Wildcat Nr. 90, Sommer 2011 []



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Buchbesprechung

Jan Ole Arps, Frühschicht. Linke Fabrikintervention in den 70er Jahren *

Morgenmuffel

Jan Ole Arps schrieb schon in der arranca! und im ak über »militante Untersuchung« und von StudentInnen, die in den 70er Jahren die revolutionäre Kraft in den Fabriken suchten. In seinem Anfang des Jahres erschienenen Buch beschreibt er AktivistInnen, die aufgrund ihrer marxistischen Gesellschaftsanalyse von der Uni in die Fabrik gegangen sind. »Ohne die Arbeiterklasse«, zitiert er eingangs einen von ihnen, »hatten wir keine Chance, die Welt zu verändern«. Arps interessiert sich auch für die Frage, wie die revolutionären Fabrikinterventionen sich im Kontakt mit den Fabriken veränderten und wie sich andererseits der Alltag in den Fabriken durch die 68er-Revolte veränderte. Sowohl den maoistischen und spontaneistischen Strömungen – letztere heißen bei ihm auch operaistische oder »Wir-wollen-alles-Gruppen« – sei es um den Bruch mit den alten Arbeiterorganisiationen (spd; Gewerkschaften, kpen) und stattdessen um »Organisationsansätze im Proletariat« gegangen. Während aber die Maoisten auf das Modell der leninistischen Kaderpartei zurückgriffen (»Klassenbewusstsein erzeugen«), setzten die Spontis auf Untersuchung der »Widersprüche im Arbeiterbewusstsein und den Dynamiken spontaner Kämpfe«. Trotz dieser Unterschiede seien beide Strömungen auf sehr ähnliche Probleme gestoßen, was den Reiz ausmache, beide gemeinsam zu behandeln (S.10).

Neben verschiedenen Broschüren und Büchern der Gruppen nutzt er sieben Interviews mit AktivistInnen als Quelle, fast alle davon haben vor ihrer Fabrikzeit studiert (S. 210). Daran wird nochmals die besondere Fragestellung des Buchs deutlich: Intervention von Studierenden/Studierten in Fabrikkämpfe. Alles außerhalb dieser Konstellation (Lehrlingsbewegung, Selbstorganisation von Arbeitern…) spielt keine Rolle, es ist bestenfalls historischer Rahmen. Das erste Kapitel behandelt die Vorgeschichte der Fabrikinterventionen: die Studentenbewegung rund um 1968 und ihr Übergang in dkp, Jusos (»langer Marsch«), Alternativbewegung, Rote Zellen und K-Gruppen. Ebenso geht er in diesem Kapitel auf die wirtschaftliche Entwicklung in der brd und die Septemberstreiks 1969 ein. Im zweiten Kapitel wird kurz auf den italienischen Operaismus als wichtigen Bezugspunkt der Wir-wollen-alles-Gruppen eingegangen und ausführlicher das Untersuchungspapier1 des Revolutionären Kampfs (rk) aus Frankfurt diskutiert. Der rk wird im Buch am ausführlichsten für die spontaneistischen Gruppen dargestellt. Aus dem Spektrum der maoistischen Parteien und Bünde wird hauptsächlich die kpd/ml herangezogen. Das dritte Kapitel beschreibt die verschiedenen Ansätze, wonach im vierten Kapitel dann die Krise dieser Versuche und im fünften die Neuorientierungen der AkivstInnen Thema sind.

Man merkt dem Text nicht mehr an, dass seine Grundlage eine Diplomarbeit war: Er ist erstaunlich unakademisch geschrieben. Wichtige Quellen werden trotzdem benannt, wenig Wissen vorausgesetzt, und der Wechsel der Ebenen von biografischen Berichten, historischen Entwicklungen und der Darstellung von Theorie und Praxis der Interventionen ergänzen sich gut. Die ersten Eindrücke beim Betreten der Fabrik und wie AktivistInnen dies erlebten, kommen ebenso schön zum Ausdruck, vor allem durch die Zitate. Auch dass es im Betrieb nicht nur »die Arbeit« gab, sondern auch einen renitenten Mikrokosmos: z.B. die »echte Subkultur« (S. 93) bei Ford in Köln. Allerdings kommt diese Seite der Betriebswirklichkeit durchweg zu kurz.

