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29.08.2022

Pelosis Trip nach Taiwan und die neue Intel-Fabrik in Magdeburg

Anfang August hat Biden den Chips and Science Act unterschrieben, der 52,7 Milliarden Dollar direkte Subventionen für die Chipproduktion in den USA vorsieht. Wenige Tage später setzte die US-Regierung vier weitere »kritische Technologien« auf eine Liste, die ihren Export nach China verbietet. Das schadet vor allem holländischen, taiwanesischen, südkoreanischen und deutschen Firmen. Trotz der Sanktionen der letzten Jahre ist die chinesische Chip-Fertigung (SMIC) inzwischen in etwa gleichauf mit der US-amerikanischen (Intel). Beiden voraus sind Südkorea (Samsung) und vor allem Taiwan (TSMC). Auf die USA entfallen noch etwa 15 Prozent der weltweiten Chipproduktion, auf die EU 10 – der Rest wird in Asien hergestellt.

Kurz vor dem Taiwanbesuch Pelosis unterschrieb Biden Ende Juli eine strategische Partnerschaft mit Japan, um diesen Vorsprung einzuholen; pikant daran: Südkorea und Taiwan werden im Moment noch gebraucht, auf mittlere Sicht aber für unsichere Kantonisten gehalten. Kurz nach Pelosis Taiwantrip flog der südkoreanische Außenminister nach China, um Wasser ins Feuer zu gießen; 2021 hatte Südkorea 48 Prozent seiner Chipproduktion nach China exportiert.



Die Halbleiterindustrie hat ihre Profite vor allem durch massive Globalisierung realisiert – und sich deshalb gegen die (geo-)politischen Beschränkungen durch die USA mit betiebswirtschaftlichen Argumenten gewehrt. In der »Zeitenwende« prescht Intel seit Anfang des Jahres voran; sein Geschäftsführer Gelsinger redet davon, »Asien die Produktionskontrolle zu entreißen« und sieht den Ukrainekrieg als »Bestärkung« ihres Fab-Projekts in Magdeburg (dort will Intel die größte Chipfabrik Europas bauen).

»Bestärkt« haben ihn in Wirklichkeit die Subventionen in den USA und in der EU. Gelsinger: »Lasst uns die Krise nutzen. Das ist gutes Wirtschaften plus nationale Sicherheit!«

Auch die »Bundesagentur für Sprunginnovationen« (SPRIND) argumentiert, da »Halbleiter und High-Tech-Komponenten zu Waffen werden«, müsse man »in High-Tech investieren, um resilient zu werden«. Die Frage ist allerdings: wer soll »resilient« werden? und gegen wen? Die Biden-Administration will die Halbleiterstrategien im Juni 2021 eingerichteten »U.S.-EU Trade and Technology Council« abstimmen. Die EU möchte lieber eine eigenständige Subventionspolitik, die (»im Notfall«) einen Rückgriff auf Schlüsseltechnologien sicherstellt. Die Pandemie-Erfahrung ist noch frisch, als (trotz – oder wegen? – Biontech-Pfizer) die USA und GB schnelleren Zugriff auf Impfstoffe hatten. Nachdem der Ukrainekrieg den Handel zwischen der BRD und Russland fast vollständig abgeschnitten hat, dreht sich in der nächsten Runde alles um die Frage, ob sich die BRD gleichermaßen von China abkoppelt (bzw. abkoppeln kann)?

Diese geopolitische Entwicklung ist krisengetrieben und verschärft die ökologische Krise

Intel steht das Wasser bis zum Hals; die Fortschritte der Halbleiterei scheinen erschöpft; die Krisendynamik beschleunigt sich.

Der Ressourcenhunger der Halbleiterei ist von diesem Planeten nicht mehr bedienbar. Intels Fabrik in Magdeburg (450 ha versiegelte Fläche auf den fruchtbarsten Böden Deutschlands) wird bis zu 45 Millionen Liter Trinkwasser pro Tag brauchen – und hilft trotzdem dem Konzern beim »Green Washing«, weil 60 Prozent des Strombedarfs in Sachsen-Anhalt aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Tatsächlich ist die Chipindustrie in eine »Ära der Ineffizienz eingetreten«. Die Herstellung der neuen Generation von Chips wird noch mehr Energie verbrauchen und Treibhausgase ausstoßen als bisher. Der Stromverbrauch zum Training der sogenannten »Künstlichen Intelligenzen« ist exponentiell gewachsen; 2025 werden Maschinen mehr Daten generieren als es Menschen tun. Wenn es so weiter geht, wird die Halbleiterindustrie 2030 20 Prozent des globalen Energiebedarfs benötigen.

Das größte Problem (vor allem in Europa und den USA) sind aber die fehlenden Arbeitskräfte. 1977 arbeiteten weltweit 64000 Menschen in der Chipfertigung. 1980 waren in einer Fab durchschnittlich 1000 Leute beschäftigt; heute sind es 10000. Weltweit gibt es 153 Fabs, die 300mm-Wafer bearbeiten können. Bis 2026 soll diese Zahl auf über 200 ansteigen. Aber wer soll in diesen ganzen Chipfabriken arbeiten? Bereits jetzt fehlen überall Arbeitskräfte. Es gibt eine scharfe Konkurrenz um die globale Migration der neuen Tech-Gastarbeiterinnen; man versucht, durch höhere Löhne und Abwerbung zu punkten, aber das ändert letztlich nichts am globalen Arbeitskräftemangel, den die geopolitischen Strategien noch verschärfen. (Außerdem führt die »Geopolitik« dazu, dass zum Beispiel in Magdeburg eine Fabrik für Computer- und SmartPhone-Chips gebaut wird – während in Deutschland und Europa Chips für die Autoindustrie und den Maschinenbau fehlen.)

Für das weitere Wachstum der Chipindustrie müsste man fast alle verfügbaren Ressourcen – Energie – Wasser – Arbeitskräfte in diese Branche stecken. Aber irgend jemand muss ja auch noch Brot backen und Käse machen!

Über diese Zusammenhänge unterhalten wir uns ausführlich im Artikel »Summer of Semis« im neuen Heft. Empfehlenswert ist dazu auch der Artikel in der Wildcat 108 zur Chipkrise.



 
 
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