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14.10.2017

aus: Wildcat 70, Sommer 2004

Klinik – was bisher geschah...

In der Wildcat 67 vom Oktober 2003 hatten wir einen Blick auf bisherige »Gesundheitsreformen« und die Umstrukturierungen in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen und auf ArbeiterInnenkämpfe in diesem Bereich geworfen. Diese Umstrukturierungen scheinen in eine »heiße Phase« zu kommen. Bislang waren vor allem kleinere Krankenhäuser unter Druck geraten, das hieß immer öfter Privatisierung, auch wenn oft schon die Drohung wirkte: weniger Personal, schlechtere Bezahlung, flexibilisierte und verlängerte Arbeitszeiten. Die Umsetzung der Fallpauschalen, die sog. »integrierte Versorgung« oder das »Qualitätsmanagement« sind Hebel, mit denen die Angriffe auf die Großkliniken und ambulanten Dienste ausgeweitet werden sollen. Einstellungstopp und Personalabbau einerseits – die Einsaugung billiger neuer Arbeitskräfte andererseits: so werden z.B. Arbeitslose in Kurse geschickt, um ihre »Tauglichkeit« für die Krankenpflege auszutesten, weil es »Bedarf« gibt – Bedarf für billigere Arbeitskräfte.

In der ambulanten Pflege hält die Verdichtung der Arbeit durch sog. Module (feste Zeitvorgaben für bestimmte Tätigkeiten) die Fluktuation weiterhin hoch. Anders in den Krankenhäusern: Bettenabbau, Stellenkürzungen, Privatisierungsdrohungen und der Umstand, dass immer mehr Leute mit befristeten Verträgen eingestellt werden, haben die Fluktuation stark sinken lassen. Gegenüber den 90ern brechen geradezu die Dämme: »Du bist zu alt, wir wollen ein junges Team aufbauen, bewirb dich woanders«, »Du warst zu oft krank, du wirst nicht mit auf die neue Station genommen« – solche Sprüche bekommen z.B. Leute in der Freiburger Uniklinik in den letzten Monaten zu hören. Stationen werden geschlossen oder zusammengelegt, um Personal »zu sparen«. Im Mai 2004 wurde die Kündigung der Tarifverträge, die Heraufsetzung der Arbeitszeit auf 41 Stunden, die Streichung des Urlaubsgelds und die Reduzierung des Weihnachtsgelds angekündigt. Bei Neueinstellungen oder Vertragsverlängerungen soll das auch umgesetzt werden. Für die anderen gilt der Tarifvertrag weiter, aber die Bedingungen sollen über einen Haustarifvertrag nach unten »angeglichen« werden.

Privatisierungsdrohung und Lohnverzicht sind auch in Berlin der Grund für die Auseinandersetzung um den landeseigenen Klinikkonzern Vivantes. Seit Beginn der 90er stehen hier die Krankenhäuser unter Druck: Schließungen, Betten- und Personalabbau. 2001 wurden 9 Kliniken im neu gegründeten Vivantes Konzern zusammengefasst. Einstellungsstopp und Spardruck haben seitdem die Arbeitsbedingungen verschlechtert: keine Seltenheit sind z.B. Stationen mit fast 40 Betten und nur zwei Leuten pro Schicht. Seit 2001 sind von 16.000 ca. 2000 Stellen abgebaut worden. Seit Beginn des Jahres steht die Insolvenz im Raum, mit einem »Notlagentarifvertrag« will die Geschäftsleitung einen Lohnverzicht erreichen. Ende Mai macht die Rhön-Klinikumskette ein Übernahmeangebot, wenige Tage später wird ein Sanierungskonzept verkündet: das Land übernimmt die Schulden, Urlaubs- und Weihnachtsgeld werden gestrichen.

Gegen Lohnverzicht und die weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen hat sich in Berlin der Kreis »gesund und munter« zusammengefunden: Leute, die in den Vivantes- oder anderen Kliniken arbeiten, und UnterstützerInnen. In den Kliniken wurden Flugblätter verteilt und über weitere Aktionen diskutiert. Zum 3.4.04, dem bundesweiten »Aktionstag gegen die Agenda 2010«, wurde ein »Gesundheitsblock« organisiert, um einen Anlaufpunkt für die Klinik-ArbeiterInnen zu haben. Ende Mai wurde auf einer Veranstaltung über Aktionen auf der für den 3. Juni angesetzten Personalversammlung von Vivantes diskutiert, auf der Gewerkschaft und Geschäftsleitung der Belegschaft den Lohnverzicht beizubiegen versuchten. Ver.di legte einen unterschriftsfertigen Tarifvertrag vor: Wegfall von Weihnachts- und Urlaubsgeld bis 2008, keine betriebsbedingten Kündigungen bis 2010, weitere 1500 Stellen sollen »sozialverträglich« abgebaut werden. Auf der Versammlung waren mit etwa 1300 Leuten viel weniger als erwartet. Nach der Inszenierung der letzten Wochen – Übernahmeangebot der Rhöngruppe, die »Sanierungspläne« des Senats und der »Notlagentarifvertrag« von ver.di – ist die Sache für viele anscheinend entschieden. Die Stimmung auf der Versammlung war widersprüchlich: »Wer übernimmt die Arbeit für die gestrichenen Stellen?«, »Wieso weiter Betten abbauen, wenn wir jetzt schon Patienten auf den Fluren stehen haben?«, »Wieso maßt sich ver.di an, einen Vertrag ohne Abstimmung auszuhandeln?« ... aber auch Stimmen, die den Erfolg der Arbeitsplatzsicherheit betonten. Viele Leute sind vorzeitig gegangen, ihnen war klar, dass sie eine Kröte schlucken sollten und die »Garantien« morgen schon wenig wert sein können. Jetzt werden zwei Sachen diskutiert: es gibt den Vorschlag, im Rahmen einer Antiprivatisierungskampagne mal wieder Druck auf ver.di auszuüben, damit diese endlich die Politik des »Co-Managements« aufgibt, endlich die Leute in den Kliniken mobilisiert, damit es zu Aktionen und Streiks in den Krankenhäusern kommt. Um dasselbe Ziel geht es bei der Idee, nach der Personalversammlung noch mal direkt in den Kliniken, auf den Stationen nachzuhaken, und nicht den »Umweg« über die Gewerkschaft zu nehmen....

In der Wildcat 67 haben wir euch aufgefordert, Berichte zu schicken, um Erfahrungen auszutauschen und zu bündeln, Diskussionen und eine Vernetzung anzustoßen. Das hat bis jetzt nur in Ansätzen geklappt, deswegen wiederholen wir diesen Aufruf: schreibt uns, meldet euch!!

 
 
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