharon und Arafat/Islamisten jetzt bei der drohenden Niederschlagung von Arbeiterkämpfen in den Staaten wie Saudi-Arabien?

Um auf die erste Frage zurückzukommen; die Diskussion um die palästinensische Emigration nach den Golfstaaten bewegt sich zwischen zwei Positionen: die eine ignoriert jeden materiellen Zusammenhang zwischen den Kämpfen am Golf und den Palästinensern, die andere Position, wie sie Aufheben vertritt, weist den Palästinensern quasi im Alleingang die Urheberschaft an den Erschütterungen der 70er und 80er Jahre zu. Erschöpfend kann ich die Frage nicht beantworten. Tatsache ist aber, daß unter den sieben bis acht Millionen Immigranten in den Golfstaaten in den 80er Jahren etwa 450 000 Palästinenser (davon 400 000 Jordanier) waren, die sich vor allem auf Kuwait konzentrierten. Nach dem Golfkrieg wurden sie 1991 fast alle überwiegend nach Jordanien abgeschoben und 50 000 in die besetzten Gebiete. Die größten Massenvertreibungen hat es aus dem Irak und aus Saudi-Arabien gegeben. Aus dem Irak wurden etwa zwei Millionen Menschen vor allem aus Ägypten und aus dem Sudan abgeschoben; aus Saudi-Arabien allein eine Million Jemeniten.

Ich denke, daß hier auch ein möglicher Grund für die bis heute relativ große Unterstützung Arafats in der Bevölkerung liegt. Er und seine Kaste sind vielleicht weniger die heroischen Kämpfer für die nationale Sache, sondern im stärkeren Maße diejenigen, die gleichzeitig das Versprechen auf eine bessere Zukunft verkörperten. Zudem ließen die anderen arabischen Länder den Menschen dort auch keine andere Wahl; mit dem Hinweis auf den »Schuldigen« Israel und den kommenden Staat Palästina wurden sie überall, ob im Libanon, Jordanien, Syrien usw. in Lager gesteckt, aus denen sie tendenziell nur mit Hilfe der nationalistischen Vereine entkommen konnten. Insofern wäre es weniger eine »Verblendung« der Menschen, die sie in die Arme ihrer nationalen Führer trieb, als vielmehr eine Falle des individuellen Überlebens.

Insgesamt ist die These von Aufheben dahingehend abzuschwächen, daß die politische Sprengkraft der »Palästina- Frage« bis Ende der 80er Jahre zwar teilweise schon mit den realen Kämpfen der palästinensischen »Ölarbeiter« zusammenhing, zum großen Teil aber eher eine eben »politische« war - die permanente Krisen- und Kriegsdrohung. Diese Drohung und Durchsetzung von Kriegen hat sich dann aber praktisch nicht nur gegen die Palästinenser gerichtet, sondern gegen alle Bewegungen, die die Diktaturen am Golf bedroht haben.

