A.Sivanandan: RAT - und wie der schwarze Kampf auf den Hund gekommen ist [m001siva.htm]


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RAT und der Niedergang des schwarzen Kampfes

[RAT and the degradation of black struggle]

Ambavalaner Sivanandan

aus: A. Sivanandan: Communities of Resistance: Black Struggles for Socialism; zuerst erschienen in Race & Class vol. XXVI, no. 4 (1985)

Es herrscht ein Klassenkrieg im Marxismus darüber, wer angesichts der Zersetzung des Industriekapitalismus und der Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse die eigentlichen Akteure revolutionärer Veränderungen seien: die orthodoxe Arbeiterklasse, die gar nicht mehr orthodox ist, oder die »ideologischen Klassen«, auch bekannt als neue soziale Bewegungen [new social forces]. Zu diesem Krieg hatte einerseits die wachsende Desillusionierung über den Sowjetkommunismus geführt, andererseits die schwindende Aussicht darauf, in spätkapitalistischen Gesellschaften eine Staatsmacht zu erobern, die immer diffuser und undurchsichtiger wurde. Die praktische Lösung für beide Probleme lief auf eine Variante der Sozialdemokratie namens Eurokommunismus hinaus. Die theoretische Lösung lief darauf hinaus, Marx neu zu lesen, Gramsci wieder hervorzuholen und einen intellektuellen Rigor an den Tag zu legen, der mit einem Mortis aller Aktivitäten einher ging. Der Arbeiterklasse wurden damit ihre politisch wichtigsten - die schwarzen, feministischen, lesbisch-schwulen, grünen usw. - Fäden herausgerissen und im Namen des Antiökonomismus dem Ökonomismus überlassen. Umgekehrt werden seitdem die neuen sozialen Bewegungen, vom ökonomischen Determinismus (und Klassenreduktionismus) befreit, als politische und ideologische »Klassen« des neuen Radikalismus gehandelt. Aber diese Flucht vor der Klasse macht höchstens aus ideologischen Prioritäten idealistische Ängste und aus politischer Autonomie personalisierte Politik und Trostpflaster. All dies ist in der Linken mittlerweile Allgemeingut und hat einen festen Platz und einen Namen in den Kommunalverwaltungen, wo Labour regiert. Am klarsten drücken sich diese Tendenzen und ihr tödlicher Einfluss auf die neuen sozialen Bewegungen in der Philosophie und Praxis des Racism Awareness Training (RAT) aus, dem Ruin des schwarzen Kampfes - der selbst schon eine Folge der Flucht der Rasse vor der Klasse war.

Kultur, Gemeinschaft und Klasse

Ursache der Flucht vor der Klasse in der schwarzen Bewegung in Großbritannien aber war das Ende der schwarzen Gemeinschaft gewesen. Entstanden war diese Gemeinschaft - von Schwarzen, von Afro-KaribInnen-AsiatInnen - in den Nachkriegsjahren aus einer Kultur des Widerstands gegen den Rassismus in den Fabriken und den Innenstadt-Vierteln, in denen die Afro-KaribInnen und AsiatInnen arbeiten und leben mussten. Als ArbeiterInnen waren sie ursprünglich durch eine koloniale Arbeitsteilung gespalten, die im Wesentlichen die Afro-KaribInnen in die Dienstleistungsbranchen und die AsiatInnen in die Stahlwerke und Fabriken gesteckt hatten. Aber als BewohnerInnen desselben Ghettos fanden sie sich wieder im gemeinsamen Kampf gegen einen Rassismus, der ihnen ihre Grundbedürfnisse nach Wohnungen, Ausbildung und Sozialleistungen verwehrte und sie mit rassistischen Vermietern, rassistischen Lehrern, rassistischen Sozialarbeitern und rassistischen Polizisten konfrontierte. Gemeinsame Probleme und gemeinsame Interessen führten zu einer gemeinsamen Widerstandskultur - und zur Gemeinschaft.

Dieses Gemeinschaftsgefühl wurde von einer gemeinsamen (wenn auch unterschiedlichen) Tradition des Kampfs gegen den Kolonialismus in Afrika, Asien und der Karibik verstärkt. Nkrumah, Nehru, Garvey, Padmore, James und Williams waren Sterne, die alle im selben Sternbild standen, und die Kämpfe des einen Kontinents beeinflussten die Kämpfe des anderen und umgekehrt. Als die afrokaribischen oder asiatischen ArbeiterInnen bei Arbeitskämpfen oder angesichts rassistischer Diskriminierung und/oder Ausbeutung von den Gewerkschaften hängengelassen wurden, schlossen sich hinter ihnen also die Reihen der schwarzen Gemeinschaften, die ihnen die nötige Unterstützung und Schlagkraft für die Durchführung von Protesten oder die Organisierung von Streiks gaben. Und das sorgte dann dafür, dass die Interessen der Klasse fest mit den Belangen der Gemeinschaft verschmolzen waren und eine gewaltige politische Kraft entstand, die ihre zahlenmäßig Größe weit übertraf.

Die Führung dieser politischen Kraft und ihre ideologischen Anschauungen kamen aus einer Vielzahl von schwarzen marxistischen Organisationen (die bekanntesten waren die Indian Workers' Association (IWA) und die Universal Coloured Peoples' Association (UCPA)), die sich als Reaktion auf den Eurozentrismus der weißen Metropolenlinken über eins einig waren: dass die Einheit und Autonomie des schwarzen Kampfes die Kämpfe der Klasse als ganzer nur bereichern und politisieren konnte. Das hieß nicht, dass sie andere kulturell ausschlossen. Im Gegenteil richteten sich ihre Kämpfe, obwohl sie von einem Widerstand gegen die Unterdrückung schwarzer Menschen ausgingen, auf die Befreiung der Klasse. Und darin ließen sie sich von dem Verständnis leiten, dass jeder Kampf gegen den Rassismus, der den Klassenkampf vertiefte und ausweitete, der richtige Kampf war. Umgekehrt war jeder Kampf, der in die Sackgasse des reaktionären Nationalismus führte, der falsche. Daher ihr Standpunkt: für die Schwarzen und darum für die Klasse.

Diese Politik wurde wiederum in den Tempeln, den Kirchen und den Sonntagsschulen und durch Versammlungen und Demonstrationen und Zeitungen und Flugblätter, die die Kämpfe hier mit den Kämpfen zuhause verbanden und gemeinsame Sache mit den Bewegungen in Afrika, Asien und der Karibik machten, in die Gemeinschaft zurückgespeist. Und es war diese gemeinsame und lebendige Kultur des aktiven Widerstands gegen Rassismus und Imperialismus, der die schwarze Gemeinschaft zusammenhielt, der Rasse mit Klasse verband und den Boden für die Kämpfe der zweiten Generation bereitete (Sivanandan 1982 a).

Es war daher kein Zufall, sondern lag in der Natur der Sache, dass der Staat der schwarzen Bewegung kulturell an die Kehle ging, mit Strategien, um diese Kultur in ihre Bestandteile zu zersetzen - und diese dann zur Integration herzurichten. Und Integration, wie sie Innenminister Roy Jenkins im Mai 1966 definierte, war »nicht als verflachender Assimilationsprozeß, sondern als Chancengleichheit verbunden mit kultureller Verschiedenheit in einer Atmosphäre gegenseitiger Toleranz« zu sehen. Aber die »Chancengleichheit« kam nie in Gang und sollte es auch gar nicht, und als zwei Jahre später schon wieder ein rassistisches Immigrationsgesetz verabschiedet wurde, stellte sich die Aufforderung zu »gegenseitiger Toleranz« endgültig als zynisch heraus. Die Betonung lag auf »kultureller Verschiedenheit« - und auf der Integration dieser Kulturen in eine »kulturelle« pluralistische Konstruktion. Rassismus war keine Frage von rassischer Unterdrückung und Ausbeutung, von Rasse und Klasse, sondern von kulturellen Unterschieden und ihrer Annehmbarkeit. Das Weißbuch von 1965 lag mit dem Versuch, das National Committee for Commonwealth Immigrants (NCCI) dazu zu bringen, »farbigen Immigranten« die britische Kultur beizubringen, völlig daneben. Aber der Race Relations Act von 1968 [1] wollte stattdessen - durch eine nationale Community Relations Commission (CRC) und ihre zahllosen Nachkommen in der Provinz - der weißen Machtstruktur die Immigrantenkulturen beibringen und so die sozialen und politischen Kosten der rassischen Ausbeutung minimieren. Und um diesen Prozeß in den am schlimmsten betroffenen Gegenden städtischer Verelendung zu erleichtern, sollte der Staat besondere Finanzhilfen bereitstellen - von denen vielleicht sogar etwas ins »Farbigenviertel« durchsickerte.

Aber diese Art von Multikulturalismus funktionierte auch nicht richtig. Weißen Gruppen oder Individuen westindische oder asiatische Völker zu erklären - wie es die CRC tat - oder (uneffektiv) in der rassischen Diskriminierung herumzustochern - wie es das Race Relations Board (RRB) zu tun gewöhnt war -, schien wenig zu nützen, um den Rassimus zu verwalten oder den schwarzen Widerstand zu brechen. Die Hilfe für die Städte hatte auch nicht die Teile (der Gesellschaft) erreicht, die solch eine Strategie geschmiert hätten; und obwohl eine Klasse von schwarzen Kollaborateuren im Schatten der CRC und des RRB heranwuchs, waren es noch zu wenige, um dem schwarzen Protest den Schneid abzukaufen. Und um es noch schlimmer zu machen, hatte die (Tory-) Regierung schon wieder ein neues Einwanderungsgesetz eingeführt (1971) [2], das sämtliche Ersteinwanderung abwürgte und alle Abhängigen (d.h. alle, die in ihren Ursprungsländern darauf warteten, zu ihren Familien nach Großbritannien zu kommen) auf eine Abschußliste setzte (Sivanandan 1982 b).

Ein anderer Kampf ...

Das Gesetz lenkte die Kämpfe der schwarzen Gemeinschaft und besonders der AsiatInnen vielleicht vom (politischen) Kampf gegen den Rassismus auf den legalistischeren Kampf für Einreisegenehmigungen für ihre Abhängigen ab. Aber indem es eine offizielle Kategorie illegaler Immigranten (und Dableiber) und ein polizeiliches Sonderdezernat (IIIU) zu ihrer Verfolgung schuf, schürte das Gesetz auch das Feuer des schwarzen Widerstands.

Die afro-karibischen Jugendlichen wurden ohnehin schon von der Polizei mißhandelt und durch das »Sus«-Gesetz kriminalisiert; jetzt wurden die AsiatInnen verdächtigt, Illegale zu sein, und konnten einfach am Arbeitsplatz oder zu Hause festgenommen werden. Und auf der Straße hatte sich der Sport des Paki-bashing (Pakistanis klatschen) angesichts der Gleichgültigkeit (wenn nicht Begünstigung) durch die Polizei zu allgemeinerer und organisierterer rassischer Gewalt ausgewachsen. Im Erziehungswesen mobilisierten sich die Eltern gemeinsam gegen die Abschiebung von afro-karibischen Kindern auf ESN-Schulen und die Verstreuung asiatischer Kinder auf Schulen außerhalb ihrer Viertel. In den Betrieben festigte der Rassismus der Gewerkschaften die (durch den Industrial Relations Act von 1971 größer gewordene) Macht der Arbeitgeber.

Und mit der Intensivierung des Rassismus intensivierte sich auch der Widerstand dagegen - aber auf andere Weise als in den 50er und 60er Jahren. Während die Kämpfe jener Zeit mit dem Kampf der ersten Generation gegen einen brutalen Rassismus, der Afro-KaribInnen und AsiatInnen Grundbedürfnisse und -dienste verweigerte, aufgenommen worden waren, mussten sich diejenigen Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre darauf beziehen, eine Sozial- und Ausbildungs-Infrastruktur für die zweite Generation zu schaffen - in Selbsthilfegruppen und sozialen Zentren, Hilfsschulen und Nachbarschaftsschulen, Workshops und Buchläden, Arbeitslosen- und Obdachlosenasylen, Jugendklubs und Vereinigungen. Und wegen des unterschiedlichen Rassismus gegenüber den verschiedenen Gemeinschaften, differenzierten sich diese Aktivitäten jetzt aus in afro-karibische und asiatische. Aber sie fanden immer noch ihren Ausdruck in und durch politische Gruppen und Organisationen - die, wenn sie auch in eine immer weniger »universelle« Richtung als die UCPA (1967-71) und eine immer weniger verallgemeinerte als die IWA (jetzt dreigeteilt) gingen, immer noch zusammenkamen, um sich in der Gemeinschaft zu versammeln und einen Protest aufzuziehen, eine Demonstration zu organisieren, Streikposten zu errichten. Und durch ihre Zeitungen und Bulletins und Demonstrationen verbanden sie weiterhin die Kämpfe von schwarzen Menschen in Großbritannien, den Kampf gegen den Rassismus, mit dem Kampf gegen den Imperialismus. Die Parameter des Kampfes waren noch dieselben wie im vorigen Jahrzehnt - außer dass sich jetzt, mit der zweiten Generation, die Prioritäten des Widerstands zu ändern begannen. Und obwohl es immer noch eine Kultur des Widerstands gab, die schwarze Gemeinschaften zusammenhielt und für Rassen-/Klassenkampf sorgte, war das mehr der bewußten Ideologie schwarzer politischer Parteien und Organisationen geschuldet als spontanen Initiativen der Gemeinschaften vor Ort.

Außerdem hatte sich die Verteilung der schwarzen ArbeiterInnen selbst seit der vorigen Periode geändert: Sie waren jetzt verstreut über verschiedene Industrien und nicht unbedingt (rassenmäßig) in wenigen konzentriert. Daher zeichneten sich die Streiks von 1972, 1973 und 1974 in den East Midlands (Nottingham, Loughborough, Leicester), Birmingham und der Londoner Region nicht nur durch die Unterstützung aus, die sie von schwarzen politischen Organisationen erfuhren, sondern auch durch ihre Versuche, den Rassismus der Gewerkschaften zu brechen und sie direkter am schwarzen ArbeiterInnenkampf zu beteiligen. [3] »Gewerkschaften waren schließlich die Organisationen ihrer Klasse und, wie lebenswichtig ihre Kämpfe als Schwarze auch waren, ein Volk für sich zu bleiben, würde bedeuten, den Klassenkampf selbst zurückzuwerfen: Der Kampf gegen den Rassismus war immer noch ein Kampf für die Klasse « (Sivanandan 1982 a).