Es lohnt sich, das Buch zu lesen, gerade für Jüngere, die die ausgewerteten alten Texte wohl meist nicht kennen, da sie zu großen Teilen selbst antiquarisch nur schwer zu beschaffen sind. Für alle, die sich noch nicht mit dem behandelten Zeitraum beschäftigt haben, mögen die historischen Darstellungen einen Einstieg bieten. Doch was lässt sich aus dem Buch für heute lernen?

Zentralität von Arbeit / Fabrik

Arps fragt, woher das Interesse der Studierenden an Fabrikarbeitern kommt. Die Studenten hatten doch gerade gegen bürgerliche Zwänge protestiert – und nun wollen sie in die Fabriken? Er führt dazu vier Punkte an: (1) Obwohl seit den 60er Jahren die Gesamtzahl der in der Produktion Beschäftigten stagnierte, »musste die Fabrik noch als das Herz der Gesellschaft erscheinen«, da diese »der gesamten Gesellschaft den Rhythmus« vorgab. (2) Die Septemberstreiks hatten die Macht der Industriearbeiter gezeigt. (3) Junge ArbeiterInnen fühlten sich von den Studierendenprotesten angesprochen, es entstanden Lehrlingsbewegungen, Jugendzentren. (4) Auch das Beispiel Frankreich und das dortige Zusammenkommen von Studierenden und ArbeiterInnen machte Mut (S. 44f.).

Im letzten Kapitel kommt Arps darauf zurück, dass »die Arbeit ein zentrales Feld gesellschaftlicher Auseinandersetzungen ist« (S. 216). Ein solches Statement ist für die deutsche radikale Linke schon als Fortschritt zu werten, zeigt aber auch, dass er keinen Begriff von Klassenkampf hat: Er betont einfach nochmal, dass es »die fordistischen Fabriken« nicht mehr gebe. Damit verwischt er die konkrete Widersprüchlichkeit von Klassenzusammensetzung sowohl damals wie heute: »Heute besteht die Frage revolutionärer Politik nicht mehr darin, wie man ›das Proletariat‹ zu einem einheitlichen antagonistischen Subjekt zusammenschweißen könnte, sondern ob und wo die heterogenen, dezentralen Kämpfe Verbindungen eingehen« (S.211). Zusammenschweißen war nie eine sinnvolle revolutionäre Strategie, da sie immer von einem Subjekt-Objekt Verhältnis von Partei und Klasse ausgeht. Wie die Kämpfe in einem revolutionären Prozess zusammenkommen und alle Lebensbereiche umgestaltet werden und ihre Getrenntheit überwunden werden kann, das war aber auch in »fordistischen« Zeiten die Frage!

Richtig ist, dass heutige Arbeitsverhältnisse andere sind als in den 70er Jahren. Zu ihrer Kennzeichnung reicht es aber nicht, das heutige Gesicht des Proletariats als »Selbstständige Programmierer, Leiharbeiter an der Supermarktkasse und befristet beschäftigte Call Center Agents« (S. 8) zu charakterisieren. Dass heute die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen, stimmt definitiv nicht für alle Arbeitssphären. Und dass die Arbeit »die Menschen heute nur noch selten auf ihr nacktes Arbeitsvermögen« reduziere, sondern Mitdenken und Kreativität verlange, reflektiert nicht, dass auch schon früher mitgedacht werden musste, dies für den Produktionsprozess schon wichtig war, bevor es von Kapitalseite aufgegriffen und systematisiert wurde. Dass es Chaos, das man ausnutzen könnte, nur in der »fordistischen Großfabrik« gegeben hätte, deckt sich nicht mit unseren Erfahrungen. Das kapitalistische Projekt oder: »Leitbild« von mehr Eigenverantwortung und mehr Individualität (»Ökonomisierung der Persönlichkeit« S. 203) verklärt Arps vorschnell zur (Arbeits-)Realität. Mit der Überschrift »Revolution« (S. 167) meint er die Computerisierung und dadurch Sprünge in der Produktivität – die so groß aber gar nicht waren wie z.B. die durchs Fließband (S. 169). Indem Arps mit dem Hinweis auf die partielle Deindustrialisierung in der brd die Fabrikarbeit als nicht mehr zentral abtut, kommt er gar nicht erst zu der Frage ihrer weiteren Untersuchung. Das Gerede von der Dienstleistungsgesellschaft verdeckt noch dazu die Perspektive auf die sich verändernden globalen Arbeitsteilungen, die sehr wohl etwas mit Fabrik zu tun haben – woher kommt denn fast alles, was wir als Waren kaufen? Für sein Argument »Postfordismus« und »Dienstleistungsgesellschaft« hat er Statistiken parat, die verfälschen, dass hinter dieser ganzen »Dienstleistung« massig industrielle Arbeit steckt. Und leider werden Versuche, neue Arbeitsverhältnisse zu untersuchen, wie Kolinko und die Call Center Offensive nicht einmal erwähnt – obwohl Arps selber an Untersuchungen in Callcentern beteiligt war.

