Wildcat-Zirkular Nr. 63 - März 2002 - S. 29-31 [z63kongr.htm]


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konkret nach dem 11. September - ein Kommentar

Die Hamburger Monatszeitschrift konkret, größtes linkes Organ, hat im Januar zu einem Kongress unter dem Titel »Deutschland führt Krieg, gestern, heute morgen« eingeladen. Etwa 800 Leute kamen, die meisten deutlich über 30 Jahre alt. Konkret und der Krieg: schon in der Vergangenheit hieß das nichts Gutes: 1991 unterstützte man den Golfkrieg, weil er angeblich Israel schützen helfen würde; 1999 während des Kosovo-Kriegs schwenkte man auf antiimperialistische Linie ein, verteidigte Serbien und Milosevic und halluzinierte einen spezifisch deutschen Krieg herbei, der in der Tradition der Expanisonsbestrebungen des II. Weltkrieges stehen würde, nach dem 11. September konnten aufmerksame LeserInnen des Blattes gespannt sein, wie sich konkret zum US-geführten Krieg gegen Afghanistan positionieren wird (zumal da antideutsche Linke mit ähnlichen Gründen wie konkret 1991 jetzt auch wieder auf der Seite der westlichen Krieger stehen).

Der Kongress zeigte eine deutliche Zäsur an, die teilweise mit einer Rückkehr zu Reminiszenzen an die gute alte Kalte Kriegs-Ordung, als die SU noch existierte, verbunden war, teilweise einen Antiimperialismus minus revolutionäre Erwartung transportierte:

Es ging gegen eine als »89er-Linke« etikettierte antideutsche Position, die nun auf die Seite der Bellizisten gesprungen ist (bahamas). Gegen diese »mißratenen Kinder« sollte auf dem Hamburger Kongreß vorgegangen werden, ohne jedoch die Grundprämissen, die konkret mit diesen Linken teilt, kritisch zu befragen und über Bord zu werfen.

Jürgen Elsäßer, selbst in den 90er jahren Wortführer der Antideutschen, spielte sich zum Antiimperialisten und Verschwörungstheoretiker auf. Vom Pro-Amerikanismus der 90er Jahre abgerückt (noch unter dem Schockerlebnis der Wiedervereinigung rief Gremliza aus: Ami stay here!), ist konkret in der Person von Gremliza und Elsäßer in den linken Antiamerikanismus der orthodoxen Antiimperialisten zurückgefallen. In den »antideutschen« Jahren von konkret durfte nur über Auschwitz gesprochen werden; als müssten man nun nochmals auffrischen, was man als Antideutscher in dieser Zeit verlernt hatte, wiederholte Elsäßer die Verbrechen der USA: vom Indianermord, über Vietnam bis Chile.

Was sich bei dieser Linken durchzieht, ist die Unfähigkeit wirkliche Ideologiekritik zu betreiben, obwohl sie vorgibt, eine solche zu liefern. So hielt Elsäßer der amerikanischen Verfassung (persuit of happiness), die er als indiviualistische kritisierte, die französische entgegen (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit), die ein kollektives Glücksversprechen bereithalten würde. Hat Elsässer in den Neunziger Jahren die Dichotomie: westliche, staatsbürgerlich verfasste Zivilisationen (USA, Frankreich, England, Serben (!)) gegen völkische Blutsvölker (Araber, Basken, Kosovaren, Deutsche ...) aufgemacht und sich immer auf die Seite des »Westens« geschlagen, macht er jetzt eine solche idealistisch-ideologische Frontstellung auf.

Elsäßer rief dazu auf, daß politische Tagesaufgabe der Aufbau einer »gesellschaftlichen Sperrminorität« gegen den Krieg und die Militarisierung sei. Dies soll in der Art klassischer Volksfront-Politik geschehen. Seine theatralische Bemerkung, daß die Arbeiterbewegung vielleicht doch nicht so ein toter Hund sei, wie es uns manche einreden, korrespondierte mit einem Aufruf, mit Gewerkschaften wie der IG Metall, deren Erklärung gegen den Krieg - die voll mit nationalistischen Bekenntnissen ist - er ausdrücklich lobte. 1999 war es noch serbische Folklore, die Elsäßer gegen den Krieg bemühen wollte, jetzt sind es nationalistische Gewerkschaftler. Ob »Anti« davor oder nicht: das Denken in nationalen Kategorien zieht sich durch wie ein roter Faden!

Trampert/Ebermann haben ihre Rolle als Verurteiler der Kriegstreiber gut gespielt, doch davon abgesehen betreiben sie auch nur noch Polit-Kabarett: ihre Öl-und-Pipeline-These wird gar nicht mehr erhärtet, stattdessen kokettiert man damit, daß man die Öl-These auch nicht so genau auf den Punkt bringen kann, hier wird eher Materialist gespielt, als materialistisch argumentiert. »Es geht um die Röhre«, sagt ein schmunzelnder Trampert.