Die Politik der schwarzen Jugendlichen war allerdings anderer Art: Sie waren nicht bereit, die »Scheißarbeit« zu machen, die ihre (Einwanderer-) Eltern zu machen gezwungen worden waren - sie wollten das, worauf sie einen rechtmäßigen Anspruch hatten -, und ihre Politik war daher aufständisch. Genauso wenig waren sie bereit, sich die wachsende Schikanierung und Brutalität durch die Polizei gefallen zu lassen - die 1972 den Segen der Presse und 1973 Brief und Siegel von der Regierung bekommen hatte. [4] Eine Reihe von Scharmützeln mit der Polizei prägte die frühen 70er Jahre - in Brockwell Park Fair (1973) z.B. und im Carib Club (1974) und in Chapeltown, Leeds in der bonfire nicht (1975) - und explodierte in einer direkten Konfrontation mit Steinen und Flaschen und dem Verbrennen von Polizeiwagen im Notting Hill-Karneval 1976.

... und eine andere staatliche Strategie

Schon 1974 hatten sich die Sorgen des Staates von den Widerständen der ersten Generation auf die der zweiten verlagert. Die 1968er Version des Multikulturalismus plus Hilfe für die Städte hatte klar versagt, weil sie in erster Linie auf die weiße Machtstruktur abzielte. Es hatte nichts bewirkt, außer eine Brut von schwarzen Kompradoren zu zeugen - in der Race-Relations-Industrie.

Die neue Labour-Strategie des Multikulturalismus plus Hilfe für die Städte sollte sich daher auf die schwarzen Gemeinschaften richten - und besonders die jeweiligen Selbsthilfeprojekte von AsiatInnen und Afro-KaribInnen finanzieren, die finanziell völlig ausgeblutet waren. Dementsprechend verkündete das Innenministerium 1975 die Vergabe von Hilfe an »Stadtgebiete, die es mit besonderen sozialen Problemen zu tun haben«, in der Größenordnung von sieben Mio. Pfund und finanzierte damit eine Menge von schwarzen Gemeinschaftsgruppen (siehe Sivanandan 1982 b). Und im September desselben Jahres ließ die (Labour-) Regierung in einem White Paper on Racial Discrimination (Weißbuch Rassendiskriminierung) die Absicht erkennen, dass ihre multikulturelle Strategie diesmal wirksame Chancengleichheits-Programme beinhalten sollte. Denn »das Wesen der farbigen Bevölkerung in diesem Land hat sich im letzten Jahrzehnt dramatisch verändert, ... und die Zeit ist nicht fern, wo die Mehrheit der farbigen Bevölkerung in Großbritannien geboren sein wird« - und es sei »lebenswichtig, das Reservoir an Durchhaltewillen, Initiative und Energie in den rassischen Minderheitsgruppen anzuzapfen und nicht zuzulassen, dass es unbenutzt herumliegt oder aufgrund von willkürlichen und unfairen Diskriminierungspraktiken in negative Proteste abgelenkt wird.« (Home Office 1975)

Die Strategie und der Zweck des Weißbuchs und des daraus erwachsenen Race Relations Act (1976) habe ich in »Race, class and the state« (1976) vorweggenommen und analysiert [5]. In diesem Zusammenhang hier möchte ich vor allem darauf aufmerksam machen, wie diese kombinierte Strategie der Förderung von individuellen Kulturen, Mittel für Selbsthilfegruppen und Festlegung von Anti-Diskriminierungs- und Chancengleichheits-Richtlinien, nicht zuletzt durch das Zusammenfallen von RRB und CRC in eine einzige Commission for Racial Equality (CRE) endlich den bisherigen Zusammenhang von Kultur, Gemeinschaft und Klasse aufzubrechen begann. Der Multikulturalismus lenkte die politischen Anliegen der schwarzen Gemeinschaft in die kulturellen Anliegen verschiedener Gemeinschaften ab, den Kampf gegen den Rassismus in den Kampf für Kultur. Staatliche Mittel für Selbsthilfegruppen untergruben die Selbständigkeit, die selbstgeschaffene soziale und ökonomische Basis dieser Gruppen: Sie waren nicht mehr ansprechbar oder verantwortlich für die Menschen, denen sie dienten - und die Dienstleistung selbst wurde zu einer profitablen Sache.

Die Anti-Diskriminierungs-Politik war entweder unwirksam oder berührte nur die kulturellen Ränder der Diskriminierung - so dass man trotz Turbantragens einen Job bekommen konnte -, und hinter der Chancengleichheit, die sich schließlich auf den Begriff der rassischen Benachteiligung (im Gegensatz zu institutionellem Rassismus) gründete, stand die Vorstellung von jeweils unterschiedlichen Chancen für AsiatInnen und WestinderInnen (siehe z.B. Select Committee 1975 und Smith 1976). Wenn es überhaupt Chancen gab, dann waren es Chancen für die »schwarzen« Kompradoren, die vom CRE geputzt und gestutzt worden waren, um zur neuen »schwarzen« Führung zu erblühen und später zur »Staatsklasse« zu werden, die den Rassismus verwalten und den Protest im Zaum halten oder ihn wenigstens vom politischen Kampf ablenken kann. Und als weiteren Bonus hatte Labour unter der vorhergehenden Tory-Regierung einen Querschnitt von asiatischen Geschäftsleuten aus Uganda (die als Flüchtlinge durchgingen) geschenkt bekommen, vermutlich, um zur »Hefe der Energie und des Einfallsreichtums, die Immigrantengemeinschaft mitgebracht haben« (Home Office 1975), beizutragen.

Dem ganzen Projekt des Staates lag ein spalterischer Kulturalismus zugrunde, der aus den lebenden, dynamischen, progressiven Aspekten der Kultur schwarzer Menschen Artefakte, Gewohnheiten und Sitten machte - und die Gemeinschaft zu zerbrechen begann.

Tatsächlich war der Zusammenbruch des lang andauernden Streiks bei Grunwick Ende 1977 zu nicht geringem Teil diesem Prozeß geschuldet. Die Streikenden (vorwiegend asiatische Frauen in einer vorwiegend asiatischen Belegschaft) hätten, so sagen einige schwarze AktivistInnen, besser daran getan, sich auf die schwarze Gemeinschaft und schwarze Organisationen zu verlassen, als auf die Gewerkschaften zu hoffen - die sie schließlich verrieten (siehe Race & Class 1978). Aber außer der Unterstützung von Frauen und ein paar schwarzen Organisationen war diese Gemeinschaft, die gerade 1937-77 noch zu einer Reihe von schwarzen Streiks in den East Midlands mobilisiert hatte, nicht mehr da. Und sogar in den Streiks, die in den nächsten paar Jahren bei Grunwick folgten - wie bei Futter und Chix -, waren es schließlich die Frauen in der schwarzen Gemeinschaft, die der Klasse halfen.

Schwarze Frauen hatten in der Black Power-Ära »die Hälfte des Himmels hochgehalten«, ohne die Hälfte der Anerkennung zu bekommen. Aber jetzt, als der Rest der Gemeinschaft wegfiel, waren sie es, die sich von der Skyline abhoben. Und sie waren es, die nicht nur aus ihren Kämpfen gegen Rassismus und Sexismus heraus, sondern auch aus denen ihrer Schwestern gegen Sexismus und Imperialismus in der Dritten Welt, gemeinsame Sache mit der Klasse machten. [6]

Nebenbei waren es die Frauen, die den Großteil der Kürzungen im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen auffangen mussten, die die letzten Jahre von Callaghan's Labour-Regierung prägten. Diese betrafen besonders asiatische und afro-karibische Familien, und es waren die Frauen aus den Gemeinschaften, die Dinge zum Thema machten wie: Kinderpflege (Afro-Karibinnen und Asiatinnen), schwarze Gefangenenrechte (Afro-Karibinnen), Jungfräulichkeitstests und Röntgenaufnahmen von Immigrantinnen (Asiatinnen), die Zwangsbenutzung von Depo-Provera (Afro-Karibinnen und Asiatinnen), die Vernachlässigung von »ethnischen Krankheiten« wie Sichelzellenanämie (Afro-Karibinnen) und Rachitis (Asiatinnen), das einfache Wegsperren von (afro-karibischen) Kindern in Erziehunganstalten (sin-bins) und der Kampf gegen die Deportierung von »illegalen« (asiatischen) Müttern oder für die Einreise von »illegalen« (asiatischen) Kindern, um zu ihnen zu kommen. Aber es lag in der Natur dieser Themen, dass sie unterschiedliche Auswirkungen auf die beiden Gemeinschaften hatten und tendenziell zu getrennten praktischen Kämpfen führten. Und obwohl die schwarze Frauenbewegung immer noch versuchte, den Zusammenhang der gemeinsamen Interesse von Rasse, Geschlecht und Klasse aufrechtzuerhalten, wurde die schwarze Widerstandskultur jetzt von einer feministischen Widerstandskultur in Frage gestellt, die noch nicht genug Selbstvertrauen hatte, um neue schwarze Parameter zu schaffen.

Vom schwarzen Kampf zum antirassistischen Kampf

Die schon von der Propagierung des Multikulturalismus gespaltenen Kämpfe der Jugendlichen hatten sich ebenfalls in verschiedene Richtungen entwickelt. Die Abreibung, die die Polizei von den afro-karibischen Jugendlichen beim Notting Hill-Karneval 1976 erhalten hatte, hatte nur zu einem geschickteren Herangehen an Polizeieinsätze (eiserne Faust im Samthandschuh) geführt. Die Taktik, die Medien zu benutzen, um die Kriminalisierung der schwarzen Jugendlichen zu legitimieren, die schon unter dem Polizeipräsidenten Robert Mark angefangen hatte, wurde von seinem Nachfolger David McNee fortgesetzt - nur führte er, indem er sich seinen Spitznamen, »der Hammer«, zu Herzen nahm, jetzt Plastikschilde zur »Verteidigung« seiner Truppe ein. Und der wachsende Autoritarismus der Polizei legitimierte sich selbst in der Politik einer Labour-Regierung, die mit Blick auf die kommenden Wahlen angefangen hatte, bei ihrem Anti-Diskriminierungs-Programm (so unwirksam es auch war) kürzer zu treten und sich statt dessen auf die Kräfte von law and order zu verlassen, um die schwarze Unzufriedenheit zu unterdrücken.

Labour hatte vorher - als Teil seines Balanceakts zwischen der Begrenzung der Immigration und der Verbesserung der Integration - abermals eine holländische Versteigerung bei der Einreisekontrolle begonnen, diesmal durch ein Grünbuch zum Nationalitätengesetz. Die Tories unter Thatcher legten noch eins drauf und versprachen Paßgesetze zur Kontrolle der »inneren Immigration« und »Arrangements« zur Erleichterung der freiwilligen Rückkehr in die Heimatländer. Und die dadurch salonfähig gewordene National Front wurde dreister in ihren Angriffen auf die asiatische Gemeinschaft - und band so die Aufmerksamkeit der asiatischen Jugendlichen. Aber da die Tapferkeit der Front unweigerlich unter »Polizeischutz« stand, mussten die asiatischen Jugendlichen es auch mit der Polizei aufnehmen. Als Gurdip Singh Chaggar 1976 von jungen faschistischen Schlägern mitten in Southall ermordet worden war, war es zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen (die behauptete, der Mord sei nicht unbedingt rassisch motiviert gewesen). 1977 hatte die Front, eskortiert von der Polizei, bösartig rassistische und provozierende Aufmärsche in schwarzen Stadtteilen abgehalten und war von den Jugendlichen beider Gemeinschaften gestoppt worden. 1978 hatte Richter McKinnon entschieden, die Äußerung von National Front-Führer Kingsley Read zum Mord an Chaggar - »einen haben wir geschafft, eine Million müssen wir noch« - stelle keine Aufstachelung zum Rassenhaß dar.[7]

1979 stellte die Front mit Unterstützung der Tory-Kommunalverwaltung und der Polizei im Rathaus von Southall ihr faschistisches Wahlprogramm zur Schau und wurde von der Einwohnerschaft zurückgeschlagen, aber um den Preis des Lebens eines Lehrers, der von der Special Patrol Group totgeknüppelt wurde.

Der Aufstieg der Rechten hatte drei Jahre zuvor radikale Weiße und Schwarze in den Innenstadtvierteln in einem Anti-Racist Anti-Fascist Co-ordinating Committee (ARAFCC) mit einer eigenen Zeitung, CARF, zusammengebracht. Ein Jahr später bekamen sie Unterstützung im Kampf von weißen Organisationen unter der breiten Fahne der Anti-Nazi-League (ANL). Aber im Verlauf des Kampfes wurde seine Richtung vom Kampf gegen den Rassismus und daher gegen den Faschismus abgelenkt auf einen Kampf gegen den Faschismus und zufällig auch gegen den Rassismus. Die Weißen aus den ARAFCC-Ortskommitees liefen zur ANL über, die mit ihren spektakulären Veranstaltungen wie Rockkonzerten, Feten und Karnevals, ihren Jugendorganisationen wie School Kids Against the Nazis und ihrer Zeitung SKAN und den Massen von Flugblättern, die sie verteilten, mehr (weiße) Unterstützung erreichen und mehr (weiße) Leute mobilisieren konnte. Die Wahlkampagne der Faschisten brach dadurch völlig zusammen, aber sie wurden auch von (weißen) Hauptstraßen in die (scharzen) Seitengassen der Innenstädte vertrieben, um da ihre Plünderungen und Rekrutierungen fortzusetzen. Und als die ANL sich nach der allgemeinen Wahl von 1979 auflöste (Auftrag erledigt), waren die Themen Rassismus und Faschismus voneinander getrennt worden, genau wie die gemeinsamen Kämpfe von AsiatInnen und Afro-KaribInnen. Der schwarze Kampf (für Gemeinschaft und Klasse) wurde eingeengt auf einen Kampf gegen Rassismus, und der antirassistische Kampf selbst teilte sich tendenziell in Kämpfe, die (hauptsächlich) AsiatInnen betrafen, und Kämpfe, die (hauptsächlich) Afro-KaribInnen betrafen.[8]

Der Protest wegen des Mordes an Akhtar Ali Baig (Juli 1980) in Newham war zum Beispiel größtenteils eine asiatische Angelegenheit, und die Massendemonstration nach dem Tod von dreizehn junge Afro-KaribInnen bei einem Feuer in New Cross (Januar 1981) hauptsächlich eine afro-karibische.