Vermittlung von »Arbeitsalltag« und »Radikalität«

Das Ergebnis seiner Untersuchung ist ernüchternd: »Wer in der Geschichte des linken Fabrik-Experiments gute Beispiele für heutige politische Initiativen zu finden hofft, wird daher enttäuscht werden« (S. 211). Dies enttäuschende Resümee stand wohl schon von Anfang an fest, bereits in der Einleitung schreibt Arps: »Heute gibt es das Proletariat, an das sich die rebellierenden Studenten richteten, in dieser Form nicht mehr.« (S. 8). Arps macht sich am Ende seines Buchs erneut an die Frage nach einer möglichen Vermittlung von Arbeitsalltag und Radikalität und präsentiert Antworten von einem seiner Interviewpartner, Werner Imhof. Dieser weist darauf hin, dass die Arbeit Teil des Kapitals ist und daher »die Opposition der Lohnarbeit gegen das Kapital« nichts Neues bringen kann, solange sie sich innerhalb dieses Verhältnisses bewege (S. 216f). Eine Perspektive über Arbeit/Kapital hinaus ergibt sich für Imhof aus der Produzentenverantwortung2. Ziel ist für ihn dann folgerichtig »Selbstproduktion, Selbstorganisation« (S. 219). Arps gibt Imhof explizit in Bezug auf den ersten Punkt recht, führt aber nicht aus, was aus dieser Überlegung folgen könnte. Imhof landet bei einer Perspektive auf Arbeiterselbstverwaltung, die Arps nicht bemerkt oder nicht kritisieren will. Und er bemerkt nicht, dass gerade das Argument, dass die Arbeiterklasse innerhalb des Kapitals ist, Ausgangspunkt der Operaisten war: als Feind in seinem Innern kann sie es auch zerstören. An der Überlegung Imhofs sei problematisch, dass das Bewusstsein der Dreh- und Angelpunkt sei, es gebe aber noch die wichtige Seite der Beziehungen in der Arbeit: solidarische Beziehungen, die die »Logik der Konkurrenz unterlaufen« (S. 219). Arps überlegt also in Fortführung seiner Frage nach dem Verhältnis von Alltag und Radikalität, wie eigene soziale Beziehungen »zum Gegenstand politischer Auseinandersetzung werden können«. Überraschenderweise bringt er als positives Beispiel, wie Organizer in kleinen Schritten vorgehen und ArbeiterInnen zusammenbringen (S. 221). Die Berufssituation und der Alltag der OrganizerInnen spielt dabei aber keine Rolle. Als Negativbeispiel bringt er die Praxis seiner Gruppe FelS, bei den Montagsdemos die HartzIV-Protestler (»Weg mit Hartz IV«) mit der radikaleren Parole (»Alles für alle«) übertönen zu wollen, anstatt zu hören, um was es den Leuten geht.