Seit dem Golfkrieg hat sich das Bild noch mal verschoben. Palästinensische Arbeiter gibt es kaum noch am Golf. Überhaupt ist die Zahl arabischer Migranten in der Golfregion seit Anfang der 90er Jahre drastisch zurückgegangen. Sie sind in den »westlich orientierten« Staaten weitgehend durch asiatische ArbeiterInnen ersetzt worden. Im Irak gibt es kaum noch Immigranten. Die arabischen Ölstaaten stehen heute vor einem anderen Problem. Die Pläne einer Öl-finanzierten Industrialisierung sind weitgehend gescheitert. Zu einem guten Teil an dem Problem, daß sie über Jahrzehnte gezwungen waren, ihre politische Legitimation durch weitreichende Zugeständnisse an ihre Staatsbürger zu erkaufen. Diese Staatsbürger haben sich nun an viele Sozialleistungen, an relativ lockere Verwaltungsjobs und notfalls Armeekarrieren gewöhnt. Mit dem Rückgang der Öleinnahmen hat auch hier die »Krise« Einzug gehalten. Allerorten, von Algerien über Saudi-Arabien bis nach Kuwait wird seit den 90ern einerseits über eine steigende Arbeitslosigkeit der »eigenen« Bevölkerung und andererseits über die mangelnde Bereitschaft dieser Menschen zu manueller Arbeit gejammert. Die Wut der (sehr jungen) Bevölkerung über die Folgen der Krise wird versucht, gegen die Arbeitsimmigranten zu lenken. Unter dem Schlagwort der »Omanization«, der »Saudization« oder sonst einer »-ization« wird überall die Reduzierung der Zahl der fremden Arbeiter durch Repression und eine »aktive Arbeitsmarktpolitik« gegenüber den eigenen Staatsbürgern propagiert. Neue Arbeitsplätze sollen durch Privatisierung von Staatsbetrieben und Anreize für ausländische Investoren geschaffen werden. Das wiederum sorgt für Unruhe, die sich politisch oft gegen den »Ausverkauf« des Landes an »fremdes« Kapital richtet. Von Pogromen gegen Immigranten zu schweigen (Libyen Herbst 2000). Algerien und der Irak sind in dieser Politik sicherlich am radikalsten vorgegangen; der algerische Privatisierungsprozeß und »Sozialabbau« versucht sich durch ein inszeniertes Blutbad zu verwirklichen. Der Irak hat nahezu alle Immigranten nach 1991 herausgeworfen. Mit Luftunterstützung der USA und Großbritanniens wird die ansässige Bevölkerung seit mindestens zehn Jahren durch einen permanenten inneren Krieg hin- und hergetrieben und vom Land gejagt. Nach groben Schätzungen sind eine Million Einwohner aus dem Süden in die Ölgebiete des Norden umgesiedelt worden, Kurden aus dem Norden wurden in den Zentralirak gebracht, usw.. Die Sanktionen der UN unter dem Label »Öl für Lebensmittel« bezwecken nichts anderes, als eine weitere Zurichtung der irakischen Wirtschaft auf den Ölsektor. Der Irak ist mittlerweile wieder einer der größten Ölproduzenten der Welt, während landwirtschaftliche Güter oder sogar Dünger unter das Embargo fallen. Trotzdem kam es in den letzten Jahren immer wieder zu Aufständen, so z.B. 2000 in der Gegend um Basra, als Saddam Hussein die Stadt mit Panzern und Artillerie beschießen ließ. Vielleicht muß die NATO jetzt vollenden, was dem Regime nicht gänzlich gelungen ist? [2]

Im Gegensatz zu den eher reichen, Arbeitskräfte »importierenden« Staaten sind Ägypten, Jemen, Jordanien und Sudan auf den »Export« von Arbeitskräften angewiesen. Jemen und Sudan sind seit der erzwungenen Rückkehr der Arbeitsemigranten seit Anfang der 90er Jahre im Bürgerkrieg und mehr oder weniger auseinandergebrochen. [3]

Gegen diese Länder richtet sich unter anderem die aktuelle Kriegsdrohung der USA richtet. Die dortigen islamistischen Regimes nehmen von den USA Militärhilfe an zur Unterdrückung der noch »radikaleren« Islamisten. In Jordanien gibt es seit den 90er Jahren immer wieder Unruhen und riots. Ägypten kann die »fundamentalistische Gefahr« und soziale Unruhen nur durch massive Militärgewalt unter Kontrolle halten. [4]

Welche Gefahr die Unruhen unter ägyptischen Arbeitern in Kuwait auch für das ägyptische Regime darstellen, zeigte sich Ende 1999, als sich mehrere Tausend von ihnen Straßenschlachten mit der kuwaitischen Polizei lieferten. Daraufhin kam es zu »ernsten Verstimmungen« zwischen den Regierungen über die Frage der Behandlung der »Gastarbeiter«. [5]

Die palästinensischen Autonomiegebiete waren ähnlich wie z.B. der Jemen nicht in der Lage, die ausbleibenden Überweisungen der Emigranten aufzufangen. Die Hoffnung der Herrschenden war sicherlich, die neue Armut in den Zwang zur Billigarbeit in neuen Industrieparks umzuwandeln. Mit diesem Vorhaben sind sie gescheitert.