Und dann kamen im Sommer 1981 die Jugendlichen der nächtlichen Innenstädte, Schwarze und Weiße, Afro-KaribInnen und AsiatInnen, wieder zusammen, nicht so sehr in gemeinsamem Kampf als in einem blendenden Moment des spontanen Aufstands gegen die Unmöglichkeit ihrer gemeinsamen Verhältnisse. Denn innerhalb von zwei kurzen Jahren hatte der Thatcher'sche Monetarismus die Zukunftsaussichten aller Jugendlichen aus der Arbeiterklasse, nicht nur der Schwarzen, zunichte gemacht und ihnen eine trostlose Landschaft aus »Steinen, Moos, Unkraut, Eisen, Hundehaufen«, überschattet von Polizisten, hinterlassen.

Die Rebellionen erschütterten die Regierung. Die Gefahr war jetzt nicht die schwarze Gemeinschaft als solche. Es gab keine schwarze Gemeinschaft. Die Förderung des kulturellen Separatismus (euphemistisch als kulturelle Verschiedenheit oder Multikulturalismus bekannt) hielt AsiatInnen und Afro-KaribInnen voneinander getrennt; die Entwicklung einer Jugendkultur und einer Frauenkultur zersetzte die Kräfte innerhalb der Gemeinschaft weiter, ohne sie vorerst wieder zu einer neuen schwarzen Struktur zusammenzuführen; und das Auftreten einer afro-karibischen Managerklasse in der Race-Relations-Industrie (und von Untermanagern in nationalisierten Selbsthilfegruppe) zerbrach zusammen mit dem Blühen des ugandisch-asiatischen Unternehmertums die Gemeinschaft in Klassen. Die Gefahr für den Staat rührte von den dauerarbeitslosen Jugendlichen der Innenstädte her, schwarzen wie weißen, die von der Polizei gehetzt und bedrängt wurden. Aber die Schwarzen waren aufgrund ihrer rassischen Unterdrückung der Zunder des Aufstands. [9]

Während daher eine Sonderkommission aus Stadtplanern, Bankiers und Geschäftsleuten unter Leitung des Umweltministers losgeschickt wurde, um gemischte Viertel wie Toxteth in Liverpool zu untersuchen und zu sehen, wie solche Viertel regeneriert werden könnten, bekamen schwarze (hauptsächlich afro-karibische) Viertel wie Brixton die Aufmerksamkeit einer ebenfalls quasi-gerichtlichen Untersuchung unter Leitung von Lord Scarman, um die »Unruhen« und ihre Ursachen (im Rassismus und den Beziehungen zwischen Polizei und Schwarzen) zu erforschen. Bei den ersten dieser Initiativen für Toxteth (oder Smethwick) kam im eigentlichen Sinne kaum etwas wesentliches heraus, aber dem Hilfsprogramm für die Städte (Urban Aid), das unter den Tories in Ungnade gefallen war, wurde jetzt ein »unerwartet schnell neuerwachtes Interesse als Träger von sozialen Maßnahmen in multirassischen Gebieten« entgegengebracht, und die CRE, mit deren Schließung die Tories gedroht hatten, war wieder im Geschäft - im Geschäft der Kanalisierung von Mitteln an schwarze »Selbsthilfe«-Gruppen. [10] Folgerichtig wurden »die Mittel für das gesamte Urban Programme ... gegen den Trend drastisch auf ein Niveau von 270 Mio. Pfund 1982/83 erhöht«. [11]

Der Aufstieg und Aufstieg der Ethnizität

Es war aber Lord Scarmans Bericht, der die Aufmerksamkeit auf eine neue ethnische Strategie richtete, die von den Tories und Labour gleichermaßen mit Enthusiasmus (und Erleichterung) aufgenommen wurde.[12]

Das Fundament dieser Strategie war allerdings schon 1981 im Bericht des Home Affairs Committee on Racial Disadvantage (Innenausschuß über rassische Benachteiligung) angedeutet worden - der wiederum von einer ganzen Ethnizitäts-Schule angeregt worden war, die (am Social Science Research Council Unit on Ethnic Relations der Bristol University) entstanden war, um sich dem »Problem« der in Großbritannien geborenen Schwarzen zu stellen. [13]

Während der Multikulturalismus, der sich auf die Revolte des »Immigranten« der ersten Generation bezog, das Problem als eins von kulturellen Mißverständnissen diagnostiziert, verbanden es die Ethnizisten, indem sie versuchten, sich auf die laufende Revolte der in Großbritannien geborenen Schwarzen zu beziehen, mit dem kulturellen Übergangsstadium, zu dem der Rassismus sie angeblich verurteilt hatte. Da die zweite Generation weder asiatisch/afro-karibisch noch britisch sei, aber unter beidem leide, treibe sie anker- und ruderlos in einer widrigen Gefühlsströmung auf der Suche nach Identität - um damit nicht zuletzt gegen den Rassismus zu kämpfen. Und auf dieser Suche kehre sie immer wieder zu ihrer Ethnizität zurück und finde in ihr Zuflucht, indem sie sie neu definiere. Ethnizität bezieht sich daher auf die Schaffung einer neuen reaktiven Kultur seitens der in Großbritannien geborenen AsiatInnen genau wie WestinderInnen. Aber wo die AsiatInnen dazu neigten, in ihre Kulturen zu gehen, um die neue Ethnizität zu schaffen, entstehe die westindische Ethnizität aus einer Mischung, eine »Kreolisierung« afro-karibischer Kultur mit der »Gast«-Kultur. »Diejenigen, die in Großbritannien geboren sind«, legt Watson dar, »sind gefangen zwischen den kulturellen Erwartungen ihrer Eltern (den Migranten der ersten Generation) und den sozialen Anforderungen der breiten Gesellschaft. Junge Sikhs oder Jamaikaner haben zum Beispiel häufig das Gefühl, dass sie in keine der beiden Kulturen 'hineinpassen'. ... Diese beiden Minderheiten haben, größtenteils als Reaktion auf den Rassismus, einen Prozeß der ethnischen Neudefinierung - oder 'Kreolisierung' - begonnen.« (Watson 1977 a) Oder in der Sprache von Weinreich: »Westindische Jungen haben Identifikationen, die mit den generellen Repräsentativen ihrer eigenen Ethnizität und der eingeborenen weißen Bevölkerung konfligieren.« Daher sollten die »Veränderungen« in der zweiten Generation als eine »Neudefinierung ihrer ethnischen Unterschiedlichkeit« (Weinreich 1979) gesehen werden. Es ist aber nach Ansicht der Ballards der Rassismus, der »sich in einem reaktiven Stolz auf ihre getrennte ethnische Identität niedergeschlagen« (Ballard, Ballard 1977) hat. Ethnizität selbst ist für Wallman eine »Wahrnehmung« des Unterschiedes, ein »Sinn« dafür, etwas, das »gefühlt« wird, ein Schlüssel zur Identität. (Wallman 1979)

Indem der Widerstand gegen den Rassismus seitens der zweiten Generation nur anerkannt wird, um ihn in die Ecke von »konfligierenden Identitäten« und »ethnischer Neudefinierung« zu drängen, leugnen die Ethnizisten die Verbindung zwischen Rasse und Klasse und zwischen Rassismus und Imperialismus - und sperren die zweite Generation aufs Neue im Gefängnis ihrer Haut ein. Identität ist alles. Der Innenausschuß nimmt dann das ethnische Thema auf, und indem er die Ethnizität offiziell macht, heuert er den institutionellen Rassismus als rassische Benachteiligung an - und überlässt es Scarman, ihn mit ethnischen Bedürfnissen zu fesseln.

Wie der Race Relations Act von 1976 waren die Eckpfeiler des Scarman-Berichts rassische Diskriminierung (direkte und indirekte) und rassische Benachteiligung. Auch Scarman war bereit, die rassische Diskriminierung den »bestehenden Gesetzen« und vermutlich der CRE zu überlassen.[14]

Aber die rassische Benachteiligung, die das Gesetz von 1976 in einer behutsamen Gratwanderung zwischen der Skylla des institutionellen Rassismus und der Charybdis der angeborenen Minderwertigkeit (undefiniert) den Launen der Chancengleichheit überlassen hatte, sollte bei Scarman im Sinne von besonderen ethnischen Bedürfnissen und Problemen (besonders) behandelt werden.[15]

Und genau hier bei der Heilung, beim Auftragen der ethnischen Packung auf die ethnische Wunde, fängt rassische Benachteiligung nach angeborener Unfähigkeit zu stinken an.

Scarman impliziert, die Westindische Familie sei vergleichsweise instabil, »zweifellos wegen der Auswirkungen der britischen sozialen Verhältnisse auf die matriarchalen Großfamilienstrukturen der westindischen Immigranten«. (Scarman 1981) Zum Beispiel »ist der Prozentsatz von Pflegekindern und Familien mit einem Elternteil in der schwarzen Gemeinschaft merklich höher als man im Verhältnis zum Anteil schwarzer Menschen in der Gemeinschaft als ganzer erwarten sollte. Fünfzig Prozent der Familien mit einem Elternteil in ... Lambeth waren 1978 nicht-weiß«. Außerdem »enthalten die beiden Bezirke, auf die sich die Unruhen vom April konzentrierten - Tulse Hill und Herne Hill - gut 22 Prozent aller Haushalte mit einem Elternteil in Lambeth und 2,1 Prozent der Altersgruppe zwischen 0 und 18 in diesen Bezirken sind in Pflege. Von den 185 Pflegekindern dieser beiden Bezirke waren am 10. September 1980 112 (61 Prozent) schwarz«. Außerdem wurde geschätzt, »200-300 junge Schwarze« seien »obdachlos und schlafen im Freien oder in besetzten Häusern in Brixton«.

Junge WestinderInnen sind für Scarman »ein Straßenvolk ... Sie verbringen ihr Leben auf der Straße und haben oft nichts besseres zu tun: Sie veranstalten hier ihren Protest: Und einige von ihnen leben von Straßenkriminalität«. Sie müssen unweigerlich in Konflikt mit der Polizei geraten, »von der sie glauben, sie verfolge und schikaniere sie auf der Straße«. [16] Und diese Feindseligkeit der schwarzen Jugendlichen gegenüber der Polizei hat »ältere Mitglieder der Gemeinschaft angesteckt«. Die Straßenecken sind auch für alte Leute die »sozialen Zentren«, und Junge und Alte, Gute und Schlechte haben Zeit zur Verfügung und ständig die Gelegenheit, sich in endlosen Diskussionen über ihre Beschwerden zu ergehen«, so dass »in Brixton sogar ein isolierter Vorfall von Fehlverhalten zu einer ganzen Legion von Gerüchten führen« kann, »die innerhalb der Gemeinschaft schnell zu einem festen Glauben werden kann«.

Wenn dies nicht so ausgearbeitet ist wie Moynihans »verwickelte Pathologie« der amerikanischen »Negerfamilie« [17], dann deshalb, weil Scarman den Auftrag hatte, die »Unruhen von Brixton« zu untersuchen und nicht die westindische Gemeinschaft. Aber angesichts seiner Entschlossenheit, den Staat von institutionellem Rassismus freizusprechen, war es für ihn unvermeidlich, die westindische Gemeinschaft der angeborenen Unfähigkeit schuldig zu sprechen - und so der rassischen Benachteiligung eine Bedeutung zu verleihen, die sogar der Bericht des Innenausschusses zum selben Thema vom Juli 1981 sorgfältig vermieden hatte. Aber da sich das Kommitee mit der rassischen Benachteiligung als solcher beschäftigen sollte, bezog es sich auch auf die rassische Benachteiligung der asiatischen Gemeinschaft und machte sie an der Sprache, der Religion, den Sitten und dem (bäuerlichen) Analphabetismus fest. Zusammengenommen legten die beiden Berichte fest, was westindische und asiatische ethnische Bedürfnisse sein sollten und nach welchen Kriterien die Regierung ihre (ethnischen) Maßnahmen ergriff und ihre (ethnischen) Mittel verteilte.

Der sich daraus ergebende Zank um (durch die Kommunalverwaltungen kanalisierte) staatliche Gefälligkeiten und Gelder auf der Grundlage von besonderen ethnischen Bedürfnissen und Problemen führte einerseits dazu, dass ethnische Unterschiede vertieft und ethnische Rivalitäten geschürt wurden, und ließ andererseits die Definition von Ethnizität immer breiter werden, so dass sie eine Reihe von nationalen und religiösen Gruppen mit einschloß - Chinesen, Zyprioten, Griechen, Türken, Iren, Italiener, Juden, Moslems, Sikhs -, bis der Begriff selbst bedeutungslos wurde (außer als Mittel, um an Mittel heranzukommen). Dieses »senkrechte Mosaik« von ethnischen Gruppen, das so weit weg von der Waagerechten der Klassenpolitik war, entfernte sich dann noch weiter durch die Politik der »linken« Labour-Stadträte, die, da ihnen die Rassen/Klassen-Perspektive fehlte, die es ihnen möglich gemacht hätte, den institutionellen Rassismus ihrer eigenen Strukturen abzuschaffen, stattdessen die Ethnizität institutionalisierten. Und es blieb einer Handvoll aufrichtig antirassistischen Maßnahmen oder Kampagnen wie denen gegen Abschiebung, Polizeischikanen und Rassengewalt (die zum großen Teil aus Mittel des Greater London Council finanziert wurden) überlassen, den dahinschwindenden Kampf für die Gemeinschaft und die Klasse weiterzuführen.

Das andere Heilmittel gegen rassische Benachteiligung, das Scarman vorschlug, war »positive action«, was nicht mehr bedeutete als einen entschlossenen Versuch, Chancengleichheit für ethnische Minderheiten zu fördern, oder genauergesagt, Chancenungleichheit abzubauen, diesmal allerdings gestützt von einem System, das diese Maßnahmen überwachen sollte. Und auch dies sollte von den Kommunalverwaltungen der Innenstädte begierig aufgenommen werden, die inzwischen ihre eigenen Abteilungen für Race Relations (zur Verwaltung von ethnischen Maßnahmen und ethnischen Mitteln) hatten und nun ethnisches Personal brauchten - nicht zuletzt, um nach Jobs für Ethnische Ausschau zu halten. [18]

Scarmans ganzem Bericht liegt eine soziopsychologische Sicht des Rassismus zugrunde, in der sich die Ideen der ethnischen Schule widerspiegeln und die zusammen mit seinen Ansichten über rassische Benachteiligung ans Soziobiologische grenzen. Institutioneller Rassismus ist für Scarman nicht eine Realität des schwarzen Lebens, sondern eine Frage subjektiver Gefühle, Wahrnehmungen, Haltungen und Einstellungen. Ethnische Minderheiten hätten ein »Gefühl« von »verborgener Diskriminierung«. Junge Schwarze hätten ein »Gefühl der Zurückweisung« und ein »Gefühl der Unsicherheit«. Sie »fühlen« sich sozial, ökonomisch und politisch nicht sicher. Sie »glauben, dass Polizisten sie auf der Straße verfolgen und schikanieren« - und die ältere Generation teile diesen »Glauben«. (Die asiatische Gemeinschaft habe die »Einstellung«, dass die Polizei sie nicht vor »angeblichen« rassistischen Angriffen schütze.) »Haltungen und Einstellungen« der Gemeinschaft (aufgrund mangelnden Vertrauens zur Polizei) lägen den Unruhen zugrunde. Die »populären Haltungen und Einstellungen« selbst »leiten ihre Stärke ab« aus dem »Übergangszustand zwischen dem halb Erinnerten und dem halb Eingebildeten«. Das »Bild« von einer feindlichen Polizei sei ein »Mythos« und eine »Legende« (Barker, Beezer 1982).