Der Postmoderne DJ Günter Jacob kam im Publikum ganz gut an, weil er ein Reform-Antideutscher ist, der aufgrund seiner Postmodernität ganz gut zwischen den Fronten rumtänzeln kann. Postmodern meinte er die Öl-These von Trampert vom Tisch fegen zu können, indem er glaubte, Öl wie eine normale Ware behandeln zu können, die »halt einfach« teurer wird, wenn sie knapp wird, was nur zeigte, wie vernebelnd der Kapitalkurs der KPD-ML war, den Jacob, wie er in diesem Zusammenhang kokett andeutete, besucht hatte.

Dann beschrieb Jacob »die Linke hier« als eine Linke, die zwei unvereinbare Registern zu ziehen hätte: Klassenkampf respektive Antiimperialismus (beides in Register I) und das Wissen von Auschwitz und dem NS (Register II), beides könne man nicht vermitteln (weil Kategorien aus Register I wie Interesse usw. Register II uns nicht verstehen lässt). Jacob behandelt diesen Sachverhalt wie ein Positivist. Er will keinen Zusammenhang herstellen, sondern gefällt sich darin, ihn auseinanderzureissen und als Aporie gegeneinanderzustellen (vgl. dazu »Antisemitismus und die Grenzen des Klassenbegriffs« Wildcat 56/57)

Von der Osten-Sacken spielte den Prototyp des Antideutschen. Als ständiger Kolumnist der Jungle World beschrieb er in diesem Organ der liberalen und poplinken Antideutschen den Krieg der USA gegen Afghanisten als »Krieg gegen Antisemiten« und macht sich wiederholt für eine Bombadierung des »faschistischen Irak« stark. Obwohl er von Elsäßer und Ebermann als »Kriegstreiber« bezeichnet wurde, gab es von ihm keine eindeutig bejahende Aussage zum Krieg (ein Phänomen, daß auch aus anderen Städten bekannt ist, daß sich publizistisch für den Krieg ausgesprochen wird, dies auf Veranstaltungen und in Diskussionen aber verschwiegen wird). Osten-Sacken beschrieb wie auch Günther Jacob den Anschlag des 11. September als antisemitische Tat und versuchte den Antiimperialismus der Linken zu kritisieren, indem er Horst Mahler als den Prototyp des Antiimp hinstellte - da mussten sich Trampert, Elsäßer, Gremliza natürlich nicht angesprochen fühlen ... Osten-Sacken war ohnehin nur zum Abwatschen auf dem Podium, damit konkret sich von der kriegsbeführwortenden Tendenz lossagen kann (für die sie mit ähnlichen Argumenten zum 2. Golfkrieg stand), den alten Antiimperialismus wieder hochkramen und trotzdem noch den innerlinken Pluralismus bedienen kann.

Spiegelverkehrt zu Osten-Sacken nahm der DKP-Prof aus Marburg Georg Fülbert die Rolle des impliziten Anti-Antideutschen ein, indem er sagte, man könne über den Krieg reden, ohne besonders auf Deutschland einzugehen. Tramperts Öl-These bezeichnete er als »Mythos Pipeline«, er wandte sich gegen die These, wonach in Form der EU eine neue Großmacht - unter deutscher Führung - den USA den Rang ablaufen wolle, und bezog sich auf Kautzkis Begriff des »kollektiven Imperialismus«, ohne diesen auszuführen oder auf die heutige Situation anzuwenden. In dem Krieg kämen noch keine deutlichen inner-imperialistischen Konflikte zum Ausdruck, vielmehr sei er eine hegemoniale Machtdemonstration der USA, bei der Deutschland keine bedeutende Rolle spielen würde. Dies war eine Position, von der man sich auch wieder abgrenzen konnte - gerade Gremliza mit Verweis auf die deutsche Führungsrolle in Mazedonien -, um antideutsche Restbestände zu bewahren.

Statements aus dem Publikum, die den Fragen von kollektivem Imperialismus, inner-imperialistischen Konflikten, transnationalem Kapital nachgehen wollten, wurden nicht weiter aufgenommen. Der Kongress zeigte wie sehr die Linke auf den Hund gekommen ist:

Das Problem ist, daß ein solches Spektakel auch ein dazugehöriges Publikum produziert und wechselseitig von diesem hervorgebracht wird. Teilweise war das Publikum in Einzelstatements weiter als die konkret-Riege, Nachfragen über die nationale oder transnationale Verfasstheit des heutigen Kapitals blieben unbeantwortet, der Aufruf zur Praxis (auch eine typische »Publikumsaufgabe« - die »Experten« und »Thereotiker« können sich da zurücklehnen) blieb vom Publikum her unverbunden mit einer Kritik an der Haltung der Referenten, die sich nur auf die eigene richtige Gesinnung und identitätspolitische Haltung verlegten.


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