Untersuchung

Arps verwirft in seinem Resümee sowohl die demokratisch-zentralistische Partei wie auch den operaistischen Ansatz (S. 216). Beim ersten Punkt gehen wir problemlos mit, beim zweiten scheint er die Klärung über Möglichkeiten, aus dem frühen Operaismus zu lernen und Aspekte zu übernehmen, zu schnell abzubrechen, indem hier vom Ansatz der Wir-wollen-alles-Gruppen bloß »die ›autonomen Bedürfnisse‹« übrig bleiben, die »sich meist auf Orte jenseits der Arbeit richteten«. Das Interessante, nämlich die Untersuchung der »Arbeiterautonomie« gegen Kapital und Gewerkschaften, der verborgenen Kämpfe und Organisierungen, sowie die kollektive Analyse der Spaltungsmechanismen – alles Punkte, die Arps auch im Buch bringt – fallen in seinem Resümee raus. Seine zusammenfassende Darstellung des (frühen) Operaismus im Kapitel 2 ist auch schon dünn. Weder dessen Ausgangssituation (die Arbeiterklasse ist politisch isoliert; die alten Begriffe und Organisationsformen passen nicht mehr), noch der durchgehende politische Streit – durch die Untersuchungspraxis die Arbeiterbewegung erneuern oder auf die Autonomie der Klasse und Revolution setzen – wird deutlich (Arps tendiert in die erste Richtung, mit der modernen Variante Organizing; dazu später mehr.) Es wird auch nicht deutlich, dass den Gruppen in der brd diese lange Phase der Untersuchungspraxis und die Bereitschaft, sich mit den ArbeiterInnen auf eine Stufe zu stellen, fehlten. Dies hängt wohl auch mit einem in Teilen elitärer Dünkel zusammen, der später Vielen den Aufstieg auf der Gegenseite erlaubte. Alle Wir-wollen-alles-Gruppen orientierten sich an der Theorie von Lotta Continua und/oder an Potere Operaio, ohne deren Theorie/Praxis von Untersuchung ernsthaft anzugehen. In der begeisterten Orientierung an diesen Gruppen reflektierten sie nicht, dass diese sich zunehmend von der Untersuchungspraxis lösten und statt dessen neue revolutionäre Subjekte erfanden, sich auf die Organisierung leninistischer Parteien und/oder den bewaffneten Kampf orientierten. Die Perspektive der Untersuchung wäre gewesen, auf offene Fragen nicht gleich zu antworten, sondern die konkreten Arbeits- und Lebenssituationen und -prozesse kollektiv zu untersuchen.

Was führt bei Arps zum Déjà-vu, wenn er die Probleme mit der Untersuchungspraxis der Wildcat in den 80er Jahren »fast wie eine Neuauflage der Erfahrungen der Wir-wollen-alles-Gruppen« liest (S. 200)? Es ist einerseits das Auseinanderdriften der Diskussionen der politischen Gruppe und dem Arbeitsalltag, andererseits auch das »Versacken im Betrieb« in Form von Passivität und übervorsichtigem Agieren (S. 200, vgl. auch TheKla 8, S. 131). Das Resultat, dass nämlich einzelne sich von den politischen Ansprüchen überfordert sahen, die Perspektive verloren und sich zurückzogen, hatte Arps auch schon in Bezug auf die Fabrikinterventionen der maoistischen und spontaneistischen Gruppen/Parteien in den 70er Jahren beschrieben. Dies sind ernst zu nehmende Probleme – anstatt diese aber zu analysieren, z.B. in Hinblick auf überhöhte Erwartungen, benutzt er die Probleme als Argument gegen »Fabrikintervention«. Er übernimmt die These von der Arbeit im Betrieb als »schleichenden Anpassungsprozess« (S. 103). Die Operaisten haben aber gerade den Arbeitsprozess als täglichen Kleinkrieg und Renitenz entschlüsselt. Arps und seine ehemaligen Avantgarde-InterviewpartnerInnen verschlüsseln ihn wieder, weil sie auch (heute) nicht danach suchen. Auf S. 213 erklärt Arps den Rückzug vieler AktivistInnen damit, dass sich die betrieblichen Kämpfe nicht zu breiten sozialen Kämpfen entwickelt hätten, diese seien vielmehr an anderen Orten entstanden. Arps streift hier das Ende der Massenarbeiterrevolte in den Fabriken, allerdings ohne weiter nach den Gründen zu fragen. Und indem er betriebliche und soziale Kämpfe gegeneinander stellt, begreift er nicht die revolutionäre Potenz der damaligen Kämpfe; die »betrieblichen« Kämpfe waren soziale! Damit setzt er schon voraus, was damals als politischer Fehler entstand, nämlich die These vom »gesellschaftlichen Arbeiter«.

Gespräche

In diesem Zusammenhang kommt er zu einem Schluss, der endlich in eine weiter führende Richtung geht: »Das ist durchaus etwas, was Linke tun können und sollten: Möglichkeiten für Gespräche organisieren und eine neue Sprache suchen – vielleicht zuallererst über die eigenen Arbeitssituationen – Orte zu finden und zu schaffen, an denen sich eine Wut äußern kann« (S. 222).