Und wenn die Polizei an irgendetwas schuld wäre, dann ebenfalls nicht an institutionellem Rassismus, sondern an rassischen Vorurteilen - die »sich gelegentlich im Verhalten einiger Polizeibeamter auf der Straße zeigen«. Und der Zusammenbruch des Verhältnisses zwischen Polizei und Gemeinschaften habe seitens der Polizei daran gelegen, dass ihre »Haltungen und Methoden« nicht mit dem »Problem der Polizei in einer multikulturellen Gesellschaft« mitgehalten hätten. Daher sollte ein Teil der Polizistenausbildung auf das »Verständnis für den kulturellen Hintergrund und die Haltung von ethnischen Minderheiten« gerichtet sein.

Der Rassismus lag nach Scarmans Auffassung im Kopf - in Haltungen, Vorurteilen, irrationalen Vorstellungen - und diese fanden sich auf beiden Seiten der Wasserscheide, bei Schwarzen und Weißen. Institutioneller Rassismus war eine Frage der schwarzen Wahrnehmung, weißer Rassismus war eine Frage von Vorurteilen. Oder das schien Scarman jedenfalls auf den ersten Blick zu sagen - und im besten Fall war es ausgewogen oder sogar liberal. Aber in Wirklichkeit hatte er den institutionellen Rassismus auf die schwarze Wahrnehmung reduziert und ihn durch persönliche Vorurteile ersetzt - und so das Ziel des antirassistischen Kampfs verlagert: Statt um den Staat ging es jetzt um das Individuum, statt um die Veränderung der Gesellschaft ging es um die Veränderung von Menschen, statt darum, das Los der in Rassismus und Armut versackten schwarzen Gemeinschaften zu verbessern, ging es darum, das Los von »schwarzen« Individuen zu verbessern.

Das entstehende »schwarze« Kleinbürgertum, das sich von staatlicher (und kommunaler) Hilfe für ethnische Bedürfnisse und positiver Aktion für ethnische Gleichheit genährt hatte, ließ sich nicht zweimal bitten, diesen Plan anzunehmen. Im großen und ganzen waren die Ethnischen es zufrieden, in ihrem Streben nach Ämtern gegeneinander zu kämpfen. Und erst, als wenn es eine weiße Verstopfung im System gab, wurden die Ethnischen »schwarz« und holten ihre ganze unterdrückte »schwarze« Geschichte heraus, um die Weißen damit zu schlagen. Daher die Forderung nach schwarzen Sektionen in der Labour Party, der Aufstieg und Fall der Black Media Workers' Association (BMWA) (wobei der Fall kam, nachdem die weißen Medien ihnen ethnische Sendeplätze gaben - seitdem sind sie lieber wieder Afro-KaribInnen bzw. AsiatInnen) und die Entstehung einer schwarzen Gewerkschaftsaristokratie, des Black Trade Union Solidarity Movement (BTUSM).[19]

Keine dieser Gruppen gibt einen Dreck auf gewöhnliche schwarze Menschen, sondern benutzt sie und ihre Kämpfe genauso zynisch wie jede andere bürgerliche Klasse oder Schicht.

Es entbehrt nicht der Ironie, dass die meiste Unterstützung für diese Gruppen aus dem »linken Flügel« der Arbeiterbewegung gekommen ist, der sich, nachdem er es nicht geschafft hatte, die Kämpfe der schwarzen Arbeiterklasse und die schwarze Führung der Arbeiterklasse zu einem Teil seiner eigenen Geschichte und Organisation zu machen, jetzt gezwungen sieht, schwarze Sekten in seine ruhmreiche breite Kirche aufzunehmen. Die weiße Linke reißt den Begriff »schwarz« aus dem Zusammenhang der Kämpfe, unter deren Schlägen er zu einer politischen Farbe wurde, und glaubt, jede selbstsüchtige Gruppe aus der Mittelschicht, die sich selbst »schwarz« nennt, habe automatisch das Recht, sich diese Geschichte anzueignen, und sei automatisch politisch oder fortschrittlich. Noch ironischer ist es, dass dies zu einer Zeit geschieht, wo in der Jagd nach Ämtern selbst solch eine wiederhergestellte Schwarzheit in afro-karibisch und asiatisch zerfällt, wobei die Afro-KaribInnen ein Vorrecht auf die schwarze Geschichte geltend machen, und zwar einfach, weil ihre Farbe dunkler ist, - und dabei »schwarz« völlig jeder Politik entleeren. [20] Schwarze Sektionen sind nicht repräsentativer für schwarze ArbeiterInnen als die Labour Party für weiße. Tatsächlich muss schwarze Politik aufhören, politisch zu sein, damit Schwarze in die Politik gehen können. Das BTUSM hat nicht mehr Interesse am Schicksal ihrer Mitgliedschaft als Ihre Lordschaften Chapple und Murray als frühere Führer ihrer Gewerkschaften es waren. Die BMWA hat in der kurzen Zeit ihrer Existenz (ihres Kampfs, um in Channel 4 reinzukommen) nie etwas für die unteren Schichten der schwarzen ArbeiterInnen getan oder auch nur gefordert, politische schwarze Stücke oder Programme zu machen, die die Situation der gewöhnlichen Afro-KaribInnen oder AsiatInnen verbessert hätten - außer man findet es komisch, weißen Voyeuren die Schwächen und Angewohnheiten der eigenen Leute vorzuführen, aber diesmal von innen. Andererseits kann ein ethnischen Medium nur den Kult der Ethnizität reproduzieren. Und eine Ethnizitätskultur hat, anders als eine Widerstandskultur, keine Gemeinschaft und keine Klasse.

Um um das ganze abzusichern, um die Versuche der neuen Ethnischen abzusichern, sich hinauf und davon zu machen - hinauf durch die weißen Verstopfungen im System und davon von den schwarzen Gemeinschaften und ihren Sorgen -, gibt es eine ganze Denk- und Unternehmensschule, die die weißen Köpfe und die weißen Einstellungen zu ändern verspricht, damit tausend schwarze Blumen in den Ritzen der weißen Strukturen blühen können. Treffenderweise nennt sie sich RAT (Racism Awareness Training) [21] - und diesem letzten Niedergang des schwarzen Kampfes wende ich jetzt meine Aufmerksamkeit zu.

Die Geburt von RAT

Das Leben von RAT begann im HAT (Human Awareness Training), und zwar auf einem Militärstützpunkt in Florida Ende der 60er Jahre, als der Widerhall der schwarzen Rebellion in den amerikanischen Städten die militärischen Einrichtungen in den USA und Japan erzittern ließ und das Verteidigungsministerium zu einer Human Goals Proclamation (Erklärung der menschlichen Ziele) bewegte, in der es sich für die individuelle Würde und Wert und für Chancengleichheit beim Militär aussprach. In ihrer Ausbildung von Human Relations-Ausbildern beim Defense Race Relations Institute (DRRI) sollte diesen daher Wissen über Minderheitskulturen und -geschichte zusammen mit Verständnis für persönlichen Rassismus eingeschärft werden.

HAT gehörte natürlich schon einige Zeit zur Human Relations-Ausbildung, aber das Race Relations-Element kam erst zum Vorschein, als die Kerner-Kommission 1968 erklärt hatte, dass der Rassismus in Amerika ein weißes Problem und in den Strukturen der Gesellschaft selbst angelegt sei. »Was die weißen Amerikaner nie ganz verstanden haben - aber was der Neger niemals vergessen kann - ist, dass die weiße Gesellschaft im Ghetto zutiefst impliziert ist. Die weißen Institutionen haben es geschaffen, die weißen Institutionen erhalten es aufrecht, und die weiße Gesellschaft ist damit einverstanden.« (Kerner Commission 1968) Auf den ersten Blick sah der Kerner-Bericht aus wie ein radikales Statement (so radikal, wie Scarman liberal aussah), und obwohl es den Rassismus mit den weißen Institutionen in Verbindung brachte, brachte es die Institutionen selbst nie mit den ausbeuterischen weißen Machtstrukturen in Verbindung. So dass die Unterdrückung von der Ausbeutung, der Rassismus vom Klassenverhältnis und der institutionelle Rassismus vom Staatsrassismus abgetrennt wurde.

Die US-Bürgerrechtskommission von 1970 war ein Echo der Kerner-Kommission und definierte den Rassismus (den Kerner nicht definiert hatte) dann als »jede Einstellung, Handlung oder institutionelle Struktur, die eine Person oder Gruppe wegen ihrer Farbe unterordnet,« und fügte hinzu, eine institutionelle Struktur sei »jedes anerkannte, gewohnheitsmäßige oder weithin akzeptierte Handlungsmuster« (also im Verhalten) oder »organisatorische Arrangements, ob formell oder informell« (also in der Verwaltung). Die Kommission machte auch einen Unterschied zwischen »offenem Rassismus« und »indirekter institutioneller Unterordnung (was dann im britischen Kontext zu direkter und indirekter Diskriminierung werden sollte). Und um den Rassismus zu bekämpfen, stellte die Kommission fest, müsste man »das Verhalten von Weißen verändern« und »die Fähigkeiten von nicht-weißen Gruppen steigern« (was in Großbritannien als Bekämpfung rassischer Nachteile bekannt werden sollte). Aber die Hauptverantwortung lag »eher bei der weißen Gemeinschaft als innerhalb der nichtweißen Gemeinschaften«. ( US Commission on Civil Rights 1970)

Nach dem Erscheinen der beiden Berichte kam eine ganze Menge von Literatur im Erziehungswesen, der Psychologie und den Kirchen heraus, die den Rassismus von seinem strukturellen Makel erlöste und ihn in der weißen Psyche und dem weißen Verhalten verinnerlichte - und Programme zur Bekämpfung des Rassismus auf dieser Grundlage formulierte. Der Council for Interracial Books in New York, Integrated Education in Chicago, die Foundation for Change und die New Perspectives on Race mit Schwerpunkt in Detroit waren im Erziehungsbereich besonders aktiv. Paul Goldin formulierte in »Integrated Education« ein »Modell für rassisches Bewußtheitstraining (Racial Awareness Training) in integrierten Schulen«, das einen (durch interrassische Konfrontation) dahin bringt, sich mit der Minderheitsposition zu identifizieren«. (Goldin 1970) In »Developing new perspectives on race« sprach sich Michigans leitende Schuldezernentin, Patricia Bidol, allerdings für einen kogitiveren Ansatz aus und betonte, dass »nur Weiße Rassisten sein können, weil es die Weißen sind, die die Kontrolle über die Institutionen haben, die amerikanische kulturelle Normen und Werte schaffen und durchsetzen«, und es die Weißen sind, die davon profitieren. Sie unterschied daher zwischen offenem (Ekel-Alfred-mäßigem) und verdecktem (unabsichtlichem) Rassismus - und definierte den Rassismus selbst als »Vorurteil plus institutionelle Macht«. Und Bidol und New Perspectives on Race aus Detroit waren auch die Vorreiter in der Entwicklung des Rassismus-Bewußtheits-Trainings für Erzieher. [22] (Bidol, Weber 1970] und Bidol 1974)

Aber die Arbeit der Detroit Industrial Mission - nachdem die Stadt 1967 gebrannt hatte und die schwarze Militanz im DRUM (Dodge Revolutionary Union Movement) und im FRUM (Ford Revolutionary Union Movement) gestiegen war - wies auf die Notwendigkeit hin, ein »neues weißes Bewußtsein« zu schaffen, indem sowohl die Einstellungen als auch das Verhalten geändert wurden. Bisher, schrieb ihr Direktor Robert W. Terry in »For whites only«, habe die Betonung darauf gelegen, Einstellungen zu ändern, um das Verhalten zu ändern, oder das Verhalten zu ändern (zum Beispiel durch Gesetze), um Einstellungen zu ändern. Aber obwohl es sowohl auf Einstellungen als auch auf das Verhalten ankomme und die einen wie das andere geändert werden müssten, »werden Einstellungen unangebracht und das Verhalten fehlgeleitet sein, wenn das Bewußtsein unberührt bleibt«. Denn, so argumentiert Terry und macht da weiter, wo die Civil Rights Commission aufgehört hatte, [23] selbst der wohlmeinendste Mensch kann, ohne »persönlich an offenen Akten rassischer Ungerechtigkeit beteiligt zu sein«, schon dadurch, wie das amerikanische »Kultur- oder Glaubenssystem ... seine Orientierung im Entscheidungsprozeß festlegt«, den Rassismus in den Institutionen verewigen. Daher sei es wichtig, sich gleichzeitig über den kulturellen (historischen, linguistischen usw.), den institutionellen (direkten und indirekten) und den individuellen Rassismus bewußt zu sein (Terry 1970). Der kulturelle Rassismus müsse überall da untersucht werden, wo er auftrete (in der Sprache, in Schulbüchern, in den Medien), »Konfrontation« sei eine gute Art, den persönlichen Rassismus anzugehen, und für den institutionellen Rassismus stellte Terry das Modell einer Checkliste zur Verfügung, das die Chicago Campaign for One Society entworfen hatte: »Inventar des Rassismus: Wie man institutionellen Rassismus entdeckt«. [24]

Die Bestandteile des Credos von RAT waren schon festgelegt, als Judy Katz ihre Dissertation in Erziehungswissenschaften schreiben sollte: »Systematisches Übungshandbuch für die Umerziehung von weißen Menschen hinsichtlich ihrer Einstellungen und Verhaltensweisen (behaviourisms)« (1976) - außer dass sie sich inzwischen auch auf die Frauenbewegung stützen konnte und von dieser eine noch persönlichere Interpretation von Unterdrückung und die Notwendigkeit der Bewußtseinsbildung übernahm. Diese Perspektive machte es ihr (und ihren AnhängerInnen) dann zusätzlich möglich, die Sprache, den Stil und die Analyse der schwarzen Bewegung zu verzerren und den Rassimus noch weiter aus seinem Ausbeutungszusammenhang zu reißen und ihn klassenlos zu machen.