Damit zum letzten Teil, der Entwicklung innerhalb der Autonomiegebiete und der These von Aufheben, die Intifada sei für dieses Scheitern verantwortlich. Für eine politische Kritik des Nationalismus führen zum einen die von ihnen verwendeten Begriffe und Unterscheidungen zwischen den verschiedenen nationalen Kapitalfraktionen und -gruppen nicht wirklich weiter. Zum anderen drängt sich allein angesichts der bloßen statistischen Zahlen die Frage auf, ob sie nicht ein wenig der Propaganda und den Wunschträumen der kapitalistischen Strategen aufgesessen sind. Im Sommer 2000, unmittelbar vor Ausbruch der Intifada, haben gerade mal 4000 Menschen in den neugeschaffenen Industriezonen gearbeitet. Der Grund, daß diese Projekte scheiterten, lag nach Überzeugung von palästinensischen Ökonomen, Weltbank und ILO in der mangelnden Bereitschaft der meisten Arbeiter, dort Arbeit zu suchen. Die palästinensische Autonomiebehörde sah ihre mögliche »Marktlücke« in einer billigen Weltmarktproduktion von Textilien und Schuhen. Nur mußten sie zweierlei feststellen: Angesichts der relativ hohen durchschnittlichen Qualifikation der Arbeiterschaft ist die Bereitschaft relativ gering, an die Nähmaschine zu gehen. Zum anderen bot bislang der Arbeitsmarkt in Israel und in den Siedlungen einen wesentlich höheren Lohn, als in der »nationalen« palästinensischen Produktion. Nach Berechnungen der Behörde war der Lohn selbst in den Siedlungen fast doppelt so hoch wie der in der Textilindustrie. Angesichts dieses Dilemmas kam im Juni 2001 eine Studie im Auftrag der Weltbank zu dem Schluß, daß nur die völlige Abschottung des israelischen vom palästinensischen Arbeitsmarktes die palästinensische Wirtschaft retten könne. [6]

Genau das ist auch die Position, wo sich Arafat und Scharon treffen. Ein Massaker an den Menschen dort, um den palästinensischen Staat zu retten. Sicherlich lag dem Ausbruch des Aufstands eine zunehmende Wut über die Korruption und das Scheitern der Versprechungen der Herrschaften zugrunde. Daß der Traum von den (für einige wenige zumindest) »blühenden Landschaften« so schnell ausgeträumt war, hat aber auch mit der Weigerung der Menschen dort zu tun, die vom »Weltmarkt« diktierten Bedingungen zu akzeptieren. Die schnelle Militarisierung der Revolte durch die Milizen, die Islamisten und die israelische Regierung dient dagegen dem Ziel, diese Revolte wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Zu der von Aufheben gestellten Frage, warum es im großen und ganzen zu keinem praktischen Zusammenkommen der palästinensischen und der israelischen Arbeiterklasse kam und kommt, hat die palästinensische Soziologin Laila Farsakh eine recht einleuchtende Erklärung: Der seit der Besetzung sowohl nach Sektoren, als auch nach Regionen höchst segmentierte Arbeitsmarkt verhindere weitgehend gemeinsame Erfahrungen und Kämpfe auf der Arbeit. Wie soll es unter diesen Bedingungen zu praktischer Solidarität kommen?

M., Hamburg

 

Farsakh, L. 1998, Palestinian Employment Israel 1967-1997: A Review, Ramallah: MAS Palestine Economic Policy Research Institute
Zwischen 1975 und 1990 absorbierte der israelische Arbeitsmarkt 25-40% der palästinensischen Arbeitskräfte; ihr Einkommen machte ca. 25% des BIP der P- Gebiete aus. Nach dem Osloabkommen fiel die Zahl der palästinensischen Arbeiter in Israel von 120 000 in 1992 auf 36 000 in 1996. Gleichzeitig stieg die Arbeitslosenquote auf 21,5%.
 