Hier zeigt sich aber auch, was für ihn vom Untersuchungsansatz des Operaismus übrig bleibt: Gespräche. Überraschend dabei ist, dass er keinen Bezug auf die Diskussionen und Praxen seiner Gruppe FelS, in deren Zeitschrift arranca! er schon 2008 einen Ausschnitt aus seinem Buch veröffentlichte3 und die sich in den letzten Jahren immer wieder auf »Militante Untersuchung« bezieht und mit diesem Ansatz versucht zu arbeiten (Euromayday4 und Berlinale5, aktuell an einer Berliner Arge6. Diese Projekte zumindest gehen über einfache Gespräche hinaus.

Arps schlägt vor, mit den »Gesprächen« am eigenen Arbeitsplatz anzusetzen (S.222). Die Orientierung, Gespräche über die jeweiligen Arbeitssituationen zu führen ist ein Punkt, der der »radikalen Linken« zunehmend verloren gegangen war. Es bleibt jedoch flach, wenn es bei Gesprächen bleibt: Wie kann aus diesen gemeinsame Untersuchung/Aktion werden? Und warum sollte es heute nicht mehr sinnvoll sein, die persönliche, scheinbar private Entscheidung für einen Beruf oder das »zufällige« sich Wiederfinden in einem bestimmten Job politisch, d.h. kollektiv zu diskutieren? Angesichts der Spaltungen und Vereinzelung in vielen Bereichen könnte dies doch auch wieder eine Perspektive werden, oder?

Damit wird auch die Frage des eigenen Verhältnisses zur Klasse interessant: Arps scheint sich die Arbeiterklasse nur als Bündnispartner vorzustellen, er hat keine Vorstellung von dem eigenen Verhältnis zur Klasse, die er nur soziologisch fasst: »unterschiedliche Klassenzugehörigkeit« der StudentInnen und ArbeiterInnen (S. 102). Indem die Perspektive entweder privatistisch oder interventionistisch und damit immer »außerhalb« bleibt, gerät die eigene gesellschaftliche Position selber nicht in den Fokus. Folgerichtig scheint besonders am Ende seines Buchs immer wieder eine linksgewerkschaftliche Perspektive durch: Er zitiert Passagen aus einem Interview, das zeigt, wie beschränkt die Handlungsmöglichkeiten von Betriebsräten trotz bester Absichten real sind. Befremdlich, dass nach 230 Seiten Arps gerade aus diesem Interview seinen Schlussoptimismus zieht. Die Fabrikintervention nennt er an einer Stelle »das Experiment mit der Fabrik« (S. 8). Für all jene, für die der Gang in die Fabrik kein »Experiment« war, bleibt das Buch sowohl gegenüber der Lebensrealität der ArbeiterInnen in der Fabrik als auch der ehemaligen StudentInnen seltsam blutleer.

Fußnoten:

* Hamburg - Berlin März 2011 (Assoziation A) | 240 Seiten | 16 Euro

[1] Revolutionärer Kampf:  1. Untersuchung – Aktion – Organisation. 2. Zur politischen Einschätzung von Lohnkämpfen. Berlin 1971 (Merve).

[2] Imhof zit. bei Arps: »sich dessen bewusst zu werden, dass man für andere produziert, dass daraus eine Verantwortung entsteht und man aus dieser Verantwortung heraus die Produktion vernünftig regelt, sie vernünftigen Zielen unterstellt«, S. 218.

[3] Arps, Jan Ole, »Wer eine Sache nicht untersucht hat, hat kein Recht mitzureden (Mao)«, in: arranca! 39 (2008).

[4] Global AG, »Arbeiten und Arbeiten und Machen und Tun: Eine Selbstuntersuchung beim Berliner Mayday«, in: arranca!, 39 (2008)

[5] FelS, »Moderner Klassenkampf mit Fragebogen. Untersuchungen auf der Berlinale und dem Berliner Mayday«, in: arranca! 39 (2008)

[6] Fels AG Soziale Kämpfe (2010): Militante Untersuchung am Jobcenter Neukölln



aus: Wildcat 90, Sommer 2011



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