Rassismus, stellt Katz fest, sei sehr wohl ein weißes Problem, und weiße Menschen sollten sich dessen lieber bewußt werden - um ihrer eigenen geistigen Gesundheit willen. Schon 1965 habe die Commission on Mental Health den Rassismus als Problem Nr. 1 für die geistige Gesundheit in den USA beschrieben. »Seine zerstörerischen Wirkungen verkrüppeln das Wachstum und die Entwicklung von Millionen unserer Bürger, junger und alter gleichermaßen.« (Siehe Katz 1978). Selbst vorher schon hatte der Myrdal-»Bericht« über »das amerikanische Dilemma« 1944 die Aufmerksamkeit auf die Spaltung, das Schisma, den Bruch in der (weißen) amerikanischen Psyche gelenkt: zwischen »den amerikanischen Idealen der Gleichheit, Freiheit, gottgegebenen Würde des Individuums, unveräußerlichen Rechten« und »der Praxis der Diskriminierung, Demütigung, Beleidigung, Verweigerung von Chancen gegenüber Negern und anderen in einer rassistischen Gesellschaft.« (zitiert bei Katz 1978) Neue Forschungen wurden angestellt, um zu beweisen, dass der Rassismus ein »psychologischen Problem« sei, das »von klein auf sowohl auf einer bewußten als auch auf einer unbewußten Ebene tief in weißen Menschen verankert« sei. Und sogar schwarze KommentatorInnen bestätigten nach Katz' Auffassung die Diagnose und legten eine Heilung nahe - wie zum Beispiel Whitney Young, der Chef der National Urban League: »Den meisten Menschen ist nicht bewußt, was Rassismus wirklich ist. Rassismus ist nicht das Verlangen, jeden Morgen aufzuwachen und einen Schwarzen an einem hohen Baum zu lynchen. Rassismus ist nicht das Benutzen von vulgären Beinamen... Die alltäglichen Entwürdigungen, die subtile Demütigungen sind das Verheerende... Die Kerner-Kommission hat gesagt, wenn Sie ein Zuschauer sind, wenn Sie immer untätig zusehen, dann sind Sie ein Rassist.« Katz sucht sich sogar radikale Schwarze wie Du Bois als Verbündete: »Bin ich in meiner Schwärze der einzig Leidende? Ich leide. Und doch rührt sich in mir irgendwie über dem Leiden, über der angeketteten Wut, die an die Gitter schlägt, über dem Schmerz, der verrückt macht, ein gewaltiges Mitleid - Mitleid mit einem Volk, das um so einer Sache willen eingesperrt und begeistert, behindert und verelendet wird.« Und neuere schwarze Militante wie Stokely Carmichael (aus dem Zusammenhang des Kampfes gerissen: »Wenn der weiße Mann helfen will, kann er nach Hause gehen und sein eigenes Volk befreien.«. (zitiert bei Katz 1978), oder Malcolm X (»Weiße, die aufrichtig sind, sollten sich organisieren und sich ein paar Strategien überlegen, um die Rassenvorurteile zu brechen, die in weißen Gemeinschaften bestehen.« (zitiert bei Katz 1978[25]

Der Rassismus ist für Katz ein »Wesen«, das die Geschichte in der weißen Psyche hinterlassen hat, so wie der Sexismus ein im Mann hinterlassenes »Wesen« ist: Unterdrücker unterdrücken sich selbst. [26] Er ist ein Teil der psychosozialen Geschichte des weißen Amerika, Teil seines kollektiven Unbewußten. Er ist in den amerikanischen Gebräuchen, Institutionen, der amerikanischen Sprache und Moral - er ist gleichzeitig bewußt und unbewußt, offen und verdeckt. Man kann ihm nicht entkommen. Und weil das System zu ihrem Vorteil gezinkt ist, können Weiße, selbst wenn sie gegen den Rassismus kämpfen, höchstens antirassistische Rassisten sein, wenn sie das nicht tun, sind sie einfach schlichte, gewöhnliche oder Gartenrassisten.

Daher müsste jedes Trainingsprogramm, das individuelle Weiße zu einem Bewußtsein über sich selbst bringen will, sich auch die amerikanische Kultur und Institutionen bewußt machen. Und es müsste auf zwei Ebenen gleichzeitig stattfinden - auf der kognitiven oder Informationsebene und der affektiven oder Gefühlsebene - auf der Ebene des Denkens und auf der Ebene des Fühlens. Die Techniken, die bisher im Human Relations Training benutzt worden waren, irrten sich auf der einen oder der anderen Seite, oder sie waren, wie die Multikultur- oder Ethnizitätsforschung zu sehr am Anderen orientiert, sich nicht des Selbst bewußt genug, oder sie waren, wie interrassische Begegnungen, wieder einmal zu ausbeuterisch den Völkern der Dritten Welt gegenüber. Nur Techniken von Weißen mit Weißen versprachen irgendeinen Erfolg, und auf eben dieser Grundlage hatte Frau Katz ein systematisches Trainingsprogramm entwickelt, das genausosehr von der Wende in der Psychotherapie hin zu einer Lehrerrolle wie von der Wende in der Pädagogik hin zu einer Beraterrolle beeinflußt war. [27] Schließlich ging es darum, nicht Einstellungen, sondern das Verhalten zu verändern - um die Welt zu verändern.

Seitdem (1976) wird die Katz-Technik des Racism Awareness Training - ein intensives Sechs-Stufen-Programm aus 48 Übungen, das in zwei Wochenenden gestopft wird, sich aber »an viele verschiedene Gegebenheiten anpassen lässt« - in den USA breit angewandt: »in Schulsystemen, bei LehrerInnen, BeraterInnen und VerwaltungsbeamtInnen, als Teil von Quotierungsmaßnahmen bei Managern, in Universitätsgemeinschaften bei StudentInnen, Fachbereichen und VerwaltungsbeamtInnen« (Katz 1978).

Ihr Reiz lag natürlich zum Teil an der amerikanischen Schwäche für Therapien, aber zum Teil auch am politischen Klima, in dem sie sich entwickelte: der Zusammenbruch der Black Power-Bewegung in den Kulturalismus und die theologische Befreiung, der Personalisierung der Macht in der Frauenbewegung und die von Israel im Kielwasser seiner imperialistischen Abenteuer verbreitete Diaspora der Schuld.

Indem sie eine Seite aus dem Black Power-Buch herausreißt, definiert Frau Katz den Rassismus als »weißes Problem«. Aber während mit dem weißen Problem in der Black Power-Ideologie die weißen kapitalistischen Machtstrukturen gemeint waren, wird es bei Frau Katz auf ein persönliches reduziert, auf ein Problem von Individuen, die, weil sie weiß sind, Macht über Nicht-Weiße haben. Nachdem Frau Katz die weiße Schuld so als irreversibel, fast angeboren, definiert hat, gibt sie sich unendliche Mühe, Weiße zu ermahnen, sie sollten sich nicht schuldig fühlen, denn Schuld sei »eine sich selbst gegenüber zu nachgiebige Art und Weise, Energie zu verbrauchen«. [28] Andererseits leiden Weiße unter dem Rassismus - ebenso sehr, wie Männer unter dem Sexismus leiden. Und »wir haben aus der feministischen Bewegung gelernt, dass Männer und Frauen von unterdrückerischen Geschlechtsrollen beeinträchtigt werden«. Ihr antirassistisches Sensibilisierungstraining verspricht daher, »dass wir durch einen Prozeß der Selbstuntersuchung, Veränderung und Handeln eines Tages uns selbst und unsere Gesellschaft und uns selbst befreien werden«.

Weil ein derartiger psychospiritueller Popanz die politischen Bewegungen seiner Zeit anklingen ließ - die Kapitalisten haben die Welt verändert, unser Geschäft ist es, sie zu interpretieren -, persönliche Befriedigung durch die Reduzierung von gesellschaftlichen Problemen auf individuelle Lösungen als politische Befreiung verkaufte und dann das Ganze hübsch verpackte und sofortige Heilung für eine Erbkrankheit versprach, machte er nicht nur Middle America (die weißen DurchschnittsamerikanerInnen), sondern auch einen dankbaren Staat auf sich aufmerksam. Denn wie hätte der Staat besser seine sozialen Dissonanzen glätten können, während er ungehindert mit seinen kapitalistischen Werken weitermachte?

Die Ausbreitung von RAT

Auf den ersten Blick war es keine Verpackung, die den britischen Charakter gereizt hätte, aber es schien die logische Verlängerung der Arbeit einer Gruppe von (größtenteils schwarzen) Lehrern und SozialarbeiterInnen zu sein, deren Kampagne gegen Rassensymbole in Kinderbücher ihre Botschaft und Methode direkt vom Council for Interracial Books in den USA abgeleitet hatte - die wiederum selbst Vertreter von RAT waren. In diesem Sinne gründete die Gruppe 1978 das Racism Awareness Programme Unit (RAPU) auf dem Grundstein der Katz'schen Lehre - und bald darauf gesellten sich (vor allem schwarze) Abtrünnige vom multikulturellen Glauben hinzu, die enttäuscht von dessen Unfähigkeit waren, den weißen Rassismus zu thematisieren. Im folgenden Jahr gründeten einige der RAPU-Leute zusammen mit anderen das National Committee on Racism in Children's Books und begannen eine Vierteljahreszeitschrift namens Dragons Teeth herauszugeben. Das Ziel der Zeitschrift, rassische Voreingenommenheit in Kinderbüchern zu untersuchen (und zu bekämpfen), kreiste jedoch um schwarze Bilder und Stereotypen. Und daher wurden im Lauf der nächsten beiden Jahre die schwarze Identität und der Anspruch auf die Wiederentdeckung der Vergangenheit zur Hauptsorge - und als Kehrseite der Medaille stellten sich die weiße Identität und RAT heraus.

RAT hatte inwzischen angefangen in den öffentlichen Sektor vorzustoßen. Offizielle Kreise hatten mit dem Aufkommen schwarzer Jugendmilitanz Mitte der 70er Jahre einiges Interesse an Human Relations- (einschließlich Race Relations-) Training an den Tag gelegt. Aber da, wo es sich durchsetzte - in erster Linie im Erziehungswesen, bei der Polizei und bei Bewährungshelfern -, fand es in Form von gelegentlichen Konferenzen, Seminaren oder Vorlesungen statt. Die Industrie schenkte den Rassenbeziehungen etwas mehr Aufmerksamkeit, aber ausschließlich zu O-und-M-Zwecken und beschränkte sich darauf, wie in der Arbeit der Industrial Language Training Centres (ILTCs) auf Dinge wie Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgrund von Sprache und Kultur.

1980 sprach sich dann Nadine Peppard, die als Rassenbeziehungs-Beraterin im Innenministerium für die Entwicklung von Race Relations Training verantwortlich war und den Polizei-, Justizvollzugs- und Bewährungsdienst beriet, für die Art von affektiven Techniken aus, die in den USA - u.a. vom DRRI in Florida und vom Council for Inter racial Books - entwickelt worden waren. Ob wohl sie das Gefühl habe, dass in der jüngsten Zeit im »Anwendungsdienst« ein bewußterer Versuch gemacht worden sei, »die allgemeine Frage der Haltungen und die Vorurteilspsychologie« miteinzubeziehen, seien Gruppenarbeitstechniken wie Rollenspiel und Trainingsspiele immer noch auf den industriellen Bereich (zum Beispiel in der Arbeit der ILTCs) beschränkt. »Eine praktische Bedarfsanalyse«, drängte Frau Peppard, »zeigt klar, dass jene Einstellungen oder Vorstellungen, die dem tatsächlichen Verhalten zugrunde liegen, das zentrales Problem darstellen und dass die Einrichtung einer Trainingsmaßnahme, die das nicht wahrhaben will, letztlich an der Fragestellung vorbeigeht« (Peppard 1980). Ein wesentlicher Aspekt der Gruppenarbeit, schlug sie vor, sei die Art von »Sensibilisierungtraining«, »Bewußtseinsbildung« oder »Bewußtmachungstraining«, die ein »Standardgesichtspunkt des Trainings« in den USA sei. Als Bezugspunkt und Orientierungshilfe zitierte die das »experimentelle Trainingsprogramm«, das Professor Judy Katz an der University of Oklahoma eingerichtet habe.

Auch im Erziehungswesen kam es Ende der 70er Jahre, häufig innerhalb der multikulturellen Lehre selbst, zu einer allgemeinen Verlagerung des Schwerpunktes weg von der Verbreitung von Informationen und hin zur Infragestellung von Einstellungen. Bevor SchülerInnen die Gebräuche anderer Menschen verstehen könnten, müssten sie anscheinend erst für ein solches Verständnis geöffnet werden, gefühlsmäßig und geistig dafür empfänglich gemacht werden. Daher sei ein psychologischer oder affektiver Ansatz notwendig - denn die »affektive Komponente 'leitet' die kognitive in der Veränderung der Einstellung« (Baker, Hoadley-Maidment 1980). Information verändere mit anderen Worten nicht die Einstellungen und das Verhalten der Menschen. Andererseits wären die Menschen, wenn man ihre Einstellungen und ihr Verhalten veränderte, empfänglicher für die Informationen. Der soziologische Ansatz des Multikulturalismus machte dem psychologischen Ansatz des Rassismus-Bewußtseinstraining Platz.