In der Geschichte der palästinensischen Arbeitsmigration nach Israel macht Farsakh fünf Phasen aus, die durch tiefe strukturelle und quantitative Brüche gekennzeichnet waren:
 
1968-1973:
Öffnung des israelischen Arbeitsmarkts für Palästinenser und Wachstum der israelischen Wirtschaft. 60 000 Palästinenser arbeiten in Israel, d.h. 30% der Arbeitskräfte Palästinas.
 
1974-1980:
Rezession in Israel und steigender Bedarf an Arbeitskräften aus den Ölstaaten. Diese kommen überwiegend aus der Westbank. Dementsprechend ersetzen Arbeiter aus dem Gazastreifen die, die vorher aus der Westbank nach Israel gegangen waren. 35-40% der Arbeiterschaft des Gazastreifens arbeiten in Israel und 20-25% der Arbeiter aus der Westbank.
 
1980-1987:
Der Bedarf an palästinensischen Ölarbeitern fällt, so steigt wieder die Abhängigkeit von Israel. Volle Integration der palästinensischen Wirtschaft in die israelische. Die Löhne für palästinensische Arbeiter in Israel und in Palästina gleichen sich an.
 
1988-1992:
Beginn der Intifada. Arbeiter aus Gaza werden durch welche aus der Westbank ersetzt. Größte Abhängigkeit von Israel 1992, als mehr als 120 000 Palästinenser in Israel arbeiten.
 
1993-heute:
Das Osloabkommen markiert den Beginn der Abschottung des israelischen Arbeitsmarkts für Palästinenser. 1996 sind noch 36 000 Arbeiter in Israel beschäftigt; 1997 kommt es noch mal zu einem Anstieg auf etwa 70 000. Die Beschränkungen, Grenzkontrollen, etc. werden in Gaza wesentlich härter durchgezogen. Ab 1993 Einfuhr von ausländischen Arbeitern nach Israel. Deren Zahl soll im Jahr 1997 250 000 betragen.
 
Änderungen im Alter und Ausbildungsstand der palästinensischen Wanderarbeiter:
Bis 1985 arbeiteten vor allem junge (zwischen 15 und 24 Jahre alte) und unqualifizierte Arbeiter in Israel. Nach 1993 stieg das Alter der in Israel beschäftigten palästinensischen Arbeiter und deren Qualifikation. Farsakh erklärt diesen Wechsel allerdings weniger durch die Immigration der Rumänen und Thailänder, vielmehr mit einem strukturellen Wandel der israelischen Wirtschaft. Die foreigners und die Palästinenser würden in unterschiedlichen Regionen und »Subsektoren« eingesetzt werden.

Fußnoten:

[1] Die Diskussion über das Ölproletariat begann Ende der 80er Jahre; wir haben sie in weiten Teilen auf Deutsch veröffentlicht. Vgl. TheKla 14: Ölwechsel, 1990; TheKla 17: Arbeit, Energie, Krieg, 1991; Wildcat-Zirkular 6, 1994;

[2] Siehe z.B. PROFILE OF INTERNAL DISPLACEMENT: IRAQ Compilation of the information available in the Global IDP Database of the Norwegian Refugee Council, 25 July, 2001, und Iraq's Policy of Ethnic Cleansing.

[3] The Labor Element in Yemeni-Saudi Relations: A Lasting Consequence of the Gulf War.

[4] Siehe bspw. Asia-Times, 13.2.02, Egyptian labor reforms fuel militancy - http://news.bbc.co.uk, 5 March, 2000, Egypt traffic death sparks riot.

[5] Siehe bspw. mehrere Artikel in der Wochenzeitung Al Ahram vom November 1999, http://www.ahram.org.eg und Artikel in der FR und der NZZ.

[6] Ruppert Bulmer, Elizabeth: The impact of future labor policy options on the Palestinian labor market, Juni 2001.


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