Aber sowohl die offiziellen Rassenbeziehungskurse als auch das RAPU hoben erst nach den Riots von 1981 und Scarman ernsthaft ins RAT ab. Zum einen hatte Scarman die Begriffe der Diskussion von den materiellen Auswirkungen des Rassismus auf arme Schwarze auf die kulturellen Auswirkungen auf die die Jobaussichten von Mittelschichts-Ethnischen verschoben. Zum anderen hatte er in seinen Empfehlungen zu den Kommunalbudgets und der Polizeiausbildung RAT und der Reproduktion von »vorgestellten Gemeinschaften« (siehe Anderson 1983) und ihren ethnopsychologischen Kämpfen um Identität gegen den Ethnozentrismus einen Nährboden verschafft. [29]

Es folgte eine Flut von Berichten, Arbeitsgruppen und Konferenzen über kommunalpolitische Strategien zur Bekämpfung rassischer Benachteiligung (siehe den CRE-Bericht CRE 1982, Joint Working Group 1983 und die darauffolgende Konferenz: Bichard Report 1984; LBA/CRE/LACRC conference 1983). Der Innenminister versprach die Unterstützung der Zentralregierung für die Bemühungen der Kommunalverwaltungen, indem er erklärte, es könne »nicht unfair sein, Menschen mit einer besonderen Behinderung zu helfen«. (Home Office 1984) Rassenbeziehungsunterkommitees, ethnische BeraterInnen, RAT-Kurse - und sogar (gewählte) schwarze Ratsherren/damen - schossen in jedem Innenstadtbezirk von London und in den anderen Ballungsräumen aus dem Boden. Der Greater London Council (GLC), Brent, Haringey, Hackney, Camden, Islington, Lambeth, Newham, Northamptonshire, Coventry, Bradford, Nottingham, Leicester, Sheffield, Birmingham, Greater Manchester, Liverpool - alle hatten sie ihre ethnischen Abteilungen und ethnischen Beamten und ethnischen Projekte, ihre ethnischen Überwachungseinrichtungen und vor allem, als Investition in eine ethnische Zukunft, ihre RAT-Kurse, zum Teil sogar als Pflichtkurse für das Personal der Kommunalverwaltungen, zum Teil mit eigener RAT-Aufsichtsbehörde. (Dies waren auch nicht zufällig die Gebiete, die 1981 »riots« veranstaltet hatten oder reif für »riots« waren.)

Und doch hat dieser ganze Anfall von Aktivität hinsichtlich der materiellen Verhältnisse der Arbeitslosen, Obdachlosen, Schullosen und Unterstützungslosen nicht mal klitzekleinste Verbesserungen gebracht. Der Vorsitzende des GLC-Wohnungskommitees gab 1984 zu, dass Rassenübergriffe in einigen Hochhaussiedlungen in East London »eine Größenordnung erreicht haben, wie sie dieses Land seit 40 oder 50 Jahren nicht gesehen hat«. (Evening Standard 1984) Im selben Jahr stellte das Policy Studies Institute fest: »Die Wohnqualität von schwarzen Menschen ist viel schlechter als die Wohnqualität in diesem Land im allgemeinen.« (Brown 1984) Und die Arbeitslosigkeit bei Schwarzen, die schon Ende 1982 doppelt so hoch wie der weiße Durchschnitt war, hat sich beträchtlich verschlimmert.

Es hat sich nur der Schwerpunkt der Race-Relations-Industrie vom Zentralstaat und der CRE auf den Lokalstaat verlagert - und mit ihm der schwarze Kampf: nicht mehr für Gemeinschaft und Klasse, sondern für Almosen und Karrieren. [30] Und die neue Ideologie war nicht mehr Black Power, sondern Racism Awareness.

Dieselben Tendenzen der Ethnisierung und RATifizierung des Rassismus waren im Erziehungswesen zu beobachten. Obwohl das Rampton Commitee of Inquiry into the Education of Children from Ethnic Minority Groups das Vorhandensein von Rassismus im Lehrerberuf zugab, identifizierte es den Rassismus als eine »Reihe von Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber Menschen einer anderen Rasse, die sich auf den Glauben gründet, dass Rassen verschieden seien,« und wiederholte im übrigen die Schlüsselwörter der amerikanischen Schule. [31] Der Rassismus könne »sowohl beabsichtigt als auch unbeabsichtigt« sein, und »eine Person mit gutem Willen und scheinbarem Einfühlungs vermögen kann aufgrund ihrer Erziehung, Erfahrungen oder Umwelt negative, herablassende oder stereotype Ansichten über ethnische Minderheitsgruppen haben, die vielleicht unbewußt seine Einstellungen und sein Verhalten gegenüber Mitgliedern dieser Gruppen beeinflussen«. (Rampton 1981) Und wie Scarman betonte Rampton »die besonderen Erziehungsbedürfnisse« besonderer ethnischer Gruppen - was zweifellos der National Association of Schoolmaster und der Union of Women Teachers half, ihre »negative, herablassende oder stereotype Ansicht« über die »Erziehungsbedürfnisse« westindischer Kinder loszuwerden: »Viele westindische Kinder leiden unter der Tatsache, dass sie zu einer Subkultur der britischen Kultur ohne leicht identifizierbare Unterschiedlichkeit gehören,« - d.h. im Unterschied zu asiatischen Kindern, die »zum größten Teil Produkte eines stabilen kulturellen Hintergrunds« sind (NAS/UWT 1984).

Aber Rampton ermunterte auch RAT in den Schulen. Die Schulbehörde von Birmingham ließ sogar ihren »multicultural outreach worker«, David Ruddell, ihren eigenen Lehrbaukasten entwerfen - im Katz'schen Sinne natürlich, aber an britische Bedürfnisse angepaßt (Katz hatte ja gesagt, man könne das tun). Obwohl also die grundlegende »Philosophie« dieselbe blieb (»weißer Rassimus ist ein weißes Problem«, »Rassismus = Vorurteil + Macht« und das ganze Zeug), lenkte die Realität an den Schulen der britischen Innenstädte zwangläufig auch einige Aufmerksamkeit auf die rassistische Gewalt der National Front (NF), auf deren (»absichtliche oder unabsichtliche«) Anstiftung hin unzählige schwarze Kids angegriffen und eine ganze Reihe von ihnen getötet worden waren. Aber Ruddell überwindet diese Schwierigkeit mit seiner Eröffnungssalve. »Eine der Schwierigkeiten in der Erkennung und Bekämpfung des Rassismus heute«, schreibt er in seiner Einleitung zu »Rassismus erkennen: eine Film-, Dia- und Kassettenvorführung für das Rassismus-Bewußtwerdungs-Training« (Ruddell, Simpson 1982), »ist die Gleichsetzung des Rassismus mit starken persönlichen Vorurteilen, mit Gewalt und der National Front. Diese Sichtweise des Rassismus ist in den Erziehungs- und Pflegeberufen nicht weniger weit verbreitet als beim Rest der Öffentlichkeit. Und es ist eine bequeme und einengende Sichtweise, von der der allergrößte Teil rassistischen Denkens und Handelns unberührt bleibt.« Nicht alle schwarzen Menschen erführen persönlich »diesen extremsten Ausdruck des Rassismus«, aber »alle schwarzen Menschen leiden unter den Auswirkungen des subtilen aber endemischen institutionellen Rassismus, der unsere Gesellschaft und unsere Kultur durchzieht«. Und dann, als hätte er sich dabei ertappt, zu dreist die Erfahrung einer ganzen Klasse abzuschreiben, versucht Ruddell sie durch die Kultur zurückzuholen - »wir haben den kulturellen Rassimus im Gepäck unserer Geschichte, unserer Sprache und wahrscheinlich unserer Klassenstruktur« - aber schreckt vor der gegnerischen Kultur Scarman'scher Ethnizität und dem RAT-Kult zurück. Von da an hebt sein Paphlet in die höheren Bereiche des Psychologismus ab, um in Brenda Thompsons »ich bin ein/e weiße/r RassistIn, aber bereit zu lernen« ein kreischendes Crescendo zu erreichen.

Eine andere Denkschule, die von der Erziehungsbehörde von Inner London ausgeht, meint allerdings, es gebe in der multikulturellen Erziehung ein antirassistisches Element, das sie als Radikale ausbeuten können. In diesem Sinne nennen sie sich das Anti-Racist Strategies Team. Aber ihr »Pilotkurs« für LehrerInnen vertritt trotz aller politischen Posen und Anti-RAT-Rhetorik genau die gleichen Ansichten wie RAT und benutzt sogar einige seiner Trainingsmethoden - wie etwa »Konzentrische Kreise: eine Übung zum besseren Kennenlernen der TeilnehmerInnen«, das »Simulationsspiel«, »Brainstorming und Bekenntnisse zur Veränderung von Institutionen und Praktiken - ein Ideenaustausch« (und dies unter »Aktionsstrategien«!) und »ein hartes Video«, nämlich »Viewpoint on Racism«, das Salman Rushdie für Channel 4 gemacht hat (und das, weil es sich in der Rhetorik statt in der Analyse irrt, in RAT-Kursen viel Freude bereitet) (ILEA 1984).

Die Language Training Centres der Industrie sind andererseits zu psychologischen und affektiven Techniken übergegangen, ohne unbedingt für die Katz'sche Philosophie Partei zu ergreifen. Sie sind zum Beispiel abgerückt »von einer engen Definition von Sprache zugunsten einer Definition, die alle Aspekte effektiven Kommikationstrainings umfaßt und hinter den tatsächlich benutzten Wörtern nach den darunterliegenden Einstellungen bohrt«. (Peppard 1983)

Den Kirchen hatte es RAT viel schneller angetan, was ihrer zweiten Natur entspricht: Sein Credo unterschied sich schließlich in nichts von ihrem: Du musst dich selbst ändern, bevor du die Welt ändern kannst. Der Rassismus sah durch die Augen von RAT im übrigen aus wie die Erbsünde. Und es gab bestimmte festgelegte Rituale und Zeremonien bei RAT-Übungen, sogar eine RAT-Beichte und eine RAT-Priesterschaft, um einen beim Eintritt in einen rassenlosen Himmel zu unterstützen, und eine Aura der Pietät, die das ganze umgab. Aber natürlich betonen die verschiedenen Kirchen verschiedene Aspekte von RAT, wie das bei Kirchen so ist. Der Methodist Leadership Race Awareness Workshop (MELRAW) zum Beispiel spricht davon, es sei notwendig, »uns der Sünde des Rassismus bewußt zu werden und Vergebung zu erflehen, damit wir anfangen können, wahrhaft für Versöhnung zu arbeiten« (zitiert bei Holden 1984). Das Ecumenical Unit for Racism Awareness Programmes (EURAP) dagegen meint, »Rassismus-Bewußtwerdungs-Workshops« seien »dazu da, dass Menschen sich vom Gerümpel ihrer Erziehung, Fehlimformation und Vorurteile freimachen können, um dafür gerüstet zu sein, den Mißbrauch von Macht zu bekämpfen« EURAP betont auch die Notwendigkeit regelmäßiger Einschätzungen, »um zu sehen, ob eine effektive Praxis entstanden ist« (EURAP 1984). Wenn es um den Kampf gegen Machtmißbrauch geht, haben die Kirchen das (wenn auch kurzlebige) Beispiel der materiellen Unterstützung des Weltkirchenrates für revolutionäre Bewegungen in Afrika. Dabei hatten sie schon 1.985 Jahre Zeit, um einzuschätzen, ob die Veränderung der Köpfe die Gesellschaft verändert. Aber das ist wiederum der Grund, warum RAT in die Kirche gehört, die Kirche aber nicht unbedingt in RAT.

Wo RAT dem Rassismus allerdings eine unmittelbare Zuflucht bot, war bei der Polizei. Die Rebellionen gegen die Polizei und den Staat 1981 hatten die Polizei in jeder Hinsicht und auf jeder Ebene diskreditiert. Vor allem die »Unruhen« von Brixton hatten den endemischen und ungebrochenen Rassismus der Polizei in seinem ganzen Ausmaß gezeigt. Scarman rettete sie und den Staat vor solcher öffentlichen und allumfassenden Schande und entließ sie mit einem strengen Verweis für »mit Rassenvorurteilen behaftete Einstellungen« (in den unteren Rängen) und einem verschärften Multikulturalismus- und Einstellungstrainings-Kurs. Dankbar nahm die Polizei das Urteil an.

Sie hatte unmittelbar nach den »riots« in den Innenstädten das Fach Multikulturelles am Hendon Police Training College schon mal ausprobiert - und sogar einen schwarzen Dozenten, John Fernandes, ernannt, um es erfolgreich durchzuziehen. Aber nach Scarman suchte die Polizei fieberhaft nach einem Trainingsprogramm, das lieber Einstellungen und Verhalten ändern als erziehen und informieren sollte. Im Jahr darauf wurde eine Arbeitsgruppe der Polizei eingerichtet, aber bevor diese auch nur einen Bericht abgeben konnte (Februar 1983), war die Metropolitan Police Force, beeinflußt von der Arbeit des DRRI in Florida, auch schon voll ins HAT mit all seinen begleitenden Simulationsspielen, »experimentellen Übungen« und Rollenspielen eingestiegen. Zur selben Zeit begann sie einen gemeinsamen RAT-Versuch mit dem ILTC.

In Hendon war der Multikulturalismus inzwischen gestorben: Fernandes hatte bei seinem Versuch, einen antirassistischen Zug im Multikulturalismus zu finden, auf den Granit des Polizeirassismus gebissen, sowohl bei den Rekruten als auch bei den leitenden Beamten - und damit waren sowohl Fernandes als auch der Multikulturalismus erledigt. Aber RAT stand schon bereit und fand, kaum dass Fernandes suspendiert worden war, seinen Weg ins Police Training College - durch das RAPU, dessen führende schwarze Leuchte gleichzeitig auch noch Mitglied der Arbeitsgruppe der Polizei und ethnischer Berater von Haringey war. Der Fernandes-Fall war inzwischen zu einem wichtigen politischen Thema für Schwarze geworden - und führte zu einer Kampagne, die auf den Rassismus nicht nur der Polizei, sondern auch der Gewerkschaften aufmerksam machte (NCBT 1983). Aber das RAPU und seine schwarzen Unterstützer verschwendeten keinen Gedanken daran, dass sie den schwarzen Kampf spalteten oder die Polizei mit RAT-Placebos beschwichtigten - angeblich für 600 Pfund pro Wurf. (siehe Asian Times 1983 a und Asian Times 1983 b[32] Andererseits eignet sich RAT zu genau dieser Art von Kommerz.

Der freiwillige Sektor wimmelt ebenfalls von RAT - in der Jugendarbeit, bei Stadtteiltheatern, Wohngruppen und Beratungszentren, in der Gemeindearbeit und bei Kinderläden, die das Gefühl von Berufung und Engagement, das sie in ihre Berufe gebracht hat, besonders durstig auf einen Schluck aus dem RAT-Becher macht (zur Beschreibung eines RAT-Kurses und einer Kritik siehe CARF 1985[33]. Und falls ihr Engagement den freiwilligen Sektor seine besonderen Aufgaben aus den Augen verlieren lassen sollte, sorgt das Innenministerium (durch Voluntary Service Unit-Gelder) dafür, dass sie in Dachorganisationen in Leicestershire, West London und Manchester eingepfercht werden.

Dann gibt es noch schwarzes RAT für schwarze Menschen - wie z.B. bei RAPU und LRATU (Lewisham Racism Awareness Training Unit) -, das sich um die Wiedergewinnung der schwarzen Identität und die schwarze Bewußtseinsbildung und im genannten Fall des Lewisham Unit um die Verbesserung und Verstärkung einer »Praxis, die zum Erwerb von Macht besonders innerhalb der Grenzen von weiß dominierten Organisationen und der Gesellschaft im allgemeinen« (Lewisham Unit 1984) bemüht. Rassenübergreifendes RAT (bei Katz nicht befürwortet) geht in letzter Zeit eher zurück, gibt aber immer noch den Ton an in Gremien wie dem URJIT (Unit of Racial Justice in Tooting), deren verwirrtes Denken und Geißelungsrhetorik, wie sie sich in Tuku Mukherjees »I'm not blaming you: an anti-racist analysis« (Ich gebe nicht dir die Schuld: eine antirassistische Analyse) ausdrücken, ans Lächerliche grenzen würden, wenn sie sich selbst nicht so ernst nähmen.

Schließlich gibt es noch die professionellen RAT-Betreiber, die eher aus der Managerausbildung und der Wirtschaft als aus einem Engagement für schwarze Themen zu kommen scheinen. Ganz vorne dabei ist Linda King and Associates: Anti-Racist Consultants in Public Relations, Management and Staff Development (antirassistische Berater für Öffentlichkeitsarbeit, Management und Personalentwicklung). Die von einer schwarzen Amerikanerin gegründete Firma hat einen Hang zu amerikanischen Begriffen und amerikanischer Terminologie wie »verinnerlichte Unterdrückung«, »peoples of color« (farbige Völker), »parenting« (etwa: Eltern sein) usw. Sie hat sogar Kurse für »parenting auf antirassistische Art« - d.h. für gemischte Paare. Sie hat auch Kurse zu herabgesetzten Preisen und bekommt Besprechungen in anspruchsvollen (und sexistischen) Magazinen wie Cosmopolitan, wo es eine/n vielleicht wundert, Wörtern wie »Sklaverei« und »Kolonialismus« zu begegnen, allerdings nicht mehr, nachdem sie mit RAT behandelt worden sind. »Die Menschen können nichts dafür, dass sie Rassisten sind,« wird Linda King zitiert. »Es ist eine Form der Konditionierung, die aus unserer Geschichte der Sklaverei und des Kolonialismus und den gegenwärtigen Ungleichheiten in den Wirtschaftsstrukturen kommt. Aber wir können sie verlernen.« Und dann muss man sich natürlich »entscheiden, das Gelernte in die Praxis umzusetzen«. (Winn 1985)

RATs Hang zum Geschäft ist auch RAPU, der ersten und wahren Kirche, aufgefallen. Zerrissen von Schismen und Sekten und internen Streitigkeiten, mit einem von Ketzereien abgestumpften missionarischen Eifer, besudelt vom Verkehr mit der Polizei und enttäuscht vom Auftauchen der Geldwechsler in seinem Tempel, ist RAT in Ungnade gefallen. [34] Aber seine (schwarze) Hohepriesterin hat die Zeichen der Zeit erkannt und sich als »Rassen- und Geschlechtergleichheits-Training und -Beratung« namens »Affirmata« selbständig gemacht. Der weiße Rassismus ist anscheinend kein weißes Problem mehr, [35] sondern eine Geschäftsidee.

Trugschlüsse und Irrtümer von RAT

Die Verwirrung und Trugschlüsse sowohl des Denkens als auch der Metaphysik von RAT sind im Verlauf der Darstellung herausgekommen. Insofern ist der Rassismus nicht, wie RAT glaubt, ein weißes Problem, sondern ein Problem von ausbeuterischen weißen Machtstrukturen; Macht ist nicht etwas, in das weiße Menschen hineingeboren werden, sondern der Vorteil, den sie aus ihrer Stellung in einer komplexen Rassen-, Geschlechter- und Klassenhierarchie ziehen; Unterdrückung ist nicht dasselbe wie Ausbeutung; Ideen sind nicht dasselbe wie Ideologie; das Persönliche ist nicht das Politische, sondern das Politische ist persönlich; [36] und persönliche Befreiung ist nicht politische Befreiung. Ein Teil der Verwirrung entsteht aus der falschen Verwendung von Begriffen. Rassismus sollte genau genommen nur in Bezug auf Strukturen und Institutionen mit Macht zur Diskriminierung benutzt werden. Individuen zeigen Rassendenken (racialism), vorurteilsbeladene Einstellungen, die ihnen keine eigentliche Macht über Nicht-Weiße geben. Diese Macht leitet sich ab aus rassistischen Gesetzen, Verfassungsnormen, juristischen Präzedenzfällen, institutionellen Praktiken - die alle den Stempel des Staates tragen. In einem kapitalistischen Staat hängt diese Macht mit der Macht der Kapitalistenklasse zusammen - und Rassenunterdrückung lässt sich nicht von der Klassenausbeutung trennen. Und genau diese Symbiose zwischen Rasse und Klasse bezeichnet den Unterschied zwischen der Rassenunterdrückung der kapitalistischen und der der vorkapitalistischen Perioden.

Der Kampf gegen den Rassismus ist daher ein Kampf gegen den Staat, der ihn in den Institutionen und Strukturen der Gesellschaft und im Verhalten seiner Beamten sanktioniert und autorisiert - selbst durch Unterlassung. Es ist nicht meine Aufgabe, den Polizeibeamten aus seinem »Rassismus« herauszutrainieren, sondern dafür zu sorgen, dass er dafür bestraft wird, d.h. jedenfalls, wenn er der Gemeinschaft verantwortlich sein soll, der er dient. Genausowenig führt die Veränderung der Einstellung eines Einwanderungsbeamten dazu, dass er keine Jungfräulichkeitstests mehr durchführt - aber die Veränderung der Einwanderungsgesetze (oder auch nur der Erlasse aus dem Innenministerium) würde dazu führen. Genausowenig können (Mittelschichts-)Wohnungsbeamte, die sich RAT unterzogen haben, die Wohnverhältnisse der schwarzen Arbeiterklasse verändern, solange der Wohnungsbestand begrenzt ist. Genausowenig hindert es die Besitzer und RedakteurInnen der Boulevardpresse daran, ihre giftige Ideologie des Rassismus zu propagieren, wenn man ihre Köpfe von ihrem »Rassismus« befreit, solange diese Ideologie Zeitungen verkaufen hilft; nur eine konzertierte, kontinuierliche, öffentliche und politische Kampagne kann das tun.

RAT macht sich allerdings daran, Einstellungen und Verhaltensweisen und dadurch Machtverhältnisse zu verändern - nicht in der Wirklichkeit, sondern durch einen definitorischen Kunstgriff: indem man persönliche Beziehungen als Machtverhältnisse definiert. [37]

Das soll nicht heißen, dass RAT nicht als Katharsis - für schuldgeprüfte Weiße - oder als Katalysator wirkt , der sie für ihre eigenen Möglichkeiten und die anderer Menschen öffnet und sogar zu einer Veränderung ihrer individuellen Behandlung von Schwarzen führt. (Für RAT ist der Gegenstand der Unterdrückung das abstrakte Individuum.) Einigen wenigen eröffnet es vielleicht sogar einen Weg zum politischen Handeln, aber solche Menschen hatten wahrscheinlich sowieso schon ein derartiges Potential - und RAT hat es höchstens noch katalysiert. Aber seine Anmaßung, es tue mehr, ist gleichzeitig Größenwahn und Verrat am politischen schwarzen Kampf gegen den Rassismus und daher gegen den Staat.

Wichtiger noch, was die Strategie angeht, ist, dass die Unterscheidung zwischen Rassendenken und Rassismus - die Unterscheidung zwischen Machtverhältnissen zwischen Individuen (woher auch immer abgeleitet) und den Machtverhältnissen zwischen Klassen (wie auch immer vermittelt) [38] - zwischen dem kleineren (denn auch Einstellungen müssen bekämpft werden) und dem größeren Kampf unterscheiden hilft und verschiedene Taktiken für verschiedene Kämpfe zulässt, während sie gleichzeitig klarmacht, dass es um verschiedene Stränge ein und desselben Kampfes geht - damit der Staat nicht den einen gegen den anderen ausspielt.

Andererseits ist der Begriff »Rassismus« zur Bezeichnung sowohl des (persönlichen) Rassendenkens als auch des (strukturellen) Rassismus - teilweise beeinflußt vom Gebrauch des Begriffs »Sexismus«, der selbst aus der Tendenz in der Frauenbewegung entstand, durch die Personalisierung der Macht die Politik zu personalisieren (es gibt in der Frauenbewegung kein »Geschlechterdenken« [sexualism]) [39] - inzwischen in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen, was selbst schon ein Zeichen des Niedergangs des schwarzen Kampfes ist. Und es wäre pedantisch, ihn nicht so zu akzeptieren - d.h., bis der Kampf wieder die Begriffe verändert.

In der Zwischenzeit muss die RATte in ihre eigene Falle gehen - solche verdrehten und verwirrten Metaphern bieten sich zur Erklärung von RAT geradezu an. Der Rassismus ist für RAT eine Verbindung von Geisteskrankheit, Erbsünde und biologischem Determinismus (was vielleicht erklärt, warum es bei der Mittelschicht ankommt). Er ist laut Katz »das Gesundheitsproblem Nr. 1 in Amerika« - und wenn ihre JüngerInnen in Großbritannien es für dieses Land auch nicht so klar aussprechen (sie hatten nie eine Kommission für geistige Gesundheit, die solche Ansichten untermauert hätte), behandeln sie den Rassismus in ihrer Therapie jedenfalls auf dieser Grundlage.

Der Rassismus wurzelt nach Auffassung von RAT in der weißen Kultur, und die weiße Kultur geht unbeeinflußt von materiellen Verhältnissen oder der Geschichte zurück bis zum Anfang der Zeit. Daher ist der Rassismus ein Teil des kollektiven Unbewußten, ein pränataler Schrei, eine Erbsünde. Daher können Weiße letztenendes niemals mehr sein als »antirassistische RassistInnen«. Sie sind sowieso schon rassistische RassistInnen, da sie schließlich in weiße Privilegien und Macht hineingeboren werden; aber wenn sie nichts daran ändern, sich (bewußt oder unbewußt) »einverstanden erklären« mit den institutionellen und kulturellen Praktiken, die den Rassismus verewigen, dann sind sie unrettbar verloren und bleiben rassistische RassistInnen. Wenn sie dagegen gegen solche Privilegien »die Waffen« - oder in diesem Falle RAT - »ergreifen und sie durch den Kampf beenden«, wenigstens in ihrem eigenen Leben, könnten sie wenigstens »antirassistische RassistInnen« werden. RassistInnen bleiben sie allerdings ein alle Ewigkeit. Dieses Argument ist ein Zirkelschluß und grenzt an genetischen oder biologischen Determinismus: Der Rassismus ist zusammengenommen die Kultur, und die Kultur ist weiß, und weiß ist rassistisch. Und die RATte kann nur aus diesem Teufelskreis ausbrechen, wenn sie die materiellen Verhältnisse zur Kenntnis nimmt, die den Rassismus erzeugen. Aber dann wäre sie nicht die RATte.

Aus demselben Grund meidet RAT die gewalttätigste, bösartigste Form des Rassismus, den Nährboden des Faschismus, den der weißen Arbeiterklasse - die, im Gegensatz zu dem, was RAT glaubt, genau deshalb rassistisch ist, weil sie machtlos ist, ökonomisch und politisch, und gewalttätig, weil die einzige Macht, die sie hat, die persönliche Macht ist. Es ist ganz klar, dass es hoffnungslos wäre, zu versuchen die Einstellungen und das Verhalten des ärmsten und verelendetsten Teils der weißen Bevölkerung zu verändern, ohne zunächst ihre materiellen Existenzbedingungen zu verändern. Aber wenn RAT das erkennt, wendet es sein Gesicht ab, und indem es vorgibt, so ein Rassismus sei extrem und außergewöhnlich, lehrt es die Lehrer, auch ihr Gesicht abzuwenden. Und an Innenstadtschulen, wo der Rassismus für das weiße Kind der einzige Spaß und die einzige Befreiung aus seiner hoffnungslosen Realität ist, heißt das, es zum Faschismus zu erziehen. [40] David Ruddell, Antionette Satow und sogar Schwarze wie Basil Manning und Ashok Ohri leugnen ausdrücklich die Bedeutung des Kampfes gegen die NF - mit der Begründung, eine so extreme Form des Rassismus sei nicht unbedingt die gemeinsame Erfahrung der meisten Schwarzen und mache es den Weißen auf jeden Fall zu einfach, den offenen Rassismus draußen zu bekämpfen statt des verdeckten in sich selbst, in ihrem täglichen Leben und in ihren Institutionen (womit in Wirklichkeit der Arbeitsplatz, die Freizeit usw. gemeint sind) (siehe Ruddell, Simpson 1982, Ohri, Manning, Curnow 1982). Aber der Grund dafür ist, dass sie, wie die AktivistInnen der Anti-Nazi League, wenn auch aus anderen Gründen, nicht die organische Verbindung zwischen Rassismus und Faschismus sehen. Martin Webster, der National Activities Organiser der NF, sah sie allerdings, als er erklärte, »die soziale Basis der NF besteht aus den Verzweifelten und Verdrängten unter der weißen Arbeiterklasse« (Webster 1979).

Und weil RAT alles außer der Mittelschicht ignoriert, macht es auch keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Rassismen der verschiedenen Klassen - dem nackten Rassismus der Arbeiterklasse, dem vornehmen Rassismus der Mittelschicht und dem ausbeuterischen Rassismus der herrschenden Klasse -, und sei es auch nur, um zur Bekämpfung der verschiedenen Rassismen verschiedene Strategien und Bündnisse zu schmieden.

Andererseits gleicht der Versuch, RAT dazu zu bringen, irgendetwas so politisches zu tun, dem Versuch, einem Ei die Haare auszurupfen, wie ein tamilisches Sprichwort sagt. RAT spielt mit der Politik, es ist ein Fälschung, ein Pseudo - ein Schwindel, der die Menschen denken lässt, sie würden eine Lawine auslösen, indem sie Kieselsteine bewegen, der aber in Wirklichkeit die Kieselsteine nur bewegt (wenn überhaupt), damit die Lawine nie kommt.

Und weil in Großbritannien schwarze Menschen an diesem Schwindel beteiligt sind - indem sie ihn eingeführt haben, praktizieren und reproduzieren - konnte RAT die schwarze Politik und die schwarze Geschichte mit Beschlag belegen und den schwarzen Kampf auf den Hund bringen. Denn wenn der schwarze Kampf in Großbritannien je etwas bedeutet hat, dann war es die Rückkehr der Politik in den Kampf einer Arbeiterklasse, die sich in den Ökonomismus verlaufen hatte, die Rückkehr der Gemeinschaft zur Klasse ([41]), das Schmieden von »schwarz« als einer gemeinsamen Farbe kolonialer und rassistischer Ausbeutung und die Ausweitung von antirassistischen Kämpfen zugleich auf den Antifaschismus und den Antiimperialismus.

Das gleiche gilt für den schwarzen und Dritte-Welt-Feminismus: Wenn er je etwas bedeutet hat, dann einerseits als Korrektiv gegen die Personalisierung der Politik und die Individualisierung der Macht in der weißen Frauenbewegung und andererseits als Versuch, eine Einheit des Kampfes zwischen Rasse, Geschlecht und Klasse zu schmieden. RAT (das sich in Großbritannien mit schwarzen Frauen, darunter ehemaligen Aktivistinnen, in seinen Reihen brüstet) arbeitet nicht nur in beider Hinsicht in die entgegengesetzte Richtung, sondern spiegelt und verstärkt, indem es die Frauen an Rassenlinien spaltet, die gegnerische feministische Tendenz, die »Rasse« an Geschlechterlinien zu spalten, und zersetzt den Kampf noch weiter. Solch eine Fragmentierung des Kampfes hilft zwar vielleicht dabei, mit der persönlichen Paranoia fertigzuwerden, die das Kapital auf unterschiedliche Art bei verschiedenen Gruppen hervorruft, aber beschäftigt sie mit der Suche nach ihren Ausschnittsidentitäten und lässt das Kapital selbst ungeschoren.

Genau aus diesem Grund müssen die Kämpfe der neuen sozialen Kräfte, selbst wenn es keine klassische Arbeiterklasse mehr gibt, die einen klassischen Klassenkampf führen könnte, sich auf die Zerstörung der Herrschenden Klasse konzentrieren - denn die gibt es, in welcher Verkleidung oder unter welchem Namen sie auch den jeweiligen Bewegungen erscheint: Patriarchat, weißer Rassismus, Atommafia, oder von den »neuen Marxisten« heraufbeschworen wird: Machtblöcke, Hegemonien, dominante Fraktionen. Und besonders jetzt, wo die technologische Revolution dem Kapital neuen Aufschwung gibt und zulässt, dass die Herrschende Klasse ihre Anwesenheit - in so vielen Inkarnationen - verstreut und de-simuliert, während sie ihre Macht über uns andere zentralisiert und konzentriert.

Fußnoten:

[1] Dieser sollte ein Gegengewicht zum ein paar Monate zuvor erlassenen Commonwealth Immigrants Act darstellen (der britischen AsiatInnen in Kenia die britische Staatsangehörigkeit vorenthielt). Denn wie schon Hattersley gesagt hatte, ist »Begrenzung ohne Integration unentschuldbar, Integration ohne Begrenzung aber unmöglich«.

[2] Die Tory-Regierung wird hier nicht erwähnt, weil es irgendeinen Unterschied zwischen Tory- und Labour-Einwanderungsgesetzen gäbe - tatsächlich hatte Callaghan, der Innenminister in der vorhergehenden Labour-Regierung, das Gesetz von 1971 schon teilweise vorweggenommen, indem er die Einreise von Verlobten verbot - außer, dass Labour mit jedem Gesetz, das die Zahlen beschränkte, parallel ein Gesetz zur Verhinderung von sozialen Verwerfungen erließ.

[3] Hieraus entstand das erste National Committee for Trade Unions Against Racialism (1973).

[4] Das White Paper on Police-Immigrant Relations (1973) warnte vor »einer kleinen Minderheit junger farbiger Menschen ..., die unbedingt das in der schwarzen Gemeinde der USA gängige Verhalten imitieren wollen«.

[5] »Innerhalb von zehn Jahren wird Großbritannien sein 'Schwarzenproblem' gelöst haben - aber gelöst in dem Sinne, dass es revolutionäre Ansprüche in nationalistische Errungenschaften umgeleitet, Militanz auf Rhetorik reduziert, aus Protest Profit geschlagen und - vor allem - die schwarze Unterklasse davon abgehalten haben wird, den Kämpfen der weißen ArbeiterInnen die ganz eigenen politischen Dimensionen ihres eigenen historischen Kampfes gegen das Kapital nahezubringen.« (Sivanandan 1982 b).

[6] Schon 1978 waren überall in Großbritannien schwarze Frauengruppen aus dem Boden geschossen, aus denen ein mächtiger nationaler Verband, die Organisation of Women of Asian and African Descent (OWAAD) mit einer nationalen Zeitung (FOWAAD) entstand (Sivanandan 1982 a, siehe auch (Bryan, Dadzie, Scafe 1985).).

[7] »In diesem unserem England«, stellte der gute Herr Richter fest, »dürfen wir zum Glück immer noch unsere eigene Meinung haben, und das soll auch so bleiben!«

[8] Aber erst, als die Indian Workers' Association, die Black Socialist Allicance, Blacks Against State Harassment und verschiedene schwarze Frauengruppen eine letzte großbritannienweite Demonstration gegen staatliche Schikanen und faschistische Übergriffe organisiert hatten - im Juni 1979.

[9] »Zu behaupten, Arbeitslosigkeit und soziale Verelendung seien die Ursache der 'riots', bedeutet, so zu tun, als gehöre zu den Ursachen von Arbeitslosigkeit und sozialer Verelendung - unter den Schwarzen - nicht auch der Rassismus.« (Race & Class 1981)

[10] Abschnitt 11 des Local Government Act von 1966 ist zwar das »Hauptinstrument der ... gesamtstaatlichen Unterstützung für Maßnahmen von Lokalverwaltungen zur Bekämpfung von Rassenbenachteiligungen«, aber »das Urban Programme ist die Hauptquelle von Mitteln für Maßnahmen des freiwilligen Sektors zur Bekämpfung von Rassendiskriminierung ...« (House of Commons 1981)

[11]»Landesweit wurden für 1982/83 über 200 neue ' ethnische Projekte' genehmigt; in den Partnerschafts-Behörden wird ihr Umfang auf 2 Mio. Pfund geschätzt (von 0,77 Mio. Pfung 1981/82). Es wird geschätzt, dass unter dem Urban Programme gegenwärtig 15 Mio. Pfund ausgegeben werden.« (Young 1983)

[12] Aber im wesentlichen arbeitete diese Strategie ja auch nur die von Labour 1976 initiierte multikulturelle Strategie aus - und in schweren Zeiten hatten die Tories nichts dagegen, über soziale Kontrolle noch etwas von Labour zu lernen, die Meister darin waren.

[13] Ethnizität fiel zwar weg, als die Einrichtung 1979 unter Professor John Rex an die Aston University verlegt wurde(Bourne 1980), wird aber bald in einem auf fünf Jahre angelegten (politikorientierten) Forschungsprogramm an der Warwick University von Professor Robin Cohen (mit Rex) wiederbelebt.

[14] Die CRE wurde damals vom Innenausschuß überprüft, und Scarman wollte sich nicht verbindlich festlegen.

[15] »Die besonderen Probleme und Bedürfnisse der ethnischen Minderheiten«: so drückte Scarman es aus.

[16] Während »die asiatischen Führer sich anscheinend hauptsächlich darüber beschweren, dass die Polizei nicht genug tut, um ihre Gemeinschaft vor angeblichen Angriffen von rassistischen Mitgliedern der weißen Gemeinschaft zu schützen«. (Scarman 1981)

[17] »Man wird feststellen, dass es [die Schwäche der Familienstruktur um eine oder zwei Ecken die Hauptursache des allergrößten Teils des abweichenden, unangemessenen oder asozialen Verhaltens ist, das den Kreislauf der Armut und Vernachlässigung zwar nicht in Gang gesetzt hat, nun aber dazu beiträgt, ihn am Laufen zu halten.« (Moynihan 1965)

[18] Im Laufe der Zeit wurden die örtlichen CRCs dabei an den Rand gedrängt und die Behandlung von Diskriminierungsfällen der zentralen CRE übertragen.

[19] Das Personal der einen Gruppe war häufig auch das Personal der anderen Gruppe, wie in einem gegenseitig verschachtelten Aufsichtsrat.

[20] Dieser Verfall von »schwarz« ist inzwischen in die Umgangssprache eingegangen und trennt Afro-KaribInnen von AsiatInnen - wie in »Schwarze und Asiaten«, was selbst unsinnig ist, weil sich der eine Begriff auf die Farbe (und nicht auf die Politik) und der andere auf die Geographie bezieht.

[21] Einige RAT-Anwender nennen es neuerdings TIRA (Training in Racism Awareness); aber eine RATte stinkt auch, wenn sie anders heißt.

[22] Auch in Großbritannien hat Bidol beträchtlichen Einfluß, z.B. durch die Benutzung ihrer Diashow »From racism to pluralism« bei vom Racism Awareness Programme Unit (RAPU) veranstalteten RAT-Sessions.

[23] »Sogar viele Weiße, die den Rassismus aufrichtig verabscheuen und bewußt gegen offenen Rassismus käpfen, merken manchmal, wie sie selbst eindeutig antirassistische Aktionen aus 'intuitiven' Gründen ablehnen, die sie selbst nicht völlig verstehen. Meist bedeutet das, dass solche antirassistischen Aktionen gewisse fast unterbewußt wahrgenommene psychologische Vorteile bedrohen, die diese Weißen daraus ziehen, dass sie in einer Gesellschaft leben, in der sie als Mitglieder einer 'höheren' Gruppe gelten.« (Terry 1970)

[24] Genau diese Checkliste ist auch in Katz' Handbuch abgedruckt.

[25] Von RAT-Anwendern in Großbritannien wird sogar Stokely zum institutionellen Rassismus zitiert.

[26] »Unser sexuelles und rassisches Wesen hat einen enormen Einfluß auf unsere Perspektiven und Erfahrungen.«

[27] Darum tragen ihre TrainerInnen auch den exotisch hybriden Namen 'facilitators' (Unterstützer).

[28] In einer der Übungen in ihrem Handbuch gibt Frau Katz dem »Unterstützer« den Ratschlag: »Eine Art, mit Schuldgefühlen umzugehen, ist es, zu betonen, dass der Rassismus ganz tief in unserem System drinsteckt und dass wir natürlich Produkte unseres Systems sind« - dann fährt sie aber unlogisch fort mit der Forderung, man solle sich selbst und nicht das System ändern.

[29] Identität ist die Personalisierung des Nationalismus, Ethnizität sein Gruppenausdruck - alles Punkte auf demselben Kontinuum.

[30] Gleichzeitig ist allerdings ein gewisser schwarzer Radikalismus in die Rathäuser eingezogen und hilft lokalen Organisationen im Kampf gegen den lokalen Staat, wie z.B. bei der »Besetzung« des Rathauses in Camden 1984 wegen der Behandlung von obdachlosen Familien (von denen viele schwarz sind), nachdem eine Familie bei einem Brand in einer schäbigen Pension ums Leben gekommen war.

[31] Der Bericht des nach Rampton folgenden Swann Committee, der veröffentlicht wird, während wir in Druck gehen, betont Einstellungen und Verhalten wie Rampton, sieht aber - anders als Rampton - den Rassismus von Lehrern nicht als wesentliche Ursache von schwarzem Schulversagen.

[32] Die Polizei hat seitdem alle möglichen RATten-Experimente unternommen, aber eine neuere Stellungnahme des Innenministeriums zum Thema »RAT für die Polizei« hat Zweifel, ob RAT in die »traditionelle Kultur der Polizeiausbildung« paßt. »Die Dozenten haben ... Kurse über das Verhältnis zwischen schwarzen Menschen und weißen Menschen angeboten. Die Teilnehmer haben Kurse erwartet, die sich nicht nur damit, sondern auch mit dem Verhältnis zwischen schwarzen Menschen und der Polizei beschäftigen.« Die Polizisten wollten offensichtlich nicht als Weiße, die an Rassismus leiden, behandelt werden, sondern als Polizisten, die an Schwarzen leiden. Und da schien ihnen RAT nicht helfen zu können. Man hoffte aber, dass ein revidiertes RAT da Möglichkeiten bietet (Southgate 1984).

[33] Ich bin den ArbeiterInnen aus dem freiwilligen Bereich dankbar für die Diskussionen bei den GLC/IRR-Seminaren über Rassismus, die mir geholfen haben, meine Meinung zu bilden.

[34] RAPUs Sorgen waren besonders spürbar bei einem RAT-Auswertungsseminar bei der CRE am 31. Oktober 1984.

[35] Wenn der weiße Rassismus aber ein Problem der Weißen ist, warum lassen die Schwarzen sie dann nicht allein damit fertigwerden?

[36] Die Veränderung der Gesellschaft und die eigene Veränderung sind ein Kontinuum desselben Engagements - sonst ändert sich keins von beiden.

[37] Der Multikulturalismus dagegen leugnet Machtverhältnisse, indem er die hierarchische Struktur der Gesellschaft leugnet.

[38] Um es mit Stuart Halls brilliantem und alles umfassendem Ausdruck zu sagen: »Rasse ist die Art und Weise, wie Klasse gelebt wird.« (Hall 1978)

[39] Die Frauenbewegung (im Westen) hat die Macht - zu Recht - im Sinne der unmittelbaren, direkten und persönlichen Macht von Männern über Frauen personalisiert, aber davon - zu Unrecht - auf den Kampf der Schwarzen und der Dritten Welt geschlossen, der viel unmittelbarer und direkter mit wirtschaftlicher Ausbeutung und politischer Macht zusammenhängt (Bourne 1984).

[40] Wie für die »ideologischen Klassen« sind auch für RAT Ideen wichtiger als Materie.

[41] Es war dieses Verständnis von Gemeinschaft und die Entschlossenheit, sie nicht sterben zu lassen, die den Bergarbeitern die einhellige Unterstützung der afro-karibischen und asiatischen ArbeiterInnen einbrachte (siehe den Artikel von Chris Searle in diesem Heft).

Literatur:

[Anderson 1983]   Benedict Anderson: Imagined communities: reflections on the origin and spread of nationalism, London, 1983, (deutsch: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines erfolgreichen Konzepts, Frankfurt a.M., 1988).

[Asian Times 1983 a]   »Scabbing against Fernandes«, Asian Times, 28. Oktober 1983;

[Asian Times 1983 b]   »Racism Awareness Programme Unit«, Asian Times, 25. November 1983